LEITARTIKEL

Monte Carlo revisited

28 Grad, die Sonne scheint, durchgetaktet in 30-Minuten-Intervallen eilen die Versicherungsmanager zwischen Hotel de Paris, Hermitage, Fairmont sowie diversen Cafés und Restaurants in Monte Carlo hin und her. Man spricht über die Lage auf den...

Monte Carlo revisited

28 Grad, die Sonne scheint, durchgetaktet in 30-Minuten-Intervallen eilen die Versicherungsmanager zwischen Hotel de Paris, Hermitage, Fairmont sowie diversen Cafés und Restaurants in Monte Carlo hin und her. Man spricht über die Lage auf den Versicherungsmärkten und über die Preise und Konditionen für die Fortsetzung von Rückversicherungsverträgen über den kommenden Jahreswechsel hinaus. So sehen “Les Rendez-Vous de Septembre” seit mehr als 60 Jahren im kleinen Fürstentum an der Côte d’Azur aus – und so sollten sie seit Samstag auch in diesem Jahr aussehen.Doch das Branchentreffen wurde schon im April von den Veranstaltern abgesagt, aufgrund der Unsicherheiten in Zusammenhang mit dem Coronavirus, wie es damals hieß. Was bedeutet das für die Branche und die Zukunft der Rendez-Vous in Monaco? Manch einer freut sich, dass er nicht nach Nizza, dem Heimatflughafen von Monaco, fliegen muss und in den teuren Hotels des Fürstentums absteigen muss.Die Kundenkontakte wollen trotzdem gepflegt werden und die Vertragserneuerungen zum 1. Januar 2021 stehen weiter an. Erst- und Rückversicherer, Broker, Berater, Ratingagenturen und Journalisten weichen daher auf virtuelle Formate aus – von Zoom über Teams bis zu Telefonkonferenzen. Aber das ist nicht das Gleiche wie persönliche Begegnungen, die eben in Monaco auf kleiner Fläche in kurzer Zeit mit vielen Branchenexperten möglich waren.Trotzdem: Passt ein Treffen, bei dem es um die Arbeit, das Kerngeschäft der Versicherer, das Underwriting von Risiken gehen soll, in einem mondänen Fürstentum, das für sein Spielcasino, Luxushotels und die höchsten Immobilienpreise der Welt bekannt ist, noch in die Landschaft? In eine Landschaft, die auch nach Meinung der Versicherer durch die Folgen des Klimawandels bestimmt wird? Dazu passen die Flüge aus aller Welt von fast 3 000 Menschen nicht gut.Was also tun? Das Branchentreffen in Monaco beenden – auch eine 63-jährige Tradition kann mal ein Ende haben. Oder das Treffen an einen anderen Ort verlegen? Berlin wurde schon mal vorgeschlagen. Oder einfach alles eine Nummer kleiner machen, andere Formate bei den Treffen ausprobieren? Verzichten ist wohl keine Option, hört man sich in der Branche um. Denn der persönliche Kontakt gilt eben als unverzichtbar, um Vertrauen zu schaffen oder zu erhalten und die in der Regel nicht standardisierten Verträge zwischen Erst- und Rückversicherern vorzubereiten. Monaco bietet dazu eben doch einen ganz besonderen Rahmen – mit seinem im September meist noch milden Klima, das viele entspannen lässt, mit seinen kurzen Wegen, denn Monaco ist nur 2 Quadratkilometer groß und die Treffpunkte in den Hotels sind fußläufig erreichbar, und den abendlichen Empfängen und Meetings in entspannter Runde – häufig unter sternenklarem Himmel.Und doch fällt es schwer zu glauben, dass es 2021 einfach ein “Weiter-so” wie bis 2019 geben kann. Wenn Rückversicherer zu Preis- und Kostendisziplin aufrufen, einen sich verhärtenden Markt mit steigenden Preisen bejubeln – und auf eine Fortsetzung dieses Trends hoffen – und auch während der Covid-19-Pandemie mahnen, die Folgen und Gefahren des Klimawandels nicht zu vergessen – ja dann sollte die Branche auch “Monaco” angehen und das Treffen entschlacken, ohne aber den Kern, die Begegnungen Mensch zu Mensch, zu entsorgen.Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass das Geschäft auch aus dem Homeoffice heraus gemacht werden kann und zwar durchaus gut. Die Zunft hat sich an virtuelle Meetings gewöhnt, ist mit der nötigen Disziplin zu guten Ergebnissen gekommen, hat manches sogar schneller zum Abschluss gebracht als in den früheren großen Präsenzrunden – und billiger, da Reisekosten und lange Anreisezeiten weggefallen sind.Ein Weg zu den Rendez-Vous 2021 dürften daher intensivere Online-Vorgespräche sein, so dass sich die persönlichen Treffen vor Ort effizienter gestalten lassen. Das wird aber nicht reichen, um “Monaco” langfristig zu retten. Um ein Downsizing wird die Branche nicht herumkommen – sei es bei der Zahl der Teilnehmer, die über die Jahre immer weiter gestiegen ist, sei es bei mancher Abendveranstaltung. Auf das Organisationskomitee kommt viel Arbeit zu. Nur unter dem Motto “Monte Carlo revisited” wird es gelingen, das Branchentreffen in die Nach-Corona-Zeit zu retten. In einem Jahr wird sich zeigen, ob das gelingen kann.——Von Thomas ListDas in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie abgesagte Versicherertreffen in Monaco muss sich neu erfinden – oder verschwinden.——