Nicht der nächste Spielzug, sondern neue Spielregeln

Globalisierung und technischer Fortschritt bieten Chancen für Kunden und Banken - Der Berater wird nicht ersetzt, sondern gestärkt

Nicht der nächste Spielzug, sondern neue Spielregeln

Die Regel stammt aus der Start-up-Szene: Wer Neues schaffen will, sollte nicht darüber nachdenken, wie er bestehende Produkte und Verfahren etwas besser macht. Er sollte über die traditionellen Grenzen seines Geschäftes hinaussehen – nicht der nächste Zug im Spiel, sondern die Veränderung der Spielregeln ist das Thema.Das Gleiche gilt heute für Banken und deren Geschäft mit Firmenkunden. Natürlich ist es wichtig, das bestehende Geschäft organisch weiterzuentwickeln. Ebenso wichtig für Kunden und Bank ist die Offenheit für neue Formen und Inhalte der Zusammenarbeit. Die Banken müssen dafür bestehende Branchengrenzen oder Geschäftsmodelle in Frage stellen, frisches Know-how aufbauen und die Beziehung zum Kunden weiterentwickeln.Es ist deshalb zu kurz gedacht, wenn heute vor allem der Verfall der Zinsen als Anstoß für eine Neuausrichtung des Firmenkundengeschäfts gesehen wird. Natürlich braucht es manchmal einen Impuls von außen, um wirkliche Innovation in Gang zu setzen. Und kaum jemand zweifelt daran, dass der Niedrigzins das Firmenkundengeschäft der Banken nachhaltig verändert. Doch es gibt noch eine Reihe anderer Entwicklungen, die ebenso einschneidende Folgen haben werden. Was ändert sich über den Zins hinaus bei den großen wirtschaftlichen Rahmendaten – Stichwort Globalisierung? Wie wirkt die Digitalisierung auf die Zusammenarbeit mit den Kunden? Welche Rolle spielen neue Wettbewerber?All diese Entwicklungen fördern in den Banken ein neues Denken – und sie führen zu neuen Wünschen und neuem Bedarf bei den Kunden, was letztlich jeder Veränderung die Richtung vorgibt. Schon jetzt sind drei Punkte erkennbar, über die sich Banken bei ihrer Weiterentwicklung Gedanken machen sollten:Erstens: Die Kreditkosten stehen nicht mehr im Zentrum. Wäre es so, hätte die Politik des billigen Geldes der Europäischen Zentralbank zu deutlich höheren Investitionen bei den Unternehmen geführt. Zwar wird der klassische Kredit langfristig ein Ankerprodukt für die Kundenbeziehung bleiben. Wichtiger für die Kunden und damit für die Bank wird künftig sein, dass wirklich alle Finanzthemen des Unternehmens auf einer Plattform bearbeitet und voran-gebracht werden können.Zweitens: Finanzierungen werden komplexer. Auch kleinere Mittelständler haben ihre Finanzabteilungen professionalisiert und erwarten eine entsprechend hochwertige Betreuung. Viele nutzen die derzeitige Phase, machen ihre Hausaufgaben und stellen sich nachhaltiger auf, etwa durch eine strukturierte Finanzierung, bei der sie alle Banken an einen Tisch bringen. Da ist Fachwissen gefragt, bei dem einzelne Banken sich durchaus einen Wettbewerbsvorteil schaffen können.Drittens: Die Firmen optimieren ihre Aufstellung. Liquiditäts- und Risikomanagement spielen eine immer größere Rolle, die Handelsfinanzierung gewinnt an Bedeutung. Banken begleiten ihre Unternehmen in neue Märkte, vermitteln öffentliche Fördermittel, helfen bei der Altersversorgung der Mitarbeiter oder bei der Übernahme anderer Unternehmen. Diese Bandbreite an Beratungsthemen wird sich im Firmenkundengeschäft weiter ausweiten – und die Bank wird zunehmend daran gemessen, ob sie das Geschäftsmodell ihrer Kunden in der Tiefe durchdringt und entsprechend als vollwertiger Strategiepartner agieren kann.Wie eine Bank mit diesen veränderten Rahmenbedingungen umgeht, hängt vom eigenen Schwerpunkt wie auch von der Art ihrer Kunden ab. Wir als Deutsche Bank wollen als “Globale Hausbank” von unseren bisherigen Stärken profitieren und diese auf neue Produktbereiche und neue Kundensegmente ausweiten. Ein Beispiel: Heute bieten wir Kontoführung, Cash- und Währungsmanagement allein in 40 Ländern an. Gerade für Start-ups, die oft von Anfang an in mehreren Ländern aktiv sind, ist das ein wichtiges Argument – ebenso wie unsere Kapitalmarktnähe, dank der wir Zugang zu Gründerfonds, internationalen Investoren oder Kapitalmarktexperten bieten können. Schon jetzt zählen in Deutschland mehr als 4 000 Start-ups zu unseren Klienten. Unser Ziel ist es, bis 2020 bundesweit einen Marktanteil von 50 % bei der Finanzberatung von Gründern zu erreichen.Als etablierte Unternehmerbank mit internationalem Netzwerk spielen wir für große Familienunternehmen und Weltmarktführer traditionell eine wichtige