KOMMENTAR

Nur ein Fisch unter Haien

Superlative verkaufen sich immer gut. Das gilt natürlich auch für US-Ermittlungsbehörden. Dass nun mit Liberty Reserve ein Geldwäschenetzwerk hochgenommen werden konnte, über das seit der Gründung 2006 wohl mehr als 6 Mrd. Dollar gewaschen wurden,...

Nur ein Fisch unter Haien

Superlative verkaufen sich immer gut. Das gilt natürlich auch für US-Ermittlungsbehörden. Dass nun mit Liberty Reserve ein Geldwäschenetzwerk hochgenommen werden konnte, über das seit der Gründung 2006 wohl mehr als 6 Mrd. Dollar gewaschen wurden, ist natürlich erfreulich. Dass es sich dabei um einen “Finanzknotenpunkt der Cyberkriminalität” handelte, darf allerdings bezweifelt werden. 55 Millionen Transaktionen und gut 1 Mrd. Dollar Transaktionsvolumen pro Jahr verblassen im Vergleich zum geschätzten Jahresumsatz des organisierten Verbrechens. Allein die italienische Mafia soll auf 90 Mrd. Euro kommen. Bei dieser sowie zahlreichen anderen Verbrecher- und Terrororganisationen dürfte der Geldwäschebedarf um ein Vielfaches über dem Volumen liegen, das Liberty Reserve abwickeln konnte.Tatsächlich haben bei dem anonymen Zahlungsabwickler wohl vor allem die kleineren Fische im großen Meer des Verbrechens die Gelegenheit zur Überführung ihres schmutzigen Geldes in den geregelten Zahlungskreislauf genutzt. Nun sind deren Verbrechen natürlich oft nicht weniger verabscheuungswürdig und es ist positiv, dass etwa für Drogenhandel, Kinderpornografie und andere schwere Straftaten ein Zahlungskanal weniger offen steht. Doch die Beschaffenheit des Falls zeigt auch, wie leicht die strengen Vorgaben aus den USA und anderen regulierten Märkten im globalen Finanzgeschäft mit all seinen unregulierten Märkten umgangen werden können.Über Jahre hat Liberty Reserve weltweit Zahlungen abgewickelt, ohne überhaupt die nötige Lizenz zu besitzen. Die Aufsicht im Firmensitz Costa Rica hatte diese 2011 offenbar verweigert. Gegründet wurde das Unternehmen zudem von zwei Finanzkriminellen, die erst Monate zuvor in den USA zu fünf Jahren auf Bewährung verurteilt worden waren – wegen des Betriebs eines Zahlungsabwicklers ohne Lizenz. Der Verurteilung folgte ein Umzug nach Costa Rica, dann hieß es: Neues Spiel, neues Glück.Liberty Reserve gelang es auch ohne positiven Leumund, sich bestens in den weltweiten Zahlungsverkehr zu integrieren. An digitalen Wechselstuben in Ländern mit schwacher Aufsicht konnte Geld eingezahlt und wieder abgeholt werden – anonym, etwa in Form einer global gültigen Debitkarte. Da das für Liberty Reserve so einfach ging, dürfte es sicherlich längst zahlreiche Nachahmer geben. Rien ne va plus? Wohl eher nicht. Im Meer voller Haie schwimmt jetzt nur ein Fisch weniger.