„Sanktionen brauchen Genehmigungsoptionen“
„Sanktionen brauchen Genehmigungsoptionen“
Noerr-Anwältin gibt auf dem Bankrechtstag Einblicke in den komplexen Umgang mit Wirtschaftssanktionen – USA pragmatischer als EU
lee Frankfurt
Die Verschiebung des 18. Sanktionspakets gegen Russland macht plastisch, wie schwer sich die Europäische Union (EU) mit Embargos tut. Vornehmlich die Slowakei und Ungarn nutzen ihr Vetorecht immer wieder, um sich Ausnahmeregelungen auszubedingen, etwa für den Kauf russischen Gases. Wie Bärbel Sachs, Partnerin der Kanzlei Noerr, am Freitag auf dem Bankrechtstag in Frankfurt darlegte, tut sich der Staatenbund aber auch bei der Umsetzung beschlossener Wirtschaftssanktionen durch erhebliche Inkonsistenzen hervor. Diese Rechtsunsicherheit belastet Unternehmen und ganz besonders Kreditinstitute erheblich, wie die Expertin für Sanktionsrecht hervorhob. „Im Zweifel rate ich daher zu Overcompliance“, ergänzte sie.
Schwieriger Umgang mit Anzahlungen
Insbesondere im Zusammenhang mit ausstehenden Forderungen kann Overcompliance jedoch unangenehme Folgen haben. Zum Beispiel, wenn ein russisches Unternehmen vor dem Inkrafttreten des ersten EU-Sanktionspakets im Februar 2022 im Rahmen eines Auftrags bereits Anzahlungen an ein deutsches Unternehmen geleistet hat. Eine Rücküberweisung an den ehemaligen Auftraggeber ist ausgeschlossen. Erstens würde das Unternehmen damit gegen das in der EU-Verordnung Nr. 269/2014 festgelegte Einfriergebot verstoßen. Und zweitens würde es vermutlich auch keine Bank finden, die zu dieser Sanktionsverletzung bereit wäre. Doch das Unternehmen, das die georderte Leistung nicht erhält, wird normalerweise eher wenig Verständnis dafür aufbringen, dass der Lieferant die von ihm geleistete Anzahlung ebenfalls einfriert.
Umstrittene Hinterlegung
Um sich dem Druck durch den einstigen Vertragspartner zu entziehen, wäre es aus Sicht des deutschen Unternehmens naheliegend, die Anzahlung beim örtlichen Amtsgericht zu hinterlegen. Doch dagegen haben von Sanktionen betroffene Unternehmen vor deutschen Gerichten geklagt – und zum Teil auch Recht bekommen.
Wie widersprüchlich die Rechtssprechung in diesem Zusammenhang ist, zeigte Sachs an drei Urteilen auf. So hatte das OLG Frankfurt im Jahr 2021 befunden, dass eine Hinterlegung rechtens sei, weil das Einfriergebot nur darauf abziele, solche Bewegungen und Transfers zu verhindern, durch die eine Nutzung der Gelder ermöglicht wird (Az.: 7 U 23/18). Zu einer gegenteiligen Entscheidung kam im vergangenen Jahr der Bundesgerichtshof: „Das Unionsrecht […] knüpft […] allein an die Durchbrechung des Einfrierens" (Az.: , IX ZR 19/22).
Noch bevor die Begründung aus Karlsruhe verschriftlicht war, urteilte das OLG Köln wiederum, dass die Zahlung auf eingefrorene Konten, an Treuhänder oder die Hinterlegung keinen Verstoß gegen geltende Sanktionen darstelle (Az.: 19 Sch 26/23).
Granulare Formulierungen
Der Streit dürfte die Gerichte noch eine Weile beschäftigen, was die betroffenen Unternehmen Geld und Nerven kostet. Dies wäre aus Sicht der Anwältin vermeidbar, indem die entsprechenden EU-Verordnungen mit der Option auf Genehmigungen versehen wären. „Tatsächlich werden Ausnahmen dort aber, wenn überhaupt, sehr granular ausgeführt“, bemängelt Sachs. Dies erhöht die Unsicherheiten im Zweifelsfall noch, weil sich die Realität selten an den Formulierungen von Verordnungstexten orientiere. „Sanktionen brauchen Genehmigungsoptionen“, konstatiert sie.
USA gehen pragmatischer vor
Besser machen es aus Sicht der Anwältin die USA, wo es üblich ist, die Sanktionsanordnungen mit einer entsprechenden Klausel zu versehen. Um Schwierigkeiten bei der konkreten Umsetzung des Embargos zu umschiffen, können Banken und Unternehmen dadurch in Einzelfällen einen Antrag bei der Sanktionsbehörde OFAC (Office of Foreign Assets Control) stellen. Die Behörde prüfe das individuelle Anliegen, ohne dass dafür die Gerichte bemüht werden müssten. Dieses pragmatische Vorgehen verhindert aus ihrer Sicht keineswegs, dass die Umsetzung der Wirtschaftssanktionen weniger hart wäre als in der EU.
Diese Praxis sei jedoch vor dem jüngsten Regierungswechsel in den USA teilweise aufgeweicht worden. „Ex-Präsident Biden befürchtete offenbar, dass sein Nachfolger eine größere Nähe zu Russland haben könnte“, sagte sie. Bei manchen Themen sei daher nun eine Bestätigung durch den Kongress erforderlich.