Shortseller nehmen Grenke ins Visier

Gegen die Leasingfirma bestehen schon länger Leerverkaufspositionen - Gemischtes Fazit der Analysten

Shortseller nehmen Grenke ins Visier

Mit einer Liste von Anschuldigungen und einer auffälligen Rhetorik beschwört die Firma Viceroy eine Vertrauenskrise um den Leasing-Spezialisten Grenke herauf. Im Visier von Leerverkäufern steht das Unternehmen aber bereits länger: BlackRock, Gladstone und andere wetten auf einen fallenden Kurs.spe Stuttgart – Eine ganze Reihe angelsächsischer Investmentfirmen hat sich gegen die Leasing- und Finanzierungsgesellschaft Grenke in Stellung gebracht – noch ehe die jüngsten Vorwürfe gegen das Unternehmen die Runde gemacht haben. So sind BlackRock und Gladstone Leerverkaufspositionen mit Aktien des in Baden-Baden ansässigen MDax-Unternehmens eingegangen, wie aus den Veröffentlichungen im Bundesanzeiger hervorgeht. Dorthin müssen Leerverkaufspositionen ab einem Schwellenwert von 0,50 % gemeldet werden. Der Finanzaufsicht BaFin müssen derartige Transaktionen bereits ab einem Wert von 0,10 % übermittelt werden.Laut Bundesanzeiger hält Black-Rock derzeit eine Leerverkaufsposition bei Grenke von 1,89 %, während Gladstone bei 0,73 % liegt. Zusammen mit diesen beiden Investmentfirmen bringen es weitere Halter von Leerverkaufspositionen, sogenannte Shortseller, wie Odey (London), Lazard (New York) und Wellington (Massachusetts) auf aktuell insgesamt 3,86 % des ausgegebenen Aktienkapitals von Grenke. Dieser Wert wird in Kapitalmarktkreisen als sehr hoch eingestuft. Vor diesem Hintergrund war die Attacke von Viceroy Research laut Warburg-Analyst Marius Fuhrberg vom Zeitpunkt her perfekt gewesen und gut vorbereitet worden. Wo steckt Perring?Wer nun aber auch den als Wirecard-Jäger bekannten britischen Spekulanten Fraser Perring und seiner Firma Viceroy Research Group in der Liste der Leerverkäufer vermutet, sucht vergebens. Zumindest in den vergangenen beiden Jahren taucht der Name nicht auf. Bekanntlich hat die US-Investorengruppe um Perring die Grenke AG der Bilanzfälschung beschuldigt, während sie parallel dazu auf fallende Kurse spekuliert haben will. Sofern der 46-Jährige die Meldung an den Bundesanzeiger ordnungsgemäß abgegeben hat, müsste seine Leerverkaufsposition damit unter 0,50 % des ausgegebenen Aktienkapitals von Grenke gelegen haben oder noch liegen.Nachdem das im MDax notierte Unternehmen die Anschuldigungen von Viceroy am Dienstagabend aufs Schärfste zurückgewiesen hatte, äußerte sich Grenke am Mittwoch bis zum frühen Abend nicht mehr zu den Vorwürfen. Man sei aber intensiv dabei, eine qualifizierte Replik auf den 64-seitigen Text von Viceroy zu erarbeiten, hieß es aus Baden-Baden. Zur Beruhigung des Marktes reichte dies jedenfalls nicht aus, verlor doch die Grenke-Aktie gestern nochmals zweistellig auf 26,70 Euro. Damit notiert der MDax-Titel deutlich unter dem Kursziel der Commerzbank von 50 Euro, die daran allerdings festhält. Auch das Analysehaus Warburg Research hält an seinem Kursziel fest, das allerdings mit 99 Euro bei mehr als dem Dreifachen des aktuellen Kurses liegt. Auch wenn sich einige der Anschuldigungen kaum beweisen lassen dürften, müsse das MDax-Unternehmen vieles klarstellen, was kurzfristig kaum möglich sein dürfte. Es sei nicht zu leugnen, dass sowohl die Unternehmensstruktur als auch die Bilanz komplex und zuweilen verwirrend erschienen. Vor einer weiteren Klärung bleibe er bei seiner Bewertung von Grenke, sagte Fuhrberg weiter.Wie Viceroy Research schreibt, bestehe ein Interessenkonflikt zwischen dem Mehrheitsaktionär Wolfgang Grenke und den Minderheitsaktionären. So wirft Perring dem Firmen-Patriarchen vor, Franchiseunternehmen im Ausland zu überhöhten Preisen aufzukaufen, ohne sie später abzuschreiben. “Hier braucht es mehr Klarheit”, fordert Commerzbank-Analyst Christoph Blieffert, der bei Grenke eine Reihe von Schwachstellen ausmacht. So habe das Unternehmen die Risiken in seinem Leasing-Portfolio immer weiter erhöht. In Zuge dieser Maßnahme sei der Anteil riskanter Geschäfte in den Jahren von 2014 bis 2019 von 5 auf 15 % gestiegen. “In einem rezessiven Umfeld betrachten wir diese Form der Kreditvergabe als nicht nachhaltig”, so Blieffert. Außerdem erachtet der Analyst unbesicherte Finanzierungen (Senior Unsecured Fundings) über 3,4 Mrd. Euro, die 55 % der Gesamtfinanzierungen ausmachten, als Risiko. Da der Kurssturz der Grenke-Aktie Werte vernichtet, stuft Blieffert den kurz- bis mittelfristigen Vertrauensverlust von Bond-Investoren als größtes Risiko von Grenke ein.Grundsätzlich gelten Leerverkäufe als ein übliches, aber durchaus umstrittenes Spekulationsmittel an der Börse. So waren etwa zu Beginn der Corona-Pandemie verstärkt Netto-Leerverkäufe auf Lufthansa-Aktien zu beobachten. Dabei leihen sich sogenannte Shortseller Aktien etwa von Fondsgesellschaften gegen Gebühr und verkaufen diese in der Erwartung fallender Kurse. Kritikwürdig am “Short gehen” ist, dass Leerverkäufe den Trend fallender Kurse womöglich verstärken. Geht die Wette auf, können die Aktien billiger aufgekauft und dann an den Verleiher zurückgegeben werden.