IM BLICKFELD

Preisanstieg gibt Munich Re Rückenwind

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 5.12.2020 Wenn ein börsennotierter Marktführer seine Finanzziele auf mittlere Sicht veröffentlicht, hat das nicht nur Signalwirkung für die Aktionäre und den Kapitalmarkt, sondern auch für die jeweilige...

Preisanstieg gibt Munich Re Rückenwind

Von Stefan Kroneck, MünchenWenn ein börsennotierter Marktführer seine Finanzziele auf mittlere Sicht veröffentlicht, hat das nicht nur Signalwirkung für die Aktionäre und den Kapitalmarkt, sondern auch für die jeweilige Branche. Übertragen auf die Munich Re bedeutet diese Binsenweisheit, dass die Botschaften, die der größte Rückversicherer der Welt auf seiner Präsentation vor Investoren am Dienstag, 8. Dezember, senden wird, auf die gesamte Assekuranz ausstrahlen werden, inklusive der Erstversicherer.Für den seit 2017 amtierenden Vorstandschef Joachim Wenning ist es zugleich eine Prüfung der besonderen Art, gibt er doch die Richtung für die Zeit über seinen in zwei Jahren auslaufenden Vertrag hinaus. Er könnte sich auf diese Weise beim Aufsichtsrat für eine Verlängerung empfehlen, sofern er dies selbst im Visier hat.Die Zwischenbilanz des CEO fällt durchwachsen aus. Wenning startete mit einem Gewinneinbruch nach einer Serie verheerender tropischer Wirbelstürme im Südosten der USA, konnte zwischenzeitlich die Ertragslage stabilisieren, um im laufenden Jahr abermals mit einer verhagelten Erfolgsrechnung konfrontiert zu werden. Diesmal muss der Branchenprimus allerdings nicht Naturkatastrophen in überdurchschnittlich hohem Maße Tribut zollen, sondern der Coronakrise. Die Folgen der Pandemie sorgen erneut für eine deutlich schrumpfende Profitabilität. Wie der Konzern dieser Tage mitteilte, rechnet er für 2020 mit einem Rückgang des Überschusses um 1,5 Mrd. auf rund 1,2 Mrd. Euro. Nachdem Wenning diesen Zwölf-Monats-Berichtsturnus also längst abgeschrieben hat, richtet sich seine ganze Hoffnung darauf, dass die Munich Re auf mittlere Sicht ihre Ertragskraft sukzessive deutlich steigern kann. Treibender Faktor ist die seit Anfang 2020 einsetzende zyklische Wende bei den Preisen für Rückversicherungsdeckungen, die die Anbieter in einem wettbewerbsintensiven Segment schon lang ersehnt hatten. Nach einer jahrelangen Flaute ziehen die Raten auf breiter Front an. Zinstief drückt weiterhinFür das kommende Jahr kalkuliert Finanzvorstand Christoph Jurecka mit einem Nettoergebnis von rund 2,8 Mrd. Euro – vorausgesetzt, die Seuche bekommt man mit den angekündigten Impfstoffen in den Griff und die Belastungen durch Naturkatastrophen liegen auf einem überschaubaren Niveau.Dämpfend wirkt aber nach wie vor das Zinstief. Auf dieser Ebene zeichnet sich auch in den kommenden Jahren keine Wende zum Besseren ab aufgrund der ungebremsten ultraexpansiven Geldpolitik der Notenbanken. Das drückt tendenziell die Renditen bei Neuanlagen der Versicherer im Allgemeinen. Für die Munich Re, die mit ihrer Tochter Meag als bedeutender institutioneller Anleger ein großes Rad dreht, führt das im Besonderen zu einer Erosion der Kapitalanlagerendite. Lag diese vor zehn Jahren noch bei 4,5 %, so rutscht sie der Erwartung der Konzernführung nach 2020 auf 3 % – in der derzeitigen Lage immerhin ein beachtlicher Wert.Während Wenning und seine Mannschaft weiterhin gegen die Widrigkeiten am Kapitalmarkt rudern, wächst der Druck auf den Branchenprimus, im Kerngeschäft Rück- und Erstversicherung (Ergo) operativ kreativer zu agieren, um lukrative Bestandskunden bei der Stange zu halten und neue Versicherungsnehmer zu gewinnen (Underwriting). Auf diesem Gebiet weist der CEO Fortschritte auf, abzulesen an wachsenden Beitragseinnahmen. Die Stichwörter bei dieser Strategie lauten Digitalisierung und neue Produkte wie unter anderem die immer wichtiger werdende Deckung gegen Cyberrisiken. Letzteres ist ein Segment, welches hohe Wachstumsraten aufweist. Die Munich Re setzt alle Hebel in Bewegung, um von diesem Kuchen ein großes Stück abzubekommen. Als Nummer 1 unter den Rückversicherern hat sie gute Chancen, dabei ganz vorne mitzuspielen.Ob dieser Weg aber ausreicht, tendenziell schrumpfende Erträge aus Kapitalanlagen mehr als zu kompensieren, ist eine offene Frage. Für Wenning steht fest, dass das der richtige Ansatz ist, obgleich er zuletzt einräumen musste, dass es aufgrund des anhaltenden Zinstiefs nach wie vor schwierig sein wird, dauerhaft Konzerngewinne deutlich über der Schwelle von 3 Mrd. Euro zu erwirtschaften. Das hatte die Munich Re zuletzt vor fünf Jahren erreicht. Analysten trauen ihr aber zu, dass sie dies 2022 mit einem von ihnen im Schnitt erwarteten Überschuss von 3,2 Mrd. Euro schaffen könnte. Hohe Ausschüttungen Sollte das Unternehmen Kurs auf dieses Niveau nehmen, steht den Aktionären womöglich eine gute Erntezeit bevor. Auf diesem Feld besteht für sie ohnehin kein Grund zur Klage. Aufgrund eines überschüssigen Kapitals in Milliardenhöhe gehört der Konzern zur Gruppe der spendablen Adressen.Für 2019 schüttete die Munich Re 1,4 Mrd. Euro aus. Das war mehr als die Hälfte des erzielten Nettogewinns. Für die Anteilseigner entsprach das einer Dividendenrendite von 3,7 % – in Zeiten wie diesen ein passabler Wert.