KommentarNachfolgerin für Frank Grund

Tabubruch für die BaFin

Julia Wiens als kommende Chefin der Versicherungsaufsicht bringt die richtigen Kompetenzen mit. Dennoch bedeutet ihre Berufung einen heiklen Tabubruch.

Tabubruch für die BaFin

Kommentar

Tabubruch für die BaFin

Von Antje Kullrich

Das wurde auch Zeit. Erst wenige Tage vor dem Abschied von Frank Grund steht seine Nachfolge für den Spitzenposten in der deutschen Versicherungsaufsicht fest. Die Versicherungsmanagerin und Aktuarin Julia Wiens übernimmt die Position der BaFin-Exekutivdirektorin für die Assekuranz. Die Entscheidung kam, wie schon beim vergangenen Wechsel in der Versicherungsaufsicht 2015, sehr spät. Dabei stand das Ende der Amtszeit von Frank Grund, der seit acht Jahren an Bord ist, schon lange fest. Die Bundesregierung, namentlich das Finanzministerium, riskiert, den ungemein wichtigen Posten zu beschädigen. Denn erstens deutet die späte Berufung darauf hin, dass die Prioritäten in Berlin woanders liegen. Zweitens wird es kein nahtloser Übergang werden – die aktuelle Baloise-Vorständin Julia Wiens tritt ihre neue Stelle erst am 1. Januar an.

Die Berufung einer aktiven Führungskraft aus der Branche an die Spitze der Branchenaufsicht bedeutet hierzulande einen Tabubruch. Vorgänger Grund, der im Übrigen auch von der Baloise kam, hatte zwischen seiner operativen Vorstandstätigkeit und seinem Beginn bei der BaFin noch eine Karenzzeit von drei Jahren. Wiens wechselt jetzt direkt. Bei börsennotierten Gesellschaften verbietet das Aktiengesetz die direkte Wahl eines Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsrat (auch wenn es ein Schlupfloch gibt). Dass das Finanzministerium eine Cooling-off-Phase für den Spitzenposten der Aufsicht für nicht erforderlich hält, stimmt bedenklich. Ein Statement des BMF zu diesem Punkt gab es am Mittwoch nicht.

BaFin-Chef Mark Branson weist in der Mitteilung zur Berufung Wiens' explizit auf den aktuellen Fokus hin, den er schon jüngst bei der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht formuliert hatte: Er will künftig den Verbraucherschutz bei Versicherungsprodukten und deren Vertrieb in den Vordergrund rücken. Das sind heiße Eisen für die Assekuranz, das zeigt der jahrelange Streit um Provisionsdeckel und hohe Kostenquoten. Für Julia Wiens eine schwierige Gemengelage: Sie wird gerade bei diesen Themen quasi abrupt die Seite wechseln müssen. Immerhin fällt ihr bisheriger Arbeitgeber Baloise in der Beschwerdestatistik der BaFin in der Lebensversicherung – der Sparte, die Wiens verantwortet – nicht unangenehm auf.

Davon abgesehen, bringt Julia Wiens als Aktuarin und Branchenexpertin Fähigkeiten mit, die zentral für ihre neue Aufgabe sind. Auf ihrem Tisch liegen diverse Anträge für die Übertragung von Lebensversicherungsbeständen an externe Run-off-Plattformen. Ihre tiefe Kenntnis von Lebensversicherungsprodukten und Kapitalanlagen wird bei den vermutlich schwierigen Verhandlungen mit den Private-Equity-dominierten Abwicklern helfen. Und die Gefahr, dass sie über frühere eigene Portfolien entscheiden muss, besteht eher nicht: Die Baloise hat ihre alten Verträge mit hohen Garantien schon vor Jahren als eine der ersten Gesellschaften am deutschen Markt an die Frankfurter Leben abgegeben.

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