Tauziehen in Wiesbaden

Von Bernd Neubacher, Frankfurt Börsen-Zeitung, 23.10.2019 Das hatte dem Management der Aareal Bank gerade noch gefehlt: Mitten in die Beratungen über die künftige Strategie, über deren Ergebnis der Wiesbadener Immobilienfinanzierer spätestens im...

Tauziehen in Wiesbaden

Von Bernd Neubacher, FrankfurtDas hatte dem Management der Aareal Bank gerade noch gefehlt: Mitten in die Beratungen über die künftige Strategie, über deren Ergebnis der Wiesbadener Immobilienfinanzierer spätestens im Februar kommenden Jahr informieren möchte, ist der aktivistische Investor Teleios Capital Partners mit seiner Forderung nach einem Verkauf der Software-Sparte Aareon geplatzt. Ein Tauziehen hat begonnen.Aus Sicht von Teleios, der inzwischen vom Hedgefonds Petrus Advisers Unterstützung erfährt, ist die Angelegenheit klar: Gewinn winkt, falls es gelingt, Aareon aus dem Konzern herauszulösen und von dem vom Zinstief geschwächten Kerngeschäft der strukturierten Immobilienfinanzierung der Aareal Bank zu trennen – zumindest, sofern Teleios seiner eigenen Schätzung traut.Demnach ist die Sparte, die gut ein Viertel der Konzernerträge erwirtschaftet, 700 Mill. bis 1 Mrd. Euro wert – damit entfielen auf die Tochter 38 % bis 55 % des Börsenwerts des Aareal-Bank-Konzerns. Analysten messen Aareon eher einen Wert von rund 450 Mill. Euro bei. Ohne einen Spin-off werde die Tochter kaum ihr “volles Potenzial” ausschöpfen, lässt Teleios wissen. Der Hedgefonds folgt dem Standard-Drehbuch für Aktionärsaktivisten und spielt mit zunehmend härteren Bandagen: Erst bittet man den Vorstand, einen Verkauf zu erwägen. Wenige Wochen später folgt die Drohung, eine außerordentliche Hauptversammlung zu verlangen und eine Sonderprüfung zu veranlassen, garniert mit der Mitteilung, den eigenen Anteil an der Gesellschaft von 3,4 % auf 4,5 % erhöht zu haben.Am Montag dann die neueste Wendung: Bloomberg meldet unter Berufung auf unterrichtete Kreise, die Aareal Bank gebe dem Druck der aktivistischen Investoren nach und veranstalte bereits ein formelles Auktionsverfahren. Wie aber von Unternehmenskennern zu erfahren ist, findet keine Auktion statt. Investoren am Aktienmarkt war dies am Montag dennoch ein Kursplus von knapp 3 % wert. Aareal Bank und Teleios wollen sich auf Anfrage nicht äußern.Das Management wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, würde es Aareon mir nichts, dir nichts versilbern. Aus Sicht des Konzerns kann die Losung nur lauten, die Tochter, die sich als die Nummer 1 unter den Anbietern von Enterprise-Resource-Planning-(ERP)-Systemen und digitaler Dienstleistungen für Europas Immobilienwirtschaft sieht, möglichst lange im Konzern zu behalten. Im vergangenen Jahr beanspruchte die Sparte 4 % des regulatorischen Eigenkapitals und steuerte damit 14 % zum Vorsteuergewinn der Gesellschaft bei.Zudem weckt Aareon reichlich Digitalisierungs- und Wachstumsfantasie. Die Tochter will das bereinigte Vorsteuerergebnis bis 2025 auf 100 Mill. glatt verdoppeln. Freilich gibt es Research-Häuser wie Kepler Cheuvreux, die der Aareal Bank diese Story nicht abkaufen und darauf verweisen, in der Vergangenheit seien ähnliche Pläne fehlgeschlagen.Wichtiger noch: Aareon wirkt als zyklusglättendes Gegengewicht zur strukturierten Immobilienfinanzierung, in welcher die Geldpolitik den Zinsüberschuss zerreibt und Baseler Kapitalreformen das Geschäft verteuern werden. Dort bröselt oder stagniert der Zinsüberschuss bestenfalls; bei Aareon sprudeln die Provisionseinnahmen. Für diesen im Zinstief heiß begehrten Posten der Ergebnisrechnung hat manche Bank längst das Wertpapiergeschäft für sich wiederentdeckt.Die strukturierte Immobilienfinanzierung hat im zweiten Quartal 138 Mill. Euro an Zins- und gerade einmal 2 Mill. an Provisionsüberschuss verbucht. Aareon holte 57 Mill. an Provisionen herein. Stabilisierend wirkt zudem, dass zwei Drittel der Aareon-Erträge wiederkehrend sind. Mit einem Verkauf der Sparte würden Synergien verloren gehen, zumal die Kunden von Aareon größtenteils identisch sind mit jenen der strukturierten Immobilienfinanzierer im Konzern.Man darf davon ausgehen, dass diese Zusammenhänge auch der Aufsicht bewusst sind, die auf einen Verkauf der Sparte sicher mit interessierten Fragen reagieren würde. Kein Wunder also, dass Vorstandschef Hermann Merkens in einem Brief an Teleios, nach allfälligen Floskeln wie jener, selbstverständlich alle relevanten Optionen in Betracht zu ziehen, verdeutlicht hat, dass Aareon “integraler Bestandteil” der Gruppe sei. Den Verkauf eines Minderheitsanteils schließt das nicht aus. Dies könnte eine etwaige Unterbewertung von Aareon ebenso offenlegen wie ein Komplettverkauf, würde dem Konzern zugleich aber die strategischen Vorteile erhalten.Fraglich ist allerdings, ob die Bank in diesem Fall einen Aktionärsaktivisten oder eine Beteiligungsgesellschaft einem Investor vorzöge, der womöglich Mittel und Know-how mitbringt, um Aareon operativ nach vorne zu bringen. Teleios insistiert ohnedies auf einen neuen Eigentümer für Aareon.Über die Geschicke einer börsennotierten Gesellschaft entscheiden aber nicht nur Hedgefonds und Vorstandsmitglieder, sondern in letzter Instanz die Anteilseigner. Man kann sich daher vorstellen, dass Aareal-Bank-Aktionäre derzeit gefragte Gesprächspartner sind. Die Eigentümer müssen darüber befinden, ob sie mehr Wert auf das Geschäftsmodell der Bank oder aber auf einen einmaligen Erlös legen. Ohne breite Unterstützung von Aktionären wird sich Teleios, der bei allem Getöse auch mit Petrus Advisers zusammen nur auf rund 7 % der Anteile kommt, nicht durchsetzen.——Der Hedgefonds Teleios fordert einen Spin-off der Aareal-Bank-Tochter Aareon.——