Payment for Orderflow ist marktneutral
Von Björn Godenrath, Frankfurt
Der Streit über das von der EU-Kommission vorgeschlagene Verbot von Payment for Orderflow (PFOF) konnte nicht vor der Sommerpause beigelegt werden, so dass es ab September eine neue Verhandlungsrunde geben dürfte. Grob gesagt stehen sich dabei Frankreich und Deutschland als Opponenten gegenüber, wobei sich laut Bundesfinanzministerium (BMF) auch die BaFin gegen ein pauschales Verbot der Rückvergütungen ausgesprochen hat. Auch die Verbraucherschützer rund um die Organisation Finanzwende haben sich lautstark gegen ein Verbot positioniert, da sie dann eine Verteuerung der Ordergebühren für Retail-Investoren befürchten. Die Kritiker des PFOF wenden hingegen ein, dass mit dem Routen von Handelspaketen an Marketmaker dem Referenzmarkt (in dem Fall Xetra) Liquidität entzogen würde, mit negativen Folgen für die Preisqualität bei der Orderausführung – und geteilte Liquidität will man eigentlich vermeiden.
Datenbasierte Aufklärung
Die Befürworter des PFOF wenden ein, dass Marketmaker aus dem zur Verfügung stehenden Orderflow nachweislich bessere Geld-Brief-Kurse stellen können , da bei der Preisfindung keine sogenannten „adverse selection costs“ entstünden und man so gewisse „economies of scale“ ausspielen könne. Um hier für eine datenbasierte Aufklärung zu sorgen, hat der Neobroker Trade Republic ein Team von Sachverständigen um die Professoren Ralf Elsas, Lutz Johanning und Erik Theissen beauftragt, eine Studie mit dem Titel „The Impact of Payment For Order Flow on Market Liquidity“ anzufertigen.
In dieser Studie haben die Experten eine Art „Feldexperiment“ unternommen, indem man PFOF-Orders (zufälliges Sample) des Neobrokers beim Routing auf Xetra abwechselnd an- und abstellte und so einen „exogenen Schock“ auslöst, der als Differenzmodell (ablesbar aus den Tickdaten) dann eine kausale Ableitung zu den Auswirkungen des PFOF auf die Marktqualität erlauben soll. Ausgewählt wurden Aktien, bei denen Trade Republic einen hohen Marktanteil im täglichen Handelsvolumen hat. Das On-off-Routing Modell wurde immer für eine Kohorte von zehn Aktien ausgeführt, was den Angaben zufolge Millionen zusätzliche Wertpapiere in den Xetra-Handel brachte. Die Kontrollgruppe bestand dann aus zwölf ähnlichen Aktien, was den Studienautoren zufolge einen Vergleich der Kontrollgruppen (die jeweils umgedreht wurden) in Bezug auf die Marktqualität für die Zeiträume vor, während und nach der Handelsausführung erlaubt.
Methode des On-off-Routing
Das Ergebnis: Alle untersuchten Maßnahmen zur Marktqualität (Liquidität und Preisfindung) hätten keine statistisch signifikante Veränderung im Vergleich zur Kontrollgruppe gezeigt. Und trotz zusätzlicher Retail-Orders sei der Handel auf Xetra nicht liquider und auch nicht informationseffizienter gewesen. Die Experten ziehen deshalb das Fazit, dass selbst der Abzug eines größeren Volumens von Retail-Orders keinen Einfluss auf die Marktqualität habe. Das mündet in die Empfehlung, das beste regulatorische Instrument eines fairen Aktienhandels in der EU sei die Schaffung von Vorhandels-Preistransparenz, und das jederzeit analog zum sogenannten NBBO (National Best Bid and Offer Price) in den USA. Wobei der Aktienhandel in den USA von SEC-Chef Gary Gensler dahingehend reformiert werden soll, dass Auktionen wie im Optionshandel veranstaltet werden, um die latenten Interessenkonflikte des PFOF zu eliminieren. Eine Auswirkungsstudie zum Auktionsmodell gibt es noch nicht.
Keine Missverständnisse
Trade-Republic-Gründer Christian Hecker erklärte der Börsen-Zeitung, man räume anhand der Studienergebnisse mit dem Missverständnis auf, dass Marketmaker zwar gut für Retail-Anleger seien, diese Handelsplattformen aber das Ziel der Marktintegrität beschädigten.
