Neue Ermittlungen schrecken Barclays-Anleger

US-Behörden prüfen Verstoß gegen Antikorruptions- und Energiemarktbestimmungen - Investment Banking enttäuscht

Neue Ermittlungen schrecken Barclays-Anleger

Behindern immer mehr rechtliche Probleme die wegen des Libor-Skandals angeschlagene Großbank Barclays bei der Neuausrichtung? Gerät das britische Institut im wichtigen Investmentbankgeschäft ins Hintertreffen? Investoren zeigen sich nach dem jüngsten Quartalsbericht besorgt.Von Carsten Steevens, LondonIhren gestern vorgelegten Quartalsbericht, den ersten nach der Berufung des neuen Vorstandsvorsitzenden Antony Jenkins Ende August, hat die vom Skandal um Manipulationen des Interbankenzinssatzes Libor erschütterte britische Großbank Barclays mit einem Zitat des neuen Konzernchefs eingeleitet. Die präsentierten Resultate würden belegen, “dass wir trotz der Schwierigkeiten, mit denen wir während der Periode konfrontiert waren, nach wie vor starken Schwung in unseren Geschäften spüren”. Ausführlich erläutert wird ein Anstieg des Vorsteuergewinns in den ersten neun Monaten von 18 % auf fast 6 Mrd. Pfund (7,4 Mrd. Euro) – bereinigt um zahlreiche Sondereffekte. Aktie fällt 5 ProzentDiese positiven Darstellungen verhinderten jedoch nicht, dass Barclays gestern anders als die Rivalin Deutsche Bank, deren Aktie noch am Vortag nach der Bekanntgabe einer kräftigen Gewinnsteigerung im Investment Banking im dritten Quartal ein Kursplus von 4,5 % verbucht hatte, schlecht ankam bei Anlegern. Im Branchenvergleich schnitt das mit 27,8 Mrd. Pfund (34,6 Mrd. Euro) bewertete Institut an der Börse deutlich schwächer ab, der Aktienkurs fiel um 4,7 % auf 227,5 Pence.Auf die Stimmung bei Investoren drückten zum einen fast am Ende des 37-seitigen Zwischenberichts platzierte Hinweise auf weitere Ermittlungen amerikanischer Regierungs- und Aufsichtsbehörden wegen möglicher Gesetzesverstöße. Das US-Justizministerium und die Wertpapieraufsicht SEC prüfen demnach, ob Verbindungen von Barclays mit nicht genannten Adressen, die der britischen Bank dabei halfen, Geschäfte abzuschließen oder zu sichern, im Einklang stehen mit Antikorruptionsbestimmungen. Im Verlauf des dritten Quartals war bereits bekannt geworden, dass Barclays auch im Visier der britischen Finanzaufsicht FSA sowie der Antibetrugsbehörde Serious Fraud Office (SFO) steht, etwa wegen möglicher unrechtmäßiger Zahlungen an Investoren aus dem Emirat Katar auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008.Barclays, die sich mit amerikanischen und britischen Behörden Ende Juni auf eine Strafe von 290 Mill. Pfund als Folge jahrelanger Libor-Manipulationen geeinigt hatte, ließ überdies durchblicken, dass im Zuge von Untersuchungen möglicher Manipulationen von Energiepreisen in den Jahren 2006 bis 2008 eine Strafe durch den US-Energiemarktregulator FERC droht. Investoren fürchten nun, dass rechtliche Probleme, denen die Bank ausgesetzt ist, den neuen Barclays-Chef Jenkins bei der Neuausrichtung der Bank und der Rückgewinnung von Kunden- und Anlegervertrauen behindern könnten.Im Verlauf der ersten Hälfte 2013 will das Institut nicht nur Auskunft geben über den künftigen strategischen Kurs und über künftige Gewinnziele, die einhergehen könnten mit einer Verschlankung des schwankungsanfälligen Investmentbankgeschäfts. Auch sollen Ergebnisse der eigenen Libor-Untersuchung präsentiert werden, die Folgen haben dürften für Unternehmenskultur und Geschäftspraktiken.Zum anderen enttäuschte Barclays Investoren mit Angaben zum Abschneiden im Investment Banking. Das Institut schnitt schwächer ab als die meisten Wall-Street-Konkurrenten. Zwar nahmen die Gesamterlöse von Juli bis September im Vorjahresvergleich um 17 % auf gut 2,6 Mrd. Pfund zu, gemessen am zweiten Quartal steht jedoch ein Minus von 13 % zu Buche. Der Rückgang beruhte vor allem auf Erlösen im dominanten Anleihe-, Devisen- und Rohstoffhandel, die um ein Fünftel sanken. Zudem dämpfte Barclays die Erwartungen: Das Geschäft im Oktober sei vom “schwierigen wirtschaftlichen Umfeld sowie von geringeren Marktvolumina” beeinträchtigt worden. Ein Analyst von Shore Capital äußerte sich “enttäuscht” darüber, dass die Investmentbankerlöse Markterwartungen verfehlt hätten. Viele SondereffekteMit dem bereinigten Konzerngewinn vor Steuern von 1,73 Mrd. Pfund lag Barclays zwar im Rahmen von Analystenschätzungen. Und das vergleichbare Vorjahresergebnis von 1,34 Mrd. Pfund wurde auch übertroffen. Doch wird die Lage der Bank von einer Reihe von Sonderfaktoren verzerrt. Im bereinigten Neunmonatsergebnis sind u. a. ein Verlust von 4,02 (i. V. + 2,97) Mrd. Pfund aus der Bilanzierung eigener Verbindlichkeiten, ein Gewinn von 227 Mill. Pfund aus dem Verkauf der Beteiligung am Vermögensverwalter BlackRock, wegfallende Wertberichtigungslasten auf diesen 20-prozentigen Anteil von im Vorjahr 1,8 Mrd. Pfund sowie Rückstellungen von erneut 1 Mrd. Pfund für die Erstattung gerichtlich beanstandeter Restschuldversicherungen nicht berücksichtigt. Einschließlich dieser Faktoren berichtete Barclays gestern über einen Rückgang des Vorsteuergewinns nach neun Monaten 2012 um 86 % auf 712 Mill. Pfund.Barclays deutete an, die Möglichkeit der Wandlung von Anleihen in Aktien nutzen zu wollen, sollte die Kapitalbasis mit Blick auf die verschärften Eigenkapitalbestimmungen bedrohlich schrumpfen. Finanzchef Chris Lucas erklärte laut Reuters, nach Fortschritten in der Abstimmung mit der Aufsicht mit Investoren über Optionen beim sogenannten Contingent Capital zu sprechen. Per 30. September weist Barclays eine auf 11,2 % von 10,9 % Ende Juni gestärkte Kernkapitalquote aus.—– Wertberichtigt Seite 8