Rolle, mehr als 90 % von ihnen sind unsere Kunden. Dieses Fachwissen und Können wollen wir in Zukunft verstärkt auch den kleineren Mittelständlern zur Verfügung stellen, die in Deutschland häufig sehr international ausgerichtet sind. In diesem Kundensegment wachsen wir derzeit stark. Passgenauere LösungenDabei hilft uns ein Trend, der uns zurzeit ebenso sehr umtreibt wie fast alle unsere Kunden: die Digitalisierung. Nicht nur für die Deutsche Bank, sondern für alle Banken bietet sie in zwei unterschiedlichen Bereichen Chancen: Erstens hilft sie uns, interne Abläufe so zu verschlanken, dass unsere Experten und Firmenkundenbetreuer mehr Zeit für ihre Kunden haben. Zweitens ermöglicht sie uns, die Produkte künftig noch genauer auf den Bedarf der unter-schiedlichen Kundengruppen hin zuzuschneiden und damit noch passgenauere Lösungen anzubieten.Die neue Technik verändert das Geschäft mit Firmenkunden rasch. Sie führt zu schnelleren Entscheidungen und erleichtert es uns, die Verantwortung innerhalb der Bank klar zu delegieren. Darüber hinaus können wir digital die Experten in unserem Netzwerk deutlich besser zusammenkoppeln. Wir haben heute spezialisierte Teams für Branchen wie Automotive, Umwelttechnik, Krankenhäuser oder Life Sciences, außerdem Kollegen, die sich mit den Herausforderungen von Start-ups beschäftigen oder Fördermittel beschaffen. Jeder Kundenberater ist heute in der Lage, diese Teams mit wenigen Klicks in die eigene Betreuung des Kunden einzubinden. Der Berater wird durch die Digitalisierung nicht ersetzt, sondern gestärkt. Deshalb investiert die Deutsche Bank im Privat- und Firmenkundengeschäft innerhalb von drei Jahren nicht nur 750 Mill. Euro in die Digitalisierung, sondern schafft gleichzeitig neue Stellen für Firmenkundenbetreuer in ganz Deutschland.Aber auch auf der Produktseite verändert die Digitalisierung das Bankengeschäft. Gemeinsam mit sechs anderen europäischen Banken arbeiten wir daran, die Blockchain-Technologie, die auch hinter der Kryptowährung Bitcoin steht, für europäische Firmenkunden nutzbar zu machen. In unserer “Digital Trade Chain” wollen wir die Vorteile der neuen offenen Technologie – Schnelligkeit und Kosteneffizienz – mit den Vorteilen eines geschlossenen Systems der beteiligten Banken – Sicherheit und einfache Zusatzleistungen wie Zwischenfinanzierungen für Handelstransaktionen – miteinander verbinden. Dies ist ein Beispiel dafür, wie Banken Internettechnologien aufgreifen. Ein anderes ist Paydirekt, das Online-Bezahlverfahren der deutschen Banken und Sparkassen. Bereits wichtige PartnerProjekte wie diese haben eine weitere Gemeinsamkeit, die für Banken in der Zukunft immer wichtiger werden wird: Sie beruhen auf Kooperationen. Vom Konkurrenzverhältnis zwischen traditionellen Banken und aufstrebenden Fintechs kann deshalb kaum die Rede sein. Diese jungen Technologieunternehmen in der Finanzbranche helfen den Banken, Innovationen schneller an den Markt zu bringen und damit die Beziehung der Bank zum Kunden zu stärken. Deshalb sind sie schon heute wichtige Partner in der Digitalisierung der Branche.Für eine ganze Reihe von neuen Produkten und Dienstleistungen suchen wir deshalb die Kooperation mit den Fintechs. In der Berliner “Factory”, bringen wir auch unsere mittelständischen Kunden mit den jungen Gründern zusammen, damit etablierte und junge Unternehmen voneinander lernen können. In unseren drei Innovation Labs in London, San Francisco und Berlin suchen wir nach neuen Ideen und Ideengebern. Und in der Digitalfabrik der Deutschen Bank in Frankfurt arbeiten heute schon mehr als 400 Softwareentwickler, IT-Spezialisten sowie Bankexperten gemeinsam an neuen digitalen Produkten und Dienstleistungen für die Kunden der Bank. Zudem haben wir dort auch 50 Arbeitsplätze für Mitarbeiter von Fintechs, mit denen wir zusammenarbeiten.Digitalisierung und Globalisierung werden sich auch in Zukunft gegenseitig verstärken – allen Rufen und Tendenzen zur wirtschaftlichen Abschottung zum Trotz, denn eine vernetztere Welt schafft auch in Zukunft größeren Wohlstand für alle. Unsere Initiativen sind deshalb ein klares Bekenntnis: So wie die internationale Ausrichtung längst Teil unserer DNA geworden ist, wollen wir auch angesichts des technischen Fortschritts aktiv Impulse setzen. Jetzt schaffen wir die Voraussetzungen dafür, in einer Welt des noch intensiveren Austausches von Waren und Ideen neue Wege für unsere Kunden zu ebnen.—Stefan Bender, Leiter Firmenkunden Deutschland der Deutschen Bank