Deutsche-Bank-Chef auf dem Bankengipfel

Sewing relativiert Marktverwerfungen

Christian Sewing hält die Warnungen vor einer US-Finanzkrise für überzogen. Marktturbulenzen seien zum Ende der Sommerpause keine Seltenheit.

Sewing relativiert Marktverwerfungen

Trotz der jüngsten Verwerfungen an den Kapitalmärkten hält Christian Sewing die Warnung vor einer Finanzkrise in den USA für verfrüht. „Die Wirtschaft in den USA ist derzeit stark“, begründete der Chef der Deutschen Bank am Mittwoch seine Einschätzung auf dem „Handelsblatt Bankengipfel“. Am Vortag hatten die Renditen der US-Staatsanleihen deutlich nachgegeben und auch die Aktienmärkte waren unter Druck geraten.

Verstärkt wurde die Nervosität von der Warnung des prominenten US-Investors Ray Dalio vor einer Finanzkrise. Der Hedgefondsmanager äußerte in einem Interview des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, dass der Druck von US-Präsident Trump auf die Notenbank Fed das Vertrauen in das US-Finanzsystem nachhaltig beschädigen könne.

Keine Refinanzierungsengpässe in Europa

Die Einschätzung, dass die jüngsten Marktverwerfungen ein Vorbote der Krise sein könnte, teilt Sewing nicht. Der Terminkontrakt für zehnjährige US-Staatspapiere (T-Note-Future) war am Dienstag um 0,29% auf 112,16 Punkte gefallen. Turbulenzen am Ende der Sommerpause seien keine Seltenheit, relativierte Sewing das Geschehen. „Das ist immer das alte Spiel: Die Marktteilnehmer kehren aus dem Urlaub zurück und die Liquidität ist schwach, da kann es zu erheblichen Ausschlägen kommen.

Die Kapitalmärkte fordern Reformen und die müssen jetzt kommen.

Christian Sewing, CEO, Deutsche Bank

Auch mit Blick auf die europäischen Märkte rechnet Sewing kurz- bis mittelfristig nicht mir Refinanzierungsengpässen. Er gehe davon aus, dass sich die Märkte im Rahmen der Bewegungen der vergangenen Wochen und Monate bewegen werden. „Aber die Kapitalmärkte fordern Reformen und die müssen jetzt kommen“, mahnte der Chef der Deutschen Bank. Große Bedeutung komme in diesem Zusammenhang der Lösung der Regierungskrise in Frankreich zu.

In seiner Eröffnungsrede strich Sewing heraus, dass Amazon, Microsoft, Google und Meta in diesem Jahr für 350 Mrd. Dollar Rechenzentren bauen. „Inklusive Investitionen in angrenzende Bereiche wie
Stromnetze und Stromerzeugung dürfte die Summe bei rund 500 Mrd. Dollar liegen“, ergänzte er.

Wiedererwecktes Investoreninteresse nutzen

Die Volkswirte der Deutschen Bank bezifferten den positiven Effekt auf das BIP-Wachstum auf rund einen halben Prozentpunkt. „Ohne die Investitionen 2025 würde die US-Wirtschaft auf der Basis der aktuellen Prognosen nicht um 1,6% wachsen, sondern nur um 1,1 % – und damit genauso schnell wie die EU“, sagte er. Deutlicher könne man aus Sewings Sicht nicht machen, wie dringend Deutschland und Europa technologisch Anschluss finden müssen.

Der erwartete Konjunktureffekt zeige aber auch auf, wie entscheidend privates Kapital für die volkswirtschaftliche Entwicklung ist, strich Sewing heraus. „Und wann wäre die Zeit dafür besser als jetzt, wo die Investoren den Kontinent wiederentdeckt haben?“, fragte er vor dem Hintergrund der globalen Kapitalumschichtungen der vergangenen Monate.

Aufbruchstimmung nicht verpuffen lassen

In Deutschland habe das aus seiner Sicht „absolut richtige“ Investitionspaket im ersten Halbjahr eine Aufbruchsstimmung bewirkt. „In unserem Firmenkundengeschäft hat das zu einem leichten Anstieg des Kreditportfolios geführt“, sagte er. Damit sich das Momentum nicht verliere, sei es wichtig, dass der angekündigte „Herbst der Reformen“ auch kommt. „Bis Weihnachten müssen mindestens zwei, drei Reformen auf den Weg gebracht werden“, konkretisierte er.