OTC-Clearingpflicht für Pensionsfonds kommt
Gastbeitrag
OTC-Clearingpflicht für Investoren kommt
In wenigen Wochen verlieren die europäischen Pensionsfonds ein Privileg, von dem sie lange profitiert haben: Ab Juni fallen betriebliche Altersvorsorgeeinrichtungen nach der EMIR-Verordnung unter die Clearingpflicht für außerbörslich gehandelte Derivate (OTC). Nachdem die bereits zweimal verlängerte Ausnahmeregelung endgültig ausläuft, müssen Pensionsfonds, die über dem relevanten Schwellenwert liegen, zukünftig alle neuen OTC-Transaktionen clearen – typischerweise vor allem Zinsswaps.
Hoher Liquiditätsbedarf
Das stellt Pensionsfonds vor die Herausforderung, die sogenannten Variation-Margin-Risiken, also Nachschusszahlungen für Transaktionen, die über zentrale Gegenparteien, die Central Counterparties (CCP) gecleart werden, bar zu finanzieren. In der Regel verfügen diese Investoren nicht über große Liquiditätspuffer, sondern sind meist vollständig in Aktien und festverzinsliche Anleihen investiert.
In ihrem Bericht an die EU-Kommission hat die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA bereits 2020 angeführt, dass ein Cash-Anteil von 5% des Portfolios die Wertentwicklung um 30 Basispunkte herabsetzen könnte. Aber wenn Pensionsfonds voll investiert bleiben wollen, ohne ein größeres Cash-Polster aufzubauen, benötigen sie in Stresszeiten Zugang zu liquiden Mitteln. Vor allem, wenn sie sogenannte Receiver-Zinsswaps halten, die in Zeiten steigender Zinssätze Nachschusszahlungen in bar erfordern.
Nach Einschätzung der ESMA liegt der Liquiditätsbedarf aller europäischen Pensionsfonds bei einem Zinsanstieg um 100 Basispunkte bei 94,5 Mrd. Euro. Am stärksten betroffen sind die Pensionsfonds in den Niederlanden und in Dänemark, die als die größten Altersvorsorgeeinrichtungen in Europa gelten.
Nicht bloß eine Pflichtübung
Clearing sollte jedoch nicht nur als notwendige Pflichtübung angesehen werden. Es bietet eine Reihe von Vorteilen, etwa beispielsweise eine höhere operative Effizienz, eine größere Auswahl an Gegenparteien mit gutem Rating, ein geringeres Settlement-Risiko sowie eine bessere Trennung der Sicherheiten als bei nicht geclearten OTC-Geschäften.
Im Rahmen der EMIR-Anforderungen gilt die Clearingpflicht für Zinsswaps bestimmter Währungen, wie Euro, Pfund, Yen, US-Dollar, norwegische und schwedische Kronen sowie polnische Zloty, und bei Credit Default Swaps (CDS) auf den Standard- und Crossover-Indizes von iTraxx. Sobald eine Partei über einem jeweils geltenden Schwellenwert liegt, muss sie diese Zinsswaps und CDS clearen. Ist die Schwelle einmal überschritten, entscheiden sich viele Investoren aber dafür, dies mit allen Instrumenten zu tun. Sind die operativen Hürden einmal genommen, wollen sie das Clearing für sich so effizient wie möglich gestalten.
Dazu benötigen Investoren einen Dienstleistungspartner, auch genannt Prime Broker. Wer mehrere Instrumente und Anlageklassen handeln möchte, sollte vor allem darauf achten, dass der Zugang zu möglichst vielen Börsen und Clearing-Häusern gegeben ist. Der eigentliche Clearing-Prozess ist für alle Anlegertypen gleich. Entweder werden sowohl Ausführung als auch Clearing über eine Plattform abgewickelt – beispielsweise eine Swap Execution Facility, Multilateral Trading Facility oder Organised Trading Facility – oder die Ausführung wird außerhalb einer Plattform getätigt und das Clearing anschließend elektronisch bestätigt.
Auf diese Weise ist Clearing effizient und reduziert eine Reihe von Risiken bilateraler OTC-Geschäfte. Investoren profitieren außerdem von dem einheitlichen Marktwert, den die zentrale Gegenpartei ermittelt. Benötigt ein Pensionsfonds beispielsweise im Rahmen der Clearingpflicht mit einer Zinsswap-Portfolio-Sensitivität (DV01) in Höhe von 10 Mill. Euro Zugang zu Liquidität, die für Nachschusszahlungen eingesetzt werden kann, führt ein Anstieg der Zinssätze um 50 Basispunkte zu einem Cash-Bedarf von 500 Mill. Euro, wenn keine liquiden Positionen aufgelöst werden sollen. Soll die Cash-Reserve aufrechterhalten werden, muss der Pensionsfonds mit einer entsprechenden Performanceverschlechterung rechnen.
Schneller Zugang zu Liquidität
In dieser Situation kann das Repo-Clearing einen schnellen Zugang zu Liquidität über die im Portfolio gehaltenen Staatsanleihen bieten. Am Repo-Markt stehen mehr als 100 Marktteilnehmer als Transaktionspartner zur taggleichen Lieferung von Cash zur Verfügung, so dass sich Pensionsfonds nicht mehr auf eine Handvoll von Geschäftsbeziehungen am OTC-Markt verlassen müssen.
Margin-Vorteile locken
Oder nehmen wir einen Hedgefonds, der eine Fixed Income Relative Value-Strategie verfolgt, also mit Anleihen, Futures, Zinsswaps und Repos seine Rendite maximieren möchte. Er kann Margin-Vorteile erzielen – und zwar um bis zu 40%, wenn er den Cross-Margin-Zugang der Clearinghäuser für Futures und Zinsswaps an der CME oder Eurex nutzt.
Nach den jüngsten Auswertungen der International Swaps and Derivatives Association ISDA werden 75-80% aller Zinsswaps weltweit gecleart. In der EU sind die Erfahrungen ähnlich, wie die Daten von swapsinfor.org widerspiegeln. Dahinter steht entweder die Clearing-Pflicht oder aber der Wunsch von den genannten Vorteilen zu profitieren.
Seit der Einführung der letzten Phase der Uncleared Margin Rules (UMR) im vergangenen Jahr hat das Interesse am Clearing weiterer Finanzprodukte zugenommen, beispielsweise bei Non-Deliverable FX Forwards. Anleger haben erkannt, dass sie damit ihre Margin-Effizienz verbessern können. Dieser Trend könnte sich schon bald auf zusätzliche Instrumente wie Devisenoptionen erstrecken.
Unklarer Zeitplan
Aktuell wird im OTC-Bereich das Zinsswap-Clearing für Euro und polnische Zloty diskutiert. Nach den als Emir 3.0 bekannten Änderungsvorschlägen der Europäischen Kommission benötigen EU-Firmen, die der Clearingpflicht unterliegen, hierfür ein aktives Konto bei einer zentralen Gegenpartei in der EU. Nach derzeitigem Stand wird die ESMA technische Standards dafür ausarbeiten und definieren, was ein aktives Konto bedeutet. Der Zeitplan ist jedoch noch nicht klar, zumal mehrere Verbände den Vorschlag als schädlich für die EU-Kapitalmärkte kritisieren.