"Mit der Bereinigung in der Fläche sind wir fast durch"
Mit mehr als 800 Teilnehmern war die Veranstaltungshalle beim Konvent der Kreditgenossen in Timmendorfer Strand gestern fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Ulrich Brixner und Werner Böhnke trafen zusammen, um über ihre Vorstellungen für ein Zusammengehen der von ihnen geführten DZ Bank und WGZ-Bank zu diskutieren. Frühestens nach der am 10. Juni zu beschließenden Umwandlung der WGZ-Bank könnten die seit Dezember ausgesetzten Sondierungsgespräche über eine Fusion der beiden Zentralinstitute wieder aufgenommen werden, verlautet aus Schleswig-Holstein. Doch den Genossenschaftsverbund beschäftigen dieser Tage noch andere Themen. Die Börsen-Zeitung sprach mit Christopher Pleister, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), über die Stimmung im genossenschaftlichen Bankenlager. – Herr Pleister, wie beurteilen Sie nach zwei Konventtagen in Timmendorf die Stimmung im genossenschaftlichen Verbund?Uneingeschränkt positiv, was diese Tagung angeht. Kritisch beurteilte Entwicklungen wie die Gründung der Interessengemeinschaft kleiner und mittelgroßer Genossenschaftsbanken Ende vergangenen Jahres oder die Beantragung eines Verbundratings, haben wir offensiv von uns aus angesprochen. Es wurde sehr sachlich darüber diskutiert. Aus meiner Sicht war das allgemeine Empfinden spürbar, dass man uns den engagierten und kompetenten Einsatz für die Sache der Organisation abnimmt. – Und wie schätzen Sie die Stimmung in der Gruppe abgesehen von dieser Tagung ein? Im vergangenen Jahr sprachen Sie von erheblichem Protestpotenzial. Der Zulauf, den die Interessengemeinschaft erhalten hat, lässt eher darauf schließen, dass die Opposition noch stärker geworden ist.Es ist deutlich geworden, dass sich die kleinen und mittelgroßen Institute innerhalb des BVR anders aufstellen wollen, um besser zur Geltung zu kommen. Daraus erkenne ich auch ein Engagement für die Arbeit im BVR. Meine Gespräche mit Vertretern der Interessengemeinschaft lassen mich davon ausgehen, dass die Institute an einem starken BVR inklusive des ihn repräsentierenden Präsidenten interessiert sind. Ich bin mir aber gleichwohl bewusst, dass es in der Interessengemeinschaft auch Stimmen geben kann, die das nicht so sehen. – Die Furcht der selbständigen Ortsbanken vor einer Degradierung zu Vertriebsstellen im Verbund hält sich hartnäckig. Ist der Eindruck richtig, dass die Kritik an der Kräftebündelung im Verbund derzeit zunimmt?Nein. Der Ausbau des Geschäftsmodells des dezentralen Unternehmertums war und bleibt unser Anliegen. Wir wollen die autonome Bank vor Ort stärken. Die Tagung in Timmendorf sollte dazu beitragen, Ängste, die häufig mit wenig Sachargumenten begründet werden, zu zerstreuen. Von 8 000 Volksbanken und Raiffeisenbanken im Jahr 1970 sind heute noch 1 335 übrig. Es hat also ein gewaltiger Strukturwandel stattgefunden. Wir meinen, dass wir mit der Bereinigung in der Fläche nach dem Grundsatz “Ein Markt – eine Bank” fast durch sind. Aber die letzten 100 Meter sind immer die schwersten. – Brauchen die Primärbanken nicht eine verlässliche Orientierung, welche Rolle sie langfristig nicht nur im Markt, sondern auch im Verhältnis zu den Zentralinstituten und den Verbundunternehmen spielen werden?Genau die geben wir doch. Ich sage sehr deutlich: Es gibt keinen schöneren Job, als Vorstandsmitglied einer mit “A +” gerateten Volksbank oder Raiffeisenbank zu sein, egal, wie groß diese ist. Diejenigen, denen ich das sage, stimmen dem auch zu. Solange die Mitglieder das eigene Institut stützen und das Rating im “A”-Bereich liegt, ist die Lage für ein Haus doch grundsätzlich nicht kritisch. Wir stellen das Geschäftsmodell der kleinen Banken keineswegs in Frage. – Gerade die kleinen fühlen sich in der Willensbildung des Finanzverbundes nicht immer richtig wahrgenommen. Wie wollen Sie das ändern?Es hakt an der Kenntnis um die gegebenen Möglichkeiten der Willensbildung. Die Willensbildung selbst, meine ich, ist vorbildlich organisiert. Durch das Fachratskonzept im Zusammenhang mit der Aufgabenerweiterung des BVR zum strategischen Kompetenzzentrum wurde der Prozess noch weiter verfeinert. Allerdings muss man auch einräumen, dass der BVR für das Tagesgeschäft einer Bank in der Region keine große Rolle spielt. Bei Medienberichten über bestimmte Entwicklungen wird dann sehr schnell auch geschimpft. Dem müssen wir begegnen, indem wir für alle Mitglieder des BVR erfahrbar werden. – Ist das in der Praxis denn überhaupt schnell erreichbar?Ja, zum