S&P-Klage gefährdet McGraw Hill

US-Justizministerium peilt 5 Mrd. Dollar Buße an - Richter lässt Prozess zu

S&P-Klage gefährdet McGraw Hill

Von Sebastian Schmid, New YorkAlle Einsprüche haben nichts geholfen. Die von US-Justizminister Eric Holder angestrengte Klage gegen Standard & Poor’s (S & P) über 5 Mrd. Dollar wird verhandelt. Am Montag entschied US-Bezirksrichter David Carter aus Santa Ana (Kalifornien), dass er die Klage zulassen werde. Für McGraw Hill Financial, die Mutter von S & P, ist diese lebensgefährdend. Die Gesellschaft, die im 2012 operativ gerade einmal 676 Mill. Dollar verdient hat, verfügte Ende Dezember über eine Liquiditätsreserve von knapp 2,7 Mrd. Dollar. Eine Strafe von 5 Mrd. Dollar, wie sie Holder anstrebt, wäre kaum zu stemmen. Zudem droht bei 850 Mill. Dollar Eigenkapital die Überschuldung.Die Zulassung der Klage war Anfang Juli zunächst vorläufig erfolgt. Diese Woche ließ Richter Carter die Klage nun endgültig zu und bezeichnete dabei die Verteidigungsstrategie der Ratingagentur als “verstörend”. Unabhängige Juristen hatten bereits mit einer Zulassung der Klage gerechnet. S & P selbst zeigt sich davon derzeit noch wenig beeindruckt. Einem Sprecher zufolge basierte die Entscheidung zur Klagezulassung nicht auf dem sachlichen Gehalt der Vorwürfe. Der Richter habe alle Anschuldigungen zunächst als gegeben hinnehmen müssen. Ob diese zutreffen, werde im Verfahren geklärt werden können. Die Chance, die Unabhängigkeit der Bewertungen durch S & P vor Gericht zu beweisen, nehme man gerne an. Eindruck von UnabhängigkeitDie US-Regierung wirft dem Bonitätswächter vor, Banken und anderen Kunden in der Finanzkrise Gefälligkeitsratings angefertigt zu haben, während in der Öffentlichkeit der Eindruck unabhängiger Objektivität aufrechterhalten wurde. Damit trage das Unternehmen direkte Verantwortung für die teils enormen Verluste von Investoren, die sich auf die Unabhängigkeit der Bewertungen verlassen hätten.Der Prozess stellt in dieser Form ein Novum dar: Bislang hatten sich Ratingagenturen stets darauf zurückgezogen, dass ihre Analysten nur Meinungen äußern. Diese sind vom US-Verfassungsrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt und könnten damit auch im Falle von groben Fehleinschätzungen nicht juristisch geahndet werden.Damit dürfte nicht nur McGraw Hill zittern, ob sich das US-Justizministerium mit seinen Vorwürfen vor Gericht durchsetzen kann. Im Erfolgsfall dürften Holders Mitarbeiter bereits die Klagen gegen andere Ratingagenturen und Analysten fertig in der Schublade liegen haben.Bislang behaupten die Anwälte von S & P, die Versprechen von Objektivität und Unabhängigkeit, die im Verhaltenskodex der Mitarbeiter und in offiziellen Dokumenten zur Unternehmenspolitik auftauchen, seien typisches Eigenlob und daher ungeeignet für eine Klage. Die Investoren hätten dies kaum “für bare Münze” genommen. Selbst wenn das stimmt, ist es eine äußerst schwache Verteidigung. Um S & P recht zu geben, müsste das Gericht akzeptieren, dass praktisch sämtliche öffentliche Äußerungen von Ratingagenturen zu den eigenen Standards Lügen sein dürfen. Sollten die Juristen die eigentliche Verteidigungsstrategie nicht für den Prozess aufgespart haben, ist es wohl angebracht, dass McGraw Hill die Liquiditätsreserven für den durchaus möglichen Schuldspruch hochfährt.