Treasury-Volatilität stellt europäische Pensionfonds vor Probleme
Treasury-Volatilität stellt Pensionsfonds vor Probleme
Auch deutsche Rentenpläne leiden unter Schwankungen bei US-Anleihen – Unerwartete Verluste aus Bondportfolios setzen Kapitalpuffer unter Druck
Von Alex Wehnert, New York
Verwerfungen in der globalen Handelspolitik schlagen auf die Bücher internationaler Pensionsfonds durch. Denn seit dem „Liberation Day“ Anfang April, als US-Präsident Donald Trump die Europäische Union und andere wichtige Partner mit der Ankündigung reziproker Zölle schockte, hat die Volatilität am Markt für amerikanische Staatsanleihen noch einmal beträchtlich angezogen. Der ICE BofAML Move Index, der die Schwankungsbreite der US-Bond-Futures misst, sprang zeitweise auf das höchste Niveau seit der Hochphase der Coronakrise im Frühjahr 2020. Zahlreiche Altersvorsorgevehikel, auch europäische, stehen damit vor schweren Problemen im Accounting.
Ausländer bauen Positionen aus
Zwar zeichnen internationale Investoren angesichts der allgemein erhöhten Renditeniveaus noch immer fleißig Treasuries. Im Mai stockten sie ihre Positionen laut dem US-Finanzministerium zum Vorjahr um 11,3% auf 9,05 Bill. Dollar auf. Die Nachfrage entwickelt sich allerdings zunehmend schwankend, im April bauten ausländische Anleger das Volumen gegenüber März um 36,1 Mrd. Dollar ab. Deutsche Marktteilnehmer halten laut dem US-Finanzministerium amerikanische Staatsanleihen im Volumen von rund 102 Mrd. Dollar. Gegenüber Großinvestoren wie Großbritannien mit Treasury-Beständen von 810 Mrd. Dollar oder gar Japan mit Positionen im Umfang von 1,14 Bill. Dollar nimmt sich der Anteil zunächst gering aus. Doch hat er über das vergangene Jahr deutlich zugelegt.

Pensionsfonds sind laut dem Branchendienst European Pensions wichtiger Träger. „Der Großteil des Rentensystems in Deutschland mag umlagefinanziert sein, doch besitzt ein bedeutender Teil der Betriebsrentenpläne, Versicherer und privaten Altersvorsorgevehikel ein signifikantes Exposure gegenüber amerikanischem Fixed Income“, betont Keith Viverito, Leiter für Europa, den Nahen Osten und Afrika beim Analysedienst Clearwater.
Fragile Kreditkonditionen
Das Handelsabkommen zwischen Washington und Brüssel, gemäß dem EU-Ausfuhren in die USA mit einem Zoll von 15% belegt werden, habe im Vergleich zu den Verwerfungen aus dem Frühjahr zwar für gewisse Beruhigung gesorgt. „Doch die Kreditkonditionen bleiben fragil“, warnt Viverito. Der Anstieg der Treasury-Renditen, die sich nach wie vor auf erhöhten Niveaus hielten, habe zu schweren Mark-to-Market-Verlusten bei Assets geführt, die Pensionsvehikel als zum Verkauf verfügbar ausgewiesen hätten. Dies schwäche die Kapitaldeckung und verursache „schwere Kopfschmerzen für Versicherer und Pensionsfonds, die wachsende Lücken zwischen Assets und Verbindlichkeiten zu managen haben“.
Auch Stresstests von S&P Global weisen darauf hin, dass die allgemeine Marktvolatilität und hohe Zinsniveaus die nach der Solvency-II-Richtlinie vorgegebenen Kapitalpuffer insbesondere von Versicherern mit Bondportfolios langer Laufzeit auszuhöhlen drohen. Die abwartende Haltung der Federal Reserve, die angesichts der Sorge vor neuen Inflationssprüngen bislang an ihrer restriktiven Geldpolitik festhält, verkompliziert das Portfolio- und Laufzeitenmanagement noch.
Laufzeitenprämien ausgeweitet
Zugleich sorgen sich Ökonomen von Wall-Street-Häusern wie Bank of America und Ratingagenturen wie Moody's infolge ausgeweiteter Haushaltsdefizite und wiederholter Schuldenstreitigkeiten im Kongress um die fiskalische Stabilität der Vereinigten Staaten. Jan Hatzius, Chefvolkswirt von Goldman Sachs, warnte im Interview der Börsen-Zeitung bereits zur Jahreswende vor einer Ausweitung der Laufzeitenprämien bei Treasuries.
Verliert der Staatsanleihemarkt weiter an Widerstandsfähigkeit, stellt dies Pensionsfonds laut Viverito vor Konflikte. Denn irgendwann seien sie gezwungen, nach dem Accounting-Standard IFRS als Held-to-Maturity klassifizierte Assets abzustoßen. Damit würden sie also Verluste aus bis zur Fälligkeit eingeplanten Anlagen realisieren, die zuvor rein technisch existierten. Dies schlage sich in der Gewinnentwicklung nieder und beeinflusse die Investorenstimmung negativ. Mechanismen der deutschen Bilanzierung wie Bereinigungen auf Basis beizulegender Werte hälfen Versicherern zwar dabei, die Volatilität in der Gewinn- und Verlustrechnung zu reduzieren. Doch deute auch ihre Entwicklung auf wachsenden Stress hin.
Anstieg der Defaults droht
Die Instabilität des Treasury-Marktes sei dabei nur eine Ausprägung wachsender Kreditrisiken. Die handelspolitische Unsicherheit treffe bestimmte Länder und exportabhängige Sektoren besonders. „Wenn es dort zu Downgrades und Defaults kommt, müssen institutionelle Bondinvestoren womöglich deutlich schneller Wertminderungen hinnehmen als erwartet“, unterstreicht Viverito. Angesichts der Interkonnektivität der globalen Finanzmärkte sei dies besonders gefährlich.
Pensionsfonds suchten Verluste aus US-Fixed-Income-Portfolios aufzufangen, indem sie über alternative Anlagen wie Private Equity und Infrastruktur diversifizierten. Dort winkten zwar höhere Renditen, aber auch noch mehr Volatilität. Die bisherigen Accounting-Systeme vieler Versicherer und Altersvorsorge-Vehikel seien aber zu wenig proaktiv und flexibel, um dies abzubilden. Damit drohten in Krisen, wenn Mängel in den Bilanzierungsmechanismen offenbar würden, Reputationsschäden und Ärger mit Regulatoren. Auf Europas Pensionsfonds kommen damit wohl noch unruhige Zeiten zu.
Die handelspolitische Unsicherheit und Sorgen um die fiskalische Stabilität der USA setzen Bondportfolios zahlreicher institutioneller Investoren unter Druck. Stark betroffen sind auch internationale Pensionsfonds, die ohnehin eine wachsende Lücke zwischen Assets und Verbindlichkeiten stopfen müssen.