„Best Execution“-Orders von Privatinvestoren würden auf Xetra sofort ausgeführt – egal zu welchem Preis, nur Limit Orders gingen in die Vorhandelspreisfindung. „Auf Xetra gibt es Liquiditätspools, deren Retail-Orders sind quasi ein ,free lunch‘ für Hedgefonds. Und während die Hedgefonds für den Handel auf Xetra gar keine Gebühren zahlen, werden private Investoren und Kleinanleger mit Ordergebühren von 5 Euro pro Trade zur Kasse gebeten und finanzieren so die Infrastrukturkosten der Deutschen Börse“, erklärt Hecker.
Mit Blick auf die im Rahmen der Mifir-Review laufende PFOF-Diskussion sagt er, die Studie leiste zunächst einen wichtigen Beitrag zur fachlichen Diskussion in den Gremien. Darüber hinaus zeigten die Ergebnisse auch, dass der günstigere Marktzugang für Retail-Investoren keinen Zielkonflikt zur Marktintegrität darstellt.
Die Einnahmen aus den Rückvergütungen nutzen Neobroker, um Ordergebühren immer weiter zu senken, bis hin zum Gratisbrokerage. Trade Republic veranschlagt lediglich eine Fremdkostenpauschale von 1 Euro. Das Smartphone-Brokerage zu niedrigen Gebühren brachte Millionen deutsche Anleger dazu, erstmals für die Altersvorsorge in Wertpapiere zu investieren. Neben dem Handel von Einzelaktien sind insbesondere Aktiensparpläne attraktiv, mit denen auch schon bei kleinen Beträgen ein Sockel zur Altersvorsorge aufgebaut werden kann.
Fragmentierter Markt
Die Schaffung von Preistransparenz ist auch ein zentrales Thema im Vorschlag der EU-Kommission zur Modernisierung des Aktienhandels über die Schaffung eines sogenannten Consolidated Tape. Das wäre ein gemeinsamer Datenticker, der die effiziente Preisbildung stärken soll. Damit würden Handelsaufträge nicht mehr an systematische Internalisierung betreibende oder OTC ausführende Marketmaker weitergeleitet, sondern an „transparente geregelte Märkte“. Dabei hatte Mifid II zuvor dafür gesorgt, dass sich der Wertpapierhandel für immer mehr Handelsplätze öffnete, also für alternative Plattformen wie systematische Internalisierer wie Goldman Sachs, die auf eigene Rechnung handeln, sowie multilaterale Systeme (siehe Grafik). Das hat den Überblick über Kurse und Volumina verschlechtert: In Europa gibt es rund 250 systematische Internalisierer und mehr als 500 alternative Handelsplätze – deutlich mehr als in den USA. Der gemeinsame Datenticker soll Kleinanlegern zur Verfügung stehen, was zur „Demokratisierung des Handels in der EU beitragen“ soll, so die Hoffnung der EU-Kommission für das Consolidated Tape. Allerdings bemängelte zum Beispiel die CBOE Europe, dass in einer ersten Stufe des Entwurfs für den gemeinsamen Datenticker gar keine Vorhandelsdaten einbezogen würden.
Keine Willkür möglich
Die Rolle der Marketmaker könnte sich mit Einführung eines EU-weit harmonisierten Datentickers also verändern. Die Experten in der Studie weisen darauf hin, dass die Marketmaker nicht willkürlich Spreads ausweiten und daran verdienen können, da das Stellen von Geld- und Briefkursen an den Referenzmarkt gebunden sei. Damit wird dem Retail-Kunden eine Ausführung zum besten Preis garantiert – was als „Best Execution“ in der Mifid reguliert ist.
Auf Xetra fließen Retail- und institutionelle Orders gepoolt zusammen. Ein reiner Retail-Orderflow ist für Marketmaker aber besser zu füllen, da das Zustandekommen des Trades wahrscheinlicher ist – was dem Marketmaker wiederum bessere Spreads erlaubt und Raum verschafft, dem Broker eine Gebühr für die Vermittlung des Orderflows zu zahlen. Der Broker könne dann einen Teil dieser Gebühr dem Kunden in Form niedrigerer Ordergebühren zukommen lassen. Diese Konstellation mit Separierung des Retail-Orderflows erlaube eine „Preisdifferenzierung“, so die Autoren der Studie.