Sewing relativiert Marktverwerfungen
Sewing relativiert Marktverwerfungen
„Der Kapitalmarkt fordert Reformen“
Europa sollte laut Deutsche-Bank-CEO das Momentum nutzen –Derzeit keine Anzeichen für Refinanzierungsengpässe
Trotz der jüngsten Verwerfungen an den Kapitalmärkten hält Christian Sewing die Warnung vor einer Finanzkrise in den USA für verfrüht. „Die Wirtschaft in den USA ist derzeit stark“, unterstrich der Chef der Deutschen Bank am Mittwoch auf dem „Handelsblatt Bankengipfel“. Am Vortag hatte der Einbruch der Renditen der US-Staatsanleihen und unter Druck geratene Aktienmärkte für Nervosität gesorgt. Viele Marktteilnehmer befürchten, dass die Attacken von US-Präsident Trump auf die US-Notenbank Fed das Vertrauen in das Finanzsystem schädigen und eine Finanzkrise auslösen könnte.
Keine Refinanzierungsengpässe in Europa
Die Einschätzung, dass die jüngsten Marktverwerfungen ein Vorbote der Krise sein könnte, teilt Sewing nicht. Turbulenzen am Ende der Sommerpause seien keine Seltenheit, relativierte Sewing das Geschehen: „Das ist immer das alte Spiel: Die Marktteilnehmer kehren aus dem Urlaub zurück und die Liquidität ist schwach, da kann es zu erheblichen Ausschlägen kommen."
Die Kapitalmärkte fordern Reformen und die müssen jetzt kommen.
Christian Sewing, CEO, Deutsche Bank
Auch mit Blick auf die europäischen Märkte rechnet Sewing vorerst nicht mit Refinanzierungsengpässen. Er gehe davon aus, dass sich die Märkte im Rahmen der vergangenen Wochen und Monate bewegen werden. „Aber die Kapitalmärkte fordern Reformen und die müssen jetzt kommen“, mahnte der Chef der Deutschen Bank. Große Bedeutung komme in diesem Zusammenhang der Lösung der Regierungskrise in Frankreich zu.
In seiner Eröffnungsrede strich Sewing heraus, dass Amazon, Microsoft, Google und Meta in diesem Jahr für 350 Mrd. Dollar Rechenzentren bauen. „Inklusive Investitionen in angrenzende Bereiche wie
Stromnetze und Stromerzeugung dürfte die Summe bei rund 500 Mrd. Dollar liegen“, ergänzte er.
Schub für US-Wachstum
Die Volkswirte der Deutschen Bank bezifferten den positiven Effekt der Investitionen der Technologiekonzerne auf das BIP-Wachstum auf rund einen halben Prozentpunkt, sagte Sewing. „Ohne die Investitionen 2025 würde die US-Wirtschaft auf der Basis der aktuellen Prognosen nicht um 1,6% wachsen, sondern nur um 1,1 % – und damit genauso schnell wie die EU.“ Deutlicher könne man aus seiner Sicht nicht machen, wie dringend Deutschland und Europa technologisch Anschluss finden müssen. Der zu erwartende positive Effekt auf die US-Konjunktur zeige aber auch auf, wie entscheidend privates Kapital für die volkswirtschaftliche Entwicklung sei. Deshalb gelte es, einen einheitlichen und damit auch tieferen Kapitalmarkt in Europa zu schaffen. „Und wann wäre die Zeit dafür besser als jetzt, wo die Investoren den Kontinent wiederentdeckt haben?“, fragte er vor dem Hintergrund der globalen Kapitalumschichtungen der vergangenen Monate.
Aufbruchstimmung nicht verpuffen lassen
In Deutschland habe die aus seiner Sicht „absolut richtige“ Entscheidung für das Investitionspaket im ersten Halbjahr eine Aufbruchsstimmung bewirkt. „In unserem Firmenkundengeschäft hat das zu einem leichten Anstieg des Kreditportfolios geführt“, sagte Sewing. Damit sich das Momentum nicht verliere, sei es wichtig, dass der angekündigte „Herbst der Reformen“ auch tatsächlich kommt. Sewing: „Bis Weihnachten müssen mindestens zwei, drei Reformen auf den Weg gebracht werden.“
Zwei bis drei Reformen muss Berlin bis Weihnachten auf den Weg gebracht haben. Andernfalls drohe die Aufbruchstimmung zu verpuffen, so der Deutsche-Bank-CEO auf dem „Handelsblatt Bankengipfel“. Die jüngsten Verwerfungen am Staatsanleihenmarkt sieht er nicht als Vorboten einer Finanzkrise in den USA.
