Bonner Cum-ex-Prozess

Strafanzeige gegen Richter und Ober­staats­anwältin

Strafverteidiger Thomas Fischer fährt schwere Geschütze gegen das Landgericht Bonn und die Kölner Staatsanwaltschaft auf. Er wirft ihnen vor, einem Befangenheitsantrag durch rechtswidrige Absprachen die Grundlage entzogen zu haben.

Strafanzeige gegen Richter und Ober­staats­anwältin

Von Anna Sleegers, Frankfurt

Im Cum-ex-Komplex fährt der Strafverteidiger und ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer schwere Geschütze gegen das Landgericht Bonn und die Kölner Staatsanwaltschaft auf. Bereits im Mai erstattete er wegen des Verdachts der Rechtsbeugung Strafanzeige gegen den Vorsitzenden Richter Roland Zickler, drei weitere Richter sowie die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker.

Der Vorwurf: Durch rechtswidrige Absprachen sollen die Beschuldigten einem laufenden Antrag der Verteidigung, Zickler wegen Befangenheit abzulehnen, die Grundlage entzogen haben. Würde sich das erhärten, stünde das Landgericht bei der Aufarbeitung des Steuerskandals vor einem Scherbenhaufen. Die drei von Zickler geleiteten Verfahren müssten möglicherweise neu aufgerollt werden. Den Beschuldigten würden laut Paragraf 339 Strafgesetzbuch Freiheitsstrafen zwischen einem und fünf Jahren drohen.

Fischer hatte in einem der Verfahren Ex-Warburg-Mitarbeiter Christian S. verteidigt (Az.: 62 KLs 213 Js 32/20-1-20), der in einem nicht rechtskräftigen Urteil zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Für die von S. eingelegte Revision ist er nicht mandatiert. Im Cum-ex-Komplex ist er nach eigenen Angaben nur noch als Berater von Max Warburg bei dessen Befragung durch den von der Hamburger Bürgerschaft eingesetzten Untersuchungsausschuss tätig.

In der Strafanzeige nimmt Fischer Anstoß am Umgang des Vorsitzenden Richters mit der als Zeugin geladenen Finanzbeamtin Daniela Petersen, die 2016 bei der Steuerbehörde Hamburg für die Privatbank zuständig war. Aufgrund ihrer Entscheidung, von einer Rückforderung der Steuererstattungen abzusehen, verjährten mögliche Ansprüche gegen Warburg – ein Umstand, der nachvollziehbarerweise auch den Untersuchungsausschuss interessiert.

Im Februar sei offenbar geworden, dass die Finanzbeamtin sich dabei möglicherweise auf die Rückendeckung der Staatsanwaltschaft Köln verließ, obwohl diese nach eigener Darstellung stets auf eine Rückforderung gedrungen hatte. Einer Aktennotiz zufolge soll sich Petersen bei der Entscheidung auch auf ein Telefonat mit einem Sachbearbeiter der Kölner Ermittlungsbehörde gestützt haben. Dieser soll gesagt haben, dass nichts dagegen spreche, von der Steuerrückforderung abzusehen.

Wenige Wochen später, so der Vorwurf, soll Zickler in einem Telefonat mit dem Leiter des Arbeitsstabs des Hamburger Untersuchungsausschusses, Claudio Kirch-Heim, Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Finanzbeamtin gesät haben. So sei die Zeugin mit der 2021 verstorbenen Tochter des Warburg-Gesellschafters Christian Olearius befreundet und Gast bei deren „Petersilienhochzeit“ gewesen. Zudem sei Petersens Vater als Notar für die Privatbank M.M. Warburg tätig gewesen. Die gegenüber Kirch-Heim getätigten Aussagen über die im Cum-ex-Prozess bereits vernommene Zeugin habe Zickler nicht zu den Akten genommen.

Laut Strafanzeige soll Kirch-Heim in einem dienstlichen Gespräch einer weiteren, namentlich nicht genannten Person von dem Gespräch mit Zickler berichtet haben. Von dieser Person erfuhr demnach der Rechtsanwalt Peter Gauweiler, Namensgeber der Münchner Kanzlei, für die Fischer tätig ist, und von Warburg Invest mandatierter Verteidiger in einem weiteren von Zickler geleiteten Cum-ex-Verfahren (Az.: 62 KLs213 Js 32/20-3/20). Um die Interessen seiner Mandatin zu schützen, stellte Gauweiler am 19. Februar einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter, mit der Begründung, dass dieser mögliche Entlastungszeugen beschädige.

Über einen Befangenheitsantrag entscheidet eine Kammer ohne den betroffenen Richter. Dazu wird ein Richter einer anderen Kammer hinzugezogen, der sich in das Verfahren nur einschalten darf, wenn „unaufschiebbare Sachentscheidungen“ an-stehen. Eine solche versuchten die Staatsanwältin und die beteiligten Richter des Landgerichts nach Ansicht Fischers zu fingieren.

So habe Brorhilker nach verschiedenen Telefonaten mit Zickler am 25. Februar ohne erkennbaren Anlass den Antrag gestellt, die zuvor beantragte Einziehung von Vermögen bei Warburg Invest und der Warburg-Gruppe zurückzunehmen. Der Antrag sei handschriftlich mit dem Vermerk „Eilt sehr!“ versehen worden, obwohl es Fischer zufolge keinerlei Fristen zu wahren galt. An der Entscheidung, dem stattzugeben, war statt Zickler der temporäre Vertretungsrichter Tillmann Eisenberg beteiligt, was Fischer zufolge grundgesetzwidrig ist. Der Clou dabei: Durch die Beendigung der Einziehungsbeteiligung von Warburg Invest verlor deren Verteidiger Gauweiler das Recht, in dem Verfahren Befangenheitsanträge zu stellen.

Die Staatsanwaltschaft Bonn räumt in einer der Börsen-Zeitung vorliegenden Reaktion auf die Anzeige ein, dass die Entscheidung, die Einziehungsbeteiligung aufzuheben, nicht nach den Regeln der Strafprozessordnung gefallen sei. Einen ausreichenden Anfangsverdacht, um Ermittlungen aufzunehmen, sieht sie aber nicht. Dagegen habe der Anzeigenerstatter Beschwerde eingelegt, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Bonn. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Köln wird die Beschwerde derzeit geprüft.

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