Trump erhöht Druck auf Stimmrechtsberater
Trump erhöht Druck auf Stimmrechtsberater
Trump erhöht Druck auf Proxy-Berater
Neuer Erlass zielt auf Deutsche-Börse-Tochter ISS und Glass Lewis ab – Wirksame Kampagne Washingtons gegen ESG
Washington arbeitet mit Hochdruck daran, den Einfluss von ISS und Glass Lewis auf Hauptversammlungen zu beschränken. Neben einer Kartelluntersuchung der FTC drohen den Proxy-Firmen nach einem Erlass der US-Regierung zusätzliche Prüfungen. Die Maßnahmen stehen im Kontext einer breiteren Anti-ESG-Kampagne.
xaw New York
Die US-Regierung zieht bei mächtigen Stimmrechtsberatern die Daumenschrauben an. So hat Präsident Donald Trump einen Exekutivbeschluss unterzeichnet, mit dem er die Börsenaufsicht SEC, die Wettbewerbsbehörde FTC und das Arbeitsministerium anweist, ihre Kontrolle über Proxy-Firmen zu verstärken. Institutional Shareholder Services (ISS), an der die Deutsche Börse seit Anfang 2021 eine Mehrheitsbeteiligung hält, und Glass Lewis nutzten „ihren substanziellen Einfluss regelmäßig, um radikale, politisch motivierte Agenden voranzutreiben“, heißt es in dem Erlass. Dabei solle „die einzige Priorität“ die Maximierung von Investment-Returns sein.
Die Regierung verweist dabei auf die Unterstützung der Stimmrechtsberater für Aktionärsanträge, die Verbesserungen bezüglich des Klima- und Umweltschutzes oder der Diversität in Unternehmen zum Ziel haben. Der Exekutivbeschluss ist damit Bestandteil einer „koordinierten Kampagne“ republikanisch dominierter Bundesstaaten, rechter Gruppen und konservativer Think Tanks gegen Nachhaltigkeit, die S&P Global seit Jahren beobachtet. In Trumps zweiter Amtszeit hat der Anti-ESG-Trend noch an Fahrt gewonnen.
Kartellprüfung läuft
Zuletzt hatte die FTC bereits eine Untersuchung dazu angestoßen, ob ISS und Glass Lewis mit ihren Proxy-Empfehlungen das Kartellrecht verletzen. Die Häuser verfügen über ein effektives Duopol in der Governance-Beratung institutioneller Investoren. Ihre Macht ist Managern schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Elon Musk bezeichnete ISS jüngst als „Unternehmensterroristen“. Zuvor hatte die Beratungsgesellschaft Aktionären empfohlen, gegen ein Rekord-Vergütungspaket des Tesla-CEO zu stimmen. Auch Glass Lewis hatte den letztlich freigegebenen Kompensationsplan im Gegenwert von bis zu 1 Bill. Dollar als exzessiv bezeichnet.
Auch Jamie Dimon, CEO der führenden US-Bank J.P. Morgan, holte im Frühjahr zum Rundumschlag gegen die Stimmrechtsberater aus. Diese seien „inkompetent“, von linken Aktivisten kontrolliert und verfügten über „falsche Daten“, die sie aber nie korrigieren müssten, schimpfte der Manager auf einer Konferenz von Blackrock. Dabei warf Dimon ISS und Glass Lewis indirekt erpresserische Taktiken vor. Schließlich könnten Unternehmen die Beratungsdienstleistungen der beiden Gesellschaften buchen und somit ihre Chancen erhöhen, deren Zustimmung für ihre Initiativen auf der Hauptversammlung zu finden.
Stimmrechtsberater wehren sich
Beide Unternehmen prüfen Trumps Exekutivbeschluss nach eigenen Angaben derzeit. „Wir wissen die Klarheit zu schätzen, die er bezüglich der Erwartungen der Administration an alle im Proxy-Beratungsgeschäft agierenden Firmen schafft“, teilte Glass Lewis gegenüber der Börsen-Zeitung mit. ISS unterstrich, ihre Kunden seien gut informierte institutionelle Investoren, die ihr Abstimmungsverhalten von einer Reihe an Faktoren abhängig machten. „ISS diktiert oder setzt keine Corporate-Governance-Standards und bleibt fest verpflichtet, professionell, ethisch und unabhängig zu arbeiten“, heißt es bei der Deutsche-Börse-Tochter.
Beide Unternehmen haben vor Gericht zuletzt ein neues Gesetz des Bundesstaats Texas angefochten, das beschwerliche Offenlegungspflichten zu den Abstimmungsempfehlungen von Proxy-Beratern festlegt. Dieses stelle eine Verletzung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung dar.
Wirksame Strategie gegen Nachhaltigkeit
Die republikanische Anti-Nachhaltigkeits-Strategie zeigt indes messbare Wirkung in der amerikanischen Wirtschaft. So sind ESG-Themen bei Investoren zuletzt in den Hintergrund getreten. Gemäß einer Umfrage des Vermögensverwalters Vanguard zur Hauptversammlungssaison 2025 stehen die Vergütung des Managements und die Dividende ganz oben auf der Agenda, 44% bzw. 41% wollten sich auf den abgelaufenen Jahrestreffen zu diesen Punkten äußern. Dahinter folgt bei möglichen Mehrfachnennungen die Besetzung des Verwaltungsrats mit 30%, wohingegen 29% der über 1.000 befragten Investoren soziale und 24% Umweltfragen zur Sprache bringen wollten.
Gemäß einer Erhebung der Kanzlei Gibson Dunn wurden in der jüngsten Proxy-Saison 247 Vorstöße zu Social-Aspekten und 147 zu Klima- und Naturschutz eingereicht; im Vergleich zum Vorjahr sind das Rückgänge um 20 bzw. 19%. Keiner davon kam auf eine Mehrheitsunterstützung, im Vorjahr waren es immerhin noch zwei. Damit hat sich die Lage gegenüber 2023 drastisch geändert; damals machten Umwelt- und Sozialvorschläge noch fast ein Viertel aller Anträge mit einer Zustimmungsquote von über 50% aus. Nach Daten von ISS ist die Zahl der Anti-ESG-Vorstöße unterdessen auf den Rekordwert von 112 gestiegen, 65 davon schafften es auch auf die Stimmzettel.
Indexfonds-Anbieter knicken ein
Dies ist laut Analysten maßgeblich auf die abnehmende Rückendeckung durch die großen Indexfonds-Anbieter zurückzuführen. Blackrock unterstützte in den zwölf Monaten bis Ende Juni 2025 lediglich noch 2% der über 358 Umwelt- und Sozialanträge, zu denen der Assetmanager auf Hauptversammlungen rund um den Globus abstimmte. Der Anteil ist über die vergangenen Jahre kontinuierlich zurückgegangen, nachdem er 2021 einen Höchstwert von 47% erreichte. Der Druck auf die Stimmrechtsberater dürfte laut Marktbeobachtern auch die verbliebene Unterstützung erodieren lassen.
