EU-Staaten stellen sich gegen Provisionsverbot
Immer mehr EU-Staaten gegen Provisionsverbot
Gemeinsamer Brief erhöht Druck auf EU-Kommission
rec Brüssel
Die EU-Kommission gerät zunehmend unter Druck, von einem flächendeckenden Provisionsverbot in der Anlageberatung abzusehen. Immer mehr Mitgliedstaaten lehnen dies ab. „Wir würden ein Verbot von Provisionen und Gebühren, das bestehende Vertriebsstrukturen für Angebote an Sparer ins Wanken zu bringen droht, nicht unterstützen“, schreiben führende Vertreter von neun Regierungen in einem gemeinsamen Brief an die EU-Kommission. Er liegt der Börsen-Zeitung vor.
In der Finanzindustrie löst diese Entwicklung überwiegend Erleichterung aus. Seit Monaten macht sich EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness für ein Provisionsverbot stark, um den Verbraucherschutz zu stärken. Viele Banken, Sparkassen, Versicherer und Fondshäuser fürchten um ihre Geschäftsmodelle. Sie argumentieren, dass bei einem Komplettverbot von Provisionen eine erhebliche Beratungslücke entstünde.
In ihrer konzertierten Aktion machen sich die neun EU-Staaten dieses Argument zu eigen. Dazu zählen Deutschland, Italien und Frankreich, das den Brief dem Vernehmen nach lanciert hat. Sie regen eine Debatte über Alternativen zur „radikalsten Option eines Verbots“ an. Branchenvertreter sind zuversichtlich, dass ein Komplettverbot damit vom Tisch ist. Ein Sprecher der EU-Kommission lehnte eine Stellungnahme ab und verwies auf laufende Abstimmungsprozesse.
Angesichts des politischen Widerstands spekulieren Kritiker auf ein Machtwort von EU-Kommissionchefin Ursula von der Leyen. Dafür spricht, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner mit seinem Protest nicht allein ist. Von der Leyen, so das Kalkül, wolle keinen offenen Konflikt mit der Bundesregierung riskieren – erst recht nicht, sofern sie nach den Europawahlen in einem Jahr eine zweite Amtszeit anstrebt. Parteifreunde von der Leyens aus der Union lehnen ein Provisionsverbot ab. Auch externe Fachleute, etwa vom Centrum für Europäische Politik (CEP), halten es für falsch. „Der Druck nimmt deutlich zu“, räumen selbst Befürworter eines Provisionsverbots ein.
Andererseits spricht manches dagegen, dass von der Leyen darauf dringen könnte, den Vorschlag stark abzuschwächen. Es droht zum einen ein Gesichtsverlust: EU-Finanzmarktkommissarin McGuinness wagte sich weit vor, indem sie wiederholt öffentlich auf ein Provisionsverbot pochte. Die Behörde dürfte deshalb kaum umhinkommen, ein starkes Signal zum Verbraucherschutz zu setzen. Außerdem geben Befürworter aus EU-Parlament und Verbraucherschutzverbänden nicht klein bei. Deshalb zeichnen sich schwierige Verhandlungen ab.
Die finale Abstimmung in der EU-Kommission läuft: Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness (li.) und Kommissionschefin Ursula von der Leyen, hier bei einem gemeinsamen Auftritt in Straßburg im Oktober 2022