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Unruhe um Mediobanca-Chef Nagel

bl - Mediobanca-Chef Alberto Nagel ist der diskreteste und wohl auch erfolgreichste Banker Italiens. Der Manager, der süddeutsche Vorfahren hat, die im 18. Jahrhundert nach Apulien ausgewandert sind, und Wert auf die deutsche Aussprache seines...

Unruhe um Mediobanca-Chef Nagel

bl – Mediobanca-Chef Alberto Nagel ist der diskreteste und wohl auch erfolgreichste Banker Italiens. Der Manager, der süddeutsche Vorfahren hat, die im 18. Jahrhundert nach Apulien ausgewandert sind, und Wert auf die deutsche Aussprache seines Namens legt, hat das Institut, das seinen Sitz hinter der Mailänder Scala an der Piazzetta Enrico Cuccia hat, zur wohl ertragsstärksten Bank des Landes gemacht. Auch die Aktionäre haben davon profitiert. Während etwa die Aktienkurse der europäischen Banken seit Juli letzten Jahres um 25 % zurückgegangen sind, legten die Mediobanca-Papiere um 22 % zu.Doch plötzlich herrscht Unruhe in dem Institut, das viele Jahre von dem legendären Banker Enrico Cuccia geleitet wurde. Es begann mit dem Einstieg von Leonardo Del Vecchio vor knapp einem Monat. Der mit einem Vermögen von mehr als 20 Mrd. Euro reichste Mann Italiens, Großaktionär des Brillenkonzerns EssilorLuxottica, erwarb einen Anteil von knapp 7 % an Mediobanca, dem Institut, das ihn bei der Fusion seiner Luxottica mit Essilor beraten hatte. Damit war Del Vecchio auf einen Schlag drittgrößter Anteilseigner der Bank – gleich hinter Unicredit (8,8 %) und Vincent Bolloré (7,7 %). Angeblich will er auf 10 % oder gar auf 20 % aufstocken. Dafür bräuchte er allerdings die Zustimmung der europäischen Behörden.Nun ist Del Vecchio überraschend mit Kritik an Nagels Geschäftsführung an die Öffentlichkeit gegangen – ausgerechnet im Vorfeld der Hauptversammlung am 28. Oktober und der Präsentation eines neuen Drei-Jahres-Strategieplans am 12. November. Nagel will dabei auf Kontinuität setzen. Das gefällt Del Vecchio gar nicht. Der 84-jährige Patriarch, der sieben Kinder mit drei Frauen hat und bisher nicht als Banker in Erscheinung getreten ist, macht dem CEO, der seit 1991 bei Mediobanca arbeitet, Vorgaben. Er erwarte, dass künftig nicht nur auf die Verbraucherkreditsparte Compass und die Erlöse aus der Generali-Beteiligung von 13 % gesetzt, sondern das Investment Banking ausgebaut werde, so Del Vecchio, der auch an der Versicherung Generali und an Unicredit beteiligt ist. Die Bank muss nach seiner Ansicht eine Führungsrolle auf diesem Gebiet in Italien – dort ist sie längst Nummer 1 – und in Europa spielen und die Zufriedenheit der Aktionäre – Delfin inclusive – sicherstellen. Delfin ist Del Vecchios Beteiligungsholding.Nun herrscht allgemein Rätselraten, was Del Vecchio antreibt. Denn Nagel wird in der Finanzwelt allgemein geschätzt. Der Vater zweier erwachsener Kinder, der mit einer führenden Managerin des Versicherers Aon verheiratet ist und privat zwischen Mailand und London pendelt, hat das Wealth Management und die Konsumentenkreditsparte, die zusammen mittlerweile 60 % zu den Einnahmen beisteuern, in den vergangenen Jahren bewusst ausgebaut – auch mit Akquisitionen. Er wollte die Abhängigkeit vom volatilen Investment Banking reduzieren. Analysten zollen ihm dafür Beifall. Und andere Institute wie Goldman Sachs gehen einen ähnlichen Weg. Auch die institutionellen Anleger, die etwa 40 % des Kapitals stellen, tragen diese Strategie mit.Die Motive Del Vecchios, der bald größter Anteilseigner sein dürfte, zumal Unicredit und Bolloré ihre Anteile verkaufen wollen, sind unklar. Nachdem der über Jahrzehnte bestehende Aktionärspakt, der die Mediobanca schützte, aufgelöst wurde, hat der neue Aktionär durchaus Störpotenzial. Dominanten Einfluss kann er jedoch nicht gewinnen. So vermuten manche Beobachter einen Rachefeldzug. Del Vecchio soll immer noch verärgert sein wegen eines Streits um ein Onkologiezentrum, für das er großzügig spenden wollte. Diverse Banker, darunter Nagel, die an dem Projekt mitwirken sollten, waren jedoch mit Del Vecchios Vorstellungen nicht einverstanden und stiegen aus.