Finanzmarktregulierung

Sozialtaxonomie nimmt Gestalt an

Die Sozial- und Umwelttaxonomie der Europäischen Union nimmt Formen an. Allerdings gibt es Kritik an dem Konzept im EU-Parlament.

Sozialtaxonomie nimmt Gestalt an

fed Frankfurt

Die Europäische Union kommt bei ihrem Vorhaben einen Schritt voran, ein Klassifikationssystem (Taxonomie) auf Basis von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) zu schaffen. Der Abschlussbericht der Expertengruppe, die die EU-Kommission in ihren Vorbereitungen für Umwelt- und Sozialtaxonomie berät, ist weitgehend fertiggestellt.

In einem Entwurf dieses Abschlussberichts, der der Börsen-Zeitung vorliegt, wird unterstrichen, dass sich die künftige Sozialtaxonomie maßgeblich an der bereits bestehenden Umwelttaxonomie orientieren soll. Damit würde die EU-Kommission dem Wunsch vieler Marktteilnehmer entsprechen, die eine gemeinsame Struktur für Soziales und Umwelt erwarteten. Um beide Klassifizierungen eng zu verknüpfen, schlagen die Experten vor, in die künftige Sozialtaxonomie Mindestgarantien für den Umweltschutz zu integrieren. Nach dem „Do no significant harm“-Prinzip solle auf diese Weise sichergestellt werden, dass die Sozialtaxonomie nicht auf wirtschaftliche Aktivitäten anwendbar ist, die klar umweltschädlich sind.

Drei Ziele sollten im Zentrum der Sozialtaxonomie stehen: erstens menschenwürdige Arbeit, zweitens angemessener Lebensstandard und Wohlergehen für die Endverbraucher und drittens integrative und nachhaltige Gemeinschaften. Dabei weisen die Experten darauf hin, dass klar zwischen inhärenten Vorteilen –  etwa, weil Arbeitsplätze geschaffen oder Steuern gezahlt werden – und zusätzlichen sozialen Vorteilen unterschieden werde. Als Beispiele hierfür wird die Verbesserung des Zugangs zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung genannt.

Solche Ziele wiederum sollten nach der Art ihres sozialen Beitrags differenziert werden. „Es gibt wesentliche Beiträge, die sich eher auf den zusätzlichen sozialen Nutzen der Tätigkeit selbst konzentrieren, wie die Erforschung und Vermarktung von Arzneimitteln“, heißt es in dem Papier. Andererseits gebe es substanzielle Beiträge, die sich auf die Vermeidung und Bewältigung negativer Auswirkungen auf Arbeitnehmer und Verbraucher konzen­trieren, wie etwa Arbeitsschutz.

Autor des Papiers ist die „Plattform für nachhaltiges Finanzwesen“, eine ständige Gruppe mit mehr als 50 Mitgliedern zur Beratung der EU-Kommission. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber nimmt eine kritische Haltung zu dem Entwurf ein.

Kritik aus dem EU-Parlament

„Wenn man sich das derzeitige Drama um die ‚grüne‘ Taxonomie anschaut, wären die EU-Kommission und die Plattform für nachhaltige Finanzierung gut beraten, nicht direkt das nächste Fass aufzumachen“, argumentiert der CSU-Finanzexperte im EU-Parlament. Bei der „grünen“ Taxonomie gebe es zumindest objektive wissenschaftliche Kriterien – „und wir können uns trotzdem nicht auf ein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit einigen“, erklärt Ferber und mahnt mit Blick auf die Sozialtaxonomie: „Der Streit wird umso größer sein, wenn jeder seine subjektiven Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit auspackt.“ Sozialpolitische Fragen sollten nach seiner Überzeugung über die Sozialpolitik gelöst werden und nicht über Finanzmarktregulierung. „Neue Klassifizierungssysteme schaffen nur neue Berichtspflichten und Bürokratie, aber keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen.“