Staatsanwalt fordert 10 Jahre Haft für Hanno Berger
Staatsanwalt fordert 10 Jahre Haft für Hanno Berger
Im Cum-ex-Prozess machen Ankläger besonders schwere Steuerhinterziehung in drei Fällen aus – Verteidigung fordert mangels Vorsatz Freispruch
Von Thomas List, Wiesbaden
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat im Cum-ex-Verfahren gegen Hanno Berger vor dem Landgericht Wiesbaden 10 Jahre und 6 Monate Haft gefordert (Az. 6 KLs – 1111 Js 18753/21). Der Angeklagte sei der besonders schweren Steuerhinterziehung in drei Fällen schuldig, sagte Oberstaatsanwalt Christoph Weinbrenner am Donnerstag in seinem Plädoyer.
Die Schadenssumme von 113 Mill. Euro sei 2006 bis 2008 mit Hilfe von unberechtigten Steuerbescheinigungen gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht worden. Basis waren die Geschäfte der eigens für diesen zweck gegründete Rafael Roth Financial Enterprises (RFE) des inzwischen verstorbenen Immobilieninvestors Rafael Roth, bei denen Aktien im Gesamtvolumen von 15 Mrd. Euro rund um den Ausschüttungstermin mit (cum) und ohne (ex) Dividende zwischen verschiedenen Akteuren mit Hilfe von Leerverkäufen hin und her geschoben wurden. Berger hatte diese von Banken bereits zuvor praktizierten Cum-ex-Geschäfte für vermögende Privatpersonen weiterentwickelt.
Cum-ex habe ein Loch in die Staatskasse gerissen, beklagte Weinbrenner in seinem Plädoyer. „Einsicht oder Reue ist nicht festzustellen“, sagte er mit Blick auf den Angeklagten, der die Ausführungen des Staatsanwalts kopfschüttelnd verfolgte. Berger habe immer wieder „Nebelkerzen gezündet, um die Geschäfte (gegenüber dem Finanzamt) weiter zu verschleiern“. Sie wären ohne die Erstattung der (zuvor nicht einbehaltenen) Kapitalertragsteuer „vollkommen sinnlos“ gewesen.
Die über den Broker Icap durchgeführten Leerverkäufe erbwirtschafteten regelmäßig einen Gewinn von 21,1% – „das ist genau die Kapitalertragsteuer“, wie Weinbrenner betonte. Die Gewinnhöhe sei von den Beteiligten, neben Icap und RFE die HypoVereinsbank, deren Kunde Roth bzw. die RFE war – vorab genau berechnet und aufgeteilt worden. Berger erhielt von Roth auf Basis von Scheinrechnungen ein persönliches Erfolgshonorar von 2,3 Mill. Euro, so Weinbrenner weiter. Darüber hinaus flossen noch 750.000 Euro und 4,3 Mill. Euro als Kickbackzahlungen. „Damit verdiente Berger an den Geschäften der RFE erheblich mit.“
In seinem Schlussvortrag beantragte Bergers Verteidiger Sebastian Kaiser, seinen Mandanten mangels Vorsatz freizusprechen und den Haftbefehl aufzuheben. Hilfsweise für den Fall einer Verurteilung führte er diverse mildernde Umstände an, vor allem den lange zurückliegenden Tatzeitpunkt, die lange Dauer des Verfahrens, das den Angeklagten und seine Familie sehr belastet habe, und sein hohes Lebensalter von 72 Jahren.
Die vom Staatsanwalt beantragte Haftdauer sei „deutlich überhöht“. Kaiser widersprach dem Vorwurf des Staatsanwalts, Berger habe verschleiert und getäuscht („Nie ging es ihm um Transparenz“). Vielmehr seien die „Grundkoordinaten“ der Geschäfte wie Umfang, die Transaktionen rund um den Hauptversammlungstag und die Absicherung durch Futures bekannt gewesen.
Das Finanzamt hätte nachfragen können, habe aber die Steuererklärungen nur formal geprüft, so der Verteidiger. Der Fehler – also die hohen Verluste des Staates durch Cum-ex-Geschäfte – habe im System gelegen. „Der Gesetzgeber hätte diese Geschäfte frühzeitig beenden können“, habe sie aber stattdessen durch das Jahressteuergesetz 2007 eher noch befeuert. Der „Staat“ habe (Kaiser bezog sich hier auf Landesbanken und nannte etwa die WestLB) diese Geschäfte selbst betrieben. „Bis 2009 gab es keine einheitliche Verwaltungsauffassung zu Cum-ex.” Ein erstes obergerichtliches Urteil fällte erst 2021 der Bundesgerichtshof.
Kaiser gab zu, dass Berger Gesetzestexte, Urteile und Erlasse „exzessiv wörtlich“ auslege und Steuerbescheide als ausreichend ansehe, „um die Legalität von Geschäften darzulegen“. Letztlich sei ihm sein Handeln von Staat, Finanzamt und Kollegen aber auch leicht gemacht worden. In den folgenden drei Verhandlungstagen hat Berger Gelegenheit für „letzte Worte“, am 30. Mai will das Gericht das Urteil verkünden .