Osteuropa

Spillover-Effekte des Kriegs

Der russische Angriff auf die Ukraine und die westlichen Sanktionen sind insbesondere für die Volkswirtschaften Osteuropas ein Schock. Analysten treiben die Folgen für die Finanzbranche um.

Spillover-Effekte des Kriegs

lee Frankfurt

Sechs Wochen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine tasten sich Sektorspezialisten an die möglichen Auswirkungen auf den europäischen Finanzsektor heran. In zwei am Donnerstag veröffentlichten Studien zeichnen die Aktienanalystinnen von Morgan Stanley und die Kreditanalysten von Moody’s die sich aus ihrer Sicht anbahnenden Risiken auf. Wie bei jedem externen Schock sind die geografische Diversifizierung und die Dicke des Kapitalpolsters die maßgeblichen Parameter für die Vulnerabilität der Institute.

Baltikum und GUS im Fokus

Während das Risiko aus dem Ukraine-Krieg für die meisten westlichen und asiatischen Banken gemeinsam als verkraftbar eingestuft wird, könnte es nach Einschätzung der Ratingagentur Moody’s vor allem für die Institute in den baltischen Ländern und die in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zusammengefassten früheren Sowjetrepubliken eng werden. Diese sind einerseits durch ihre regionale – und zumindest im Fall Belarus auch politische – Nähe zu Russland und zur Ukraine besonders anfällig für Spillover-Effekte. Andererseits verfügen sie nach Einschätzung der Moody’s-Experten nur über begrenzte Kapitalpuffer, um den Schock abzufedern.

Wegen des Krieges hat die Ratingagentur ihre Wachstumserwartung für die G20-Staaten für das laufende Jahr von 4,3 % auf 3,6 % im Basisszenario heruntergenommen. Für das kommende Jahr rechnen die Kreditanalysten sogar nur noch mit einem Plus von 3 %.

In den baltischen Staaten, deren Wirtschaft sich dem unschönen Dreiklang aus hoher Inflation, steigenden Zinsen und drohenden Geschäftsunterbrechungen infolge von anhaltenden Lieferengpässen ausgesetzt sehen, sei ein Anstieg der Kreditausfälle zu erwarten. Gleiches gilt für die Banken in den GUS-Staaten, deren Kunden traditionell viel Geschäft in Russland machen und nun indirekt von den westlichen Sanktionen getroffen werden.

Funding-Risiken begrenzt

Unbill von anderer Seite droht nach Einschätzung der Kreditanalysten dagegen den Banken in der Türkei und auf dem afrikanischen Kontinent. Sie würden demnach am ehesten in Refinanzierungsnöte geraten, falls etwa eine Ausweitung des Konflikts zu Liquiditätsengpässen führt. Auch an anderen Instituten würde dies nicht spurlos vorbeigehen. Moody’s zufolge sind die meisten Finanzkonzerne jedoch in der Lage, die Belastung auszugleichen, so dass eine globale Finanzkrise wohl auszuschließen ist.

Auch die Branchenexpertinnen von Morgan Stanley halten die bei einer Ausweitung des Konflikts drohenden Spillover-Effekte aus dem Krieg in der Ukraine auf die Region für verkraftbar – zumindest für die von ihnen gecoverten Institute, zu denen mit Raiffeisen Bank International (RBI), Erste Group und KBC die drei Finanzinstitute der Eurozone gehören, die am stärksten in Mittel- und Osteuropa exponiert sind. Insbesondere die Erste und KBC seien dank ihrer starken Präsenz in der Region jedoch womöglich in der Lage, von potenziellen Marktverwerfungen zu profitieren. Sie könnten etwa durch günstige Konditionen Kunden von Wettbewerbern abwerben oder auch Unternehmensteile übernehmen. schreiben die Analystinnen und verweisen darauf, dass sich die Erste derzeit um das Geschäft der russischen Sberbank in der Tschechischen Republik und Österreich bemüht. Schlechter positioniert sei RBI wegen ihres hohen Russland-Exposures.

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