Neuer ING-DiBa-Chef Jue kündigt Steigerung der Effizienz an

Die Direktbank will sparen, um Gebühren zu vermeiden - Die Zahl der Kunden soll in zwei Jahren von 8,5 Millionen auf 10 Millionen steigen

Neuer ING-DiBa-Chef Jue kündigt Steigerung der Effizienz an

Von Bernd Neubacher, FrankfurtUnter ihrem neuen Chief Executive Officer Nick Jue will die ING-DiBa ihre Aufwand-Ertrag-Relation weiter verbessern. “Wir müssen sparen”, hat der seit wenigen Wochen amtierende Manager bei seinem ersten Medienauftritt angekündigt. Eine verbesserte Kostenstruktur soll verhindern, dass die Bank Gebühren erhöhen oder, wie im Fall ihres kostenlosen Girokontos, erheben muss, wie Jue vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW) erklärte.Die Niedrigzinsphase dürfte noch eine Weile dauern, erläuterte er. Um die Auswirkungen der Geldpolitik zu kompensieren, könnten Banken vermehrt Gebühren berechnen oder Kosten senken. Jue geht es darum, in dieser Situation am längsten ohne Gebührenanhebungen auszukommen, um im Wettbewerb einen Vorteil zu erzielen: “Ich werde alles dafür tun, dass wir möglichst lange keine Gebühren erheben müssen”, sagte er. Um keine Gebühren erheben zu müssen, müsse die Bank sparen.Mit einer Aufwand-Ertrag-Relation von zuletzt 40 % liegt die deutsche Tochter der ING bereits jetzt national in der Spitzengruppe. Um die Aufwandsquote zu optimieren, soll die Direktbank laut Jue digitaler werden. Seinen Angaben zufolge helfen auch neue Organisationsformen, etwa sich selbst steuernde Teams, im Bemühen, die Kosten im Zaum zu halten. Die Kostenstruktur verbessere sich freilich auch, wenn der Kundenstamm bei stabilen Kosten wachse, fügte er hinzu und postulierte: “Wir müssen wachsen.” Zukauf nicht ausgeschlossenIn den vergangenen Jahren hatte ING-DiBa vor allem mit dem Angebot eines lange Zeit relativ hoch verzinsten Tagesgeldkontos 8,5 Millionen Kunden gewonnen. Jue will ihre Zahl binnen zwei Jahren auf 10 Millionen steigern. Um des Wachstums willen schließt er auch Übernahmen nicht aus. Sollten sich Gelegenheiten bieten, werde man sich diese immer anschauen.Um das Wachstum zu forcieren, ist seinen Angaben zufolge in der Bank auch “Beyond Banking” ein wichtiges Thema. ING-DiBa überlege, welche Zusatzdienste sie außerhalb des klassischen Banking anbieten könne, für welche Kunden bereit seien zu zahlen. Dies könnten etwa Leistungen in der Steuerberatung sein, zählte er beispielhaft auf. Um im Firmenkundengeschäft zu expandieren, will das Institut zudem 10 bis 30 Corporate Banker in seiner Sparte Wholesale Banking einstellen. Als ein Produkt, das Erträge generiert und mit dem sich die Bank zugleich breiter aufstellt, plant die Bank zudem das Angebot einer digitalisierten Vermögensverwaltung. Martin Schmidberger, Generalbevollmächtigter des Instituts, hatte Ende Juni den Start eines entsprechenden Angebots für das zweite Halbjahr angekündigt. Im Detail will die Bank am 14. September über diese Initiative informieren. Bisher bietet sie allein Wertpapieranlagen für Selbstentscheider an. Neues SelbstverständnisSolche Vorstöße zur Diversifikation zeugen von einem Wandel des Selbstverständnisses der Bank, die im deutschen Bankensektor einst reüssierte, indem sie rigoros auf eine denkbar schmale Produktpalette sowie günstige Konditionen gesetzt hatte. Jue räumt ein, dass sich die ING-DiBa angesichts ihrer Größe kaum mehr zu den Herausforderern der etablierten Banken zählen kann.Seit einiger Zeit spart die Direktbank angesichts negativer EZB-Einlagezinsen denn auch an der Attraktivität der Verzinsung ihres Extra-Kontos. Vor wenigen Tagen erst halbierte sie dessen Einlagensatz, lange als “Leitzins” am Tagesgeldmarkt wahrgenommen, auf 0,1 %.Inzwischen geht es der Bank vermehrt darum, Kunden mit Hilfe des Komforts ihres Angebots zu überzeugen, erklärte Jue.Einen nahezu dramatischen Appell richtete er an die deutsche Kreditwirtschaft, was die Einigkeit beim Aufbau eines gemeinsamen Online-Bezahlsystems angeht. “Es gibt einige Sachen – wenn wir die nicht hinbekommen, verlieren wir alle”, sagte der im Juni in den Vorstand des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) eingezogene Manager. Keine Bank in Deutschland sei groß genug, um im Alleingang einen bundesweiten Standard setzen zu können. Paydirekt, das vor zwei Jahren hochgefahrene Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Kreditwirtschaft, bleibt bislang deutlich hinter den Erwartungen zurück.Von der angestrebten Verbesserung der Aufwandsquote abgesehen, wollte Jue zwei Monate nach dem Start ins neue Amt keine Finanzziele nennen. Auf die Fahnen hat er sich vielmehr geschrieben, durch Auflösung der Bürostruktur in der ING-DiBa, eine Verkürzung von Entwicklungszyklen und andere strukturelle Veränderungen die Bank flexibler zu machen: “Ich will Chef der ersten agilen Bank in Deutschland sein.”