Beispiel über unser neues Forum Basisbanken. – Spüren Sie persönlich nach den Erfahrungen der letzten Monate derzeit noch die notwendige Unterstützung im Verbund?Ich bin 2004 zweimal wiedergewählt worden – durch den Verbandsrat im Frühjahr und durch die Mitgliederversammlung mit der beschlossenen Neupositionierung des BVR in geheimer Abstimmung. Ich glaube, dass das Maß an Zustimmung für mich in diesem Läuterungsprozess eher gestiegen als gesunken ist. – Eine vorzeitige Aufgabe Ihres Amtes kommt für Sie also nicht in Frage?Das steht nicht zur Diskussion. – Die Mitglieder Ihrer Gruppe bewegen ja auch noch Sachthemen wie etwa ein mögliches Verbundrating oder die Konkurrenz zu den Direktbanken. Wie soll die Willensbildung hier zu möglicherweise schnell erforderlichen Beschlüssen kommen? Die meisten Fachfragen haben wir an die Fachräte delegiert, die im Mai ihre Arbeit aufnehmen. Nach meiner Einschätzung ist die Organisation auch sehr zufrieden. Hier sind keine Generalisten, sondern Fachleute am Werk, die von Ortsbankern nominiert werden. Hinzu kommt die Produktkompetenz in den Verbundunternehmen, die dafür sorgt, dass die Vertriebsleistung der Volksbanken und Raiffeisenbanken gegenüber den anderen Bankengruppen eine Spitzenposition einnimmt. Jeder Ortsbank ist es darüber hinaus vorbehalten zu entscheiden, ob sie bestimmte Tätigkeiten auslagert und wie sie den Produktmix gestaltet. – DZ-Bank-Vorstandschef Ulrich Brixner sagt, die Gruppe könne nicht tatenlos zusehen, wie immer mehr Einlagen von den Direktbanken abgezogen werden. Braucht der Genossenschaftsverbund eine eigene Direktbank?Wir werden keine Direktbank gründen und wir werden auch keine kaufen. Wir werden aber unser Produktangebot den Wettbewerbsbedingungen anpassen. – Wie stellen Sie sich das vor?Das wird eine Gemeinschaftsaufgabe der Verbundunternehmen und der Ortsbanken sein. Das ist im Übrigen auch eine der ersten Aufgaben für die Fachräte. Unsere Banken benötigen schnell – ich denke, bis zum Spätsommer – konkurrenzfähige Angebote. Der technische Vertriebsweg für Direktbankangebote steht jeder Ortsbank schon länger zur Verfügung. Deswegen brauchen wir keinen zentralen Anbieter. – Die Direktbankkompetenz wird also nicht bei einem Institut gebündelt?Nein. – Die DZ Bank, deren Aufsichtsratschef Sie ja sind, setzt sich auch stark für ein Verbundrating ein. Was sagt der BVR dazu?Wir evaluieren die Chancen und Risiken eines Verbundratings. Danach werden die zuständigen Gremien des BVR entscheiden. – Das passiert noch 2005?Davon ist auszugehen. – Also erhält Ihre Gruppe noch in diesem Jahr ein Verbundrating?Es ist denkbar, dass wir in den Gesprächen mit den Ratingagenturen so weit kommen. Wir haben in den Ratings der Verbundunternehmen den Verbund mit berücksichtigt. Wir müssen uns jetzt fragen, inwieweit wir aus dieser Berücksichtigung angesichts der geschaffenen Strukturen noch härtete Bewertungsfaktoren schaffen können, die dann dem Verbund zugute kommen. – Welches Verbundrating streben Sie an?Genau das soll der Prüfungsprozess ausloten. – Soll es sich denn um ein Verbundrating oder doch nur um ein Floorrating handeln, wie es Moody’s der Sparkassen-Finanzgruppe zugeordnet hat?Inwieweit wir ein Floor- oder Verbundrating anstreben, was einzelnen Institute nicht die Möglichkeit lassen würde, sich ein eigenes Rating zu besorgen, müssen wir noch prüfen. – Die beiden Vorstandsvorsitzenden von DZ Bank und WGZ-Bank, Ulrich Brixner und Werner Böhnke, sind auf dem Konvent in Timmendorf zusammengetroffen und haben für ihr jeweiliges Geschäftsmodell im Fall eines Zusammenschlusses beider Institute geworben. Wie war die Resonanz?Beide haben ihre Perspektiven einer Fusion von DZ Bank und WGZ-Bank erläutert. Die Teilnehmer der Tagung haben darüber natürlich auch diskutiert. Wir werden aber die Entscheidung der zuständigen Gremien, also der von den Eigentümern bestimmten Gremien, durch Diskussionsrunden wie diese nicht präjudizieren. – Wie weit liegen die Pole noch auseinander?Wir müssen erst einmal den 10. Juni abwarten, denn dann soll die Generalversammlung der WGZ-Bank die Umwandlung des Instituts in eine Aktiengesellschaft beschließen. Danach ist Raum für intensive Sondierungen gegeben. Das Geschäftsmodell muss konkret vorgeben, wer innerhalb der Zentralbankstruktur für was zuständig ist. Hier muss noch gründlich verhandelt werden. Die Frage der Fusion von DZ Bank und WGZ-Bank wird nicht ausschließlich davon abhängen, ob man eine Strategie-Holding verwirklicht oder nicht.Das Interview führte Carsten Steevens.