Regulierung im Retail-Banking
Regulierung im Retail-Banking
xxxxxxxx
„Das Privatkundengeschäft würde deutlich komplexer“
Nachhaltigkeit und Digitalisierung dominieren die Regulierungsagenda – Europäische Genossenschaftsbanken und DSGV plädieren für Augenmaß
wbr Frankfurt
Mit der Rolle des EU-Gesetzgebers im Hinblick auf die Ausgestaltung des Retail Bankings sowie mit der Frage der Vereinbarkeit von Regulierung und Transformation im Feld der Nachhaltigkeit haben sich Nina Schindler, Hauptgeschäftsführerin des europäischen Dachverbands der Genossenschaftsbanken, sowie Karolin Schriever, Vorstandsmitglied des DSGV, auf dem Retail-Bankentag auseinandergesetzt. Für die Vertreterin der Genossenschaftsbanken in Brüssel sind es insbesondere drei regulatorische Vorhaben, die einen erheblichen Einfluss auf die Bankenwelt haben werden.
Drei große Pakete
Höchste Aufmerksamkeit genießt für Schindler die Retail Investment Strategy (RIS), deren Entwurf von der EU-Kommission Ende Mai vorgelegt werden soll. Grundsätzlich soll es bei diesem Paket um eine stärkere Teilhabe der Kleinanleger an den Kapitalmärkten gehen. Dass die RIS aus Sicht von Schindler „immer noch ein ganz heißes Thema ist“, liegt an den Plänen für ein Provisionsverbot, die erst kürzlich von der EU-Kommissarin Mairead McGuinness vom Tisch genommen wurden.
Aber auch nach dem Rückzieher beim Provisionsverbot ist die Kleinanlegerstrategie aus Sicht der Verbandsgeschäftsführerin in vielen Punkten noch unklar. Wichtig wäre, dass im Zuge dieses Pakets bestehende Transparenzvorschriften beispielsweise im Rahmen von Mifid II und der Priips-Verordnung harmonisiert würden. Schindler weist allerdings darauf hin, dass für eine Umsetzung der Kleinanlegerstrategie nur noch wenig Zeit bleibt angesichts der Europawahlen 2024.
Das zweite große Regulierungspaket ist die Open-Finance-Strategie der EU-Kommission. Kritisch ist aus der Sicht von Schindler, dass im Rahmen dieses Vorhabens Daten, die unter anderem bei Kreditinstituten erfasst und erhoben werden, von anderen Dienstleistern genutzt werden sollen. Derartige Daten würden Firmen zur Verfügung gestellt, die wiederum beispielsweise im Bereich von Hypotheken den Kunden maßgeschneiderte Angebote machen könnten.
„Das ganze Privatkundengeschäft würde dann deutlich komplexer werden“, sagte Schindler. Mit Umsetzung der EU-Pläne würden Daten dann aus der Sphäre der Kreditinstitute an Dritte weitergereicht werden, und damit stelle sich die Frage der Verantwortung und Haftung ganz neu. Aus Kundensicht wiederum könnte Open Finance dazu führen, dass Verbraucher den Überblick verlieren und nicht mehr wissen, wann sie wo einer Datenweitergabe zugestimmt haben. Wichtig sei in jedem Fall, dass der Datenschutz im Rahmen von Open Finance vereinheitlicht wird, sagte Schindler.
Das dritte Paket betrifft die digitalen Identitäten. Ziel dieser geplanten Verordnung sei es, dass digitale Wallets, die bei Smartphone im Einsatz sind, mit wesentlich mehr Daten ausgestattet werden. Die Identifizierung über Wallets im Bankgeschäft berge allerdings, so Schindler, für Banken viele Risiken. Bislang hätten Institute im Rahmen der Identifizierung von Kunden die volle Kontrolle über die Daten. Mit dieser Kontrolle könnten die Banken beispielsweise die Transaktionsmuster im Rahmen der Geldwäscheverdachtsfälle gut überprüfen. Das wäre anders, wenn die Daten über Wallets zur Verfügung gestellt werden. Allerdings biete das Thema auch für Banken Chancen, sagt Schindler und verweist auf mögliche Kostensenkungen.
Fokus auf Transformation
Karolin Schriever vom DSGV kritisiert einen zu engen Blickwinkel in der EU-Regulierung beim Thema Nachhaltigkeit. Beispielsweise sei die Green Asset Ratio (GAR) rückwärtsgerichtet und stelle einen wenig effizienten Ausweis der grünen Aktivitäten dar. Im Rahmen der Transformation gehe es aber darum, das Augenmerk auch auf „braune“ Aktivitäten zu legen, um Veränderungen zu bewirken. Schriever stellt zudem heraus, dass das Kürzel ESG zwar schön klingt, aber damit keineswegs eine Reihenfolge von Umwelt-, sozialen und Governance-Themen festgelegt sei. Jetzt müsse man sich stärker um S und G kümmern, und hier sei die Branche zum Teil schneller als die Aufsicht. „Wir brauchen eine Regulierung, die nach vorne gerichtet ist“, sagte Schriever. Sie warnt zudem davor, im Rahmen von ESG die Interessen der Stakeholder außen vor zu lassen. Das Beispiel der Credit Suisse zeige, dass hier das Vertrauen abhandengekommen sei, das nicht durch Regulierung erhalten werden könnte.