Quartalssaison

US-Banken wird die Geldflut unheimlich

Mit unerwartet starken Zahlen haben vier der fünf großen Wall-Street-Banken die Quartalssaison eingeleitet. Wesentlicher Wachstumstreiber ist das Fusionsgeschäft, das dank Liquiditätsschwemme boomt. Trotzdem plädieren ausgerechnet Goldman Sachs und Morgan Stanley für eine straffere Geldpolitik.

US-Banken wird die Geldflut unheimlich

lee Frankfurt

– Die US-Banken haben die Quartalssaison mit unerwartet starken Zahlen eröffnet. Nachdem bereits die am Vortag veröffentlichten Zahlen von J.P. Morgan Chase die Erwartungen der Analysten übertroffen hatten, legten am Donnerstag Morgan Stanley, Citigroup und Bank of America nach, deren Zahlen zum Teil weit über den Konsensschätzungen der Analysten lagen.

Unisono zeigten sich die Banker zuversichtlich für eine baldige Erholung von der Coronakrise. Daran ändern auch die aktuellen Schwierigkeiten, mit denen sich ihre Kunden wegen der durch die Pandemie unterbrochenen Lieferketten zurzeit herumschlagen müssen, wenig. „In einem Jahr wird das Thema der Vergangenheit angehören“, so J.-P.-Morgan-Chef Jamie Dimon bereits am Mittwoch.

Dank der verbesserten konjunkturellen Aussichten, die sich auch in einem anziehenden Kredit- und Einlagengeschäft widerspiegelten, löste nicht nur J.P. Morgan Chase im großen Stil die im vergangenen Jahr gebildeten Reserven für drohende Kreditausfälle wieder auf. Auch die Citigroup und die Bank of America konnte einen Teil der gebildeten Rückstellungen auflösen, was die auch operativ durchaus erfreulichen Zahlen ordentlich aufhübschte (siehe Tabelle).

Beratungsgeschäft floriert

Etwas anders stellt sich die Lage bei Morgan Stanley dar, die dank des Fokus auf das Wealth Management, Investment Banking, Handel und Investmentmanagement stärker als die Wettbewerber vom Kapitalmarkt abhängt und den Löwenanteil ihrer Einnahmen über Provisionen erzielt. Für den spektakulären Gewinnsprung von 38% auf 3,58 Mrd. Dollar war keine Auflösung von Rückstellungen verantwortlich, sondern vor allem der M&A-Boom, der kaufwillige Unternehmen und Finanzinvestoren die Beratung der Investmentbanker suchen ließ. In diesem Geschäftsfeld, das sich auch bei den Wettbewerbern hervorragend entwickelte, erzielte Morgan Stanley im abgelaufenen Jahr einen neuen Rekord. Mit knapp 1,3 Mrd. Dollar nahmen ihre M&A-Experten mehr als dreimal so viel ein wie im Vorjahresquartal, in dem sich die Einnahmen aus der Beratungstätigkeit auf 357 Mill. Dollar summiert hatten.

Der Boom, den das Geschäft mit Firmenübernahmen derzeit erlebt, dürfte zu einem großen Teil der lockeren Geldpolitik geschuldet sein, mit der die Notenbanken rund um den Globus die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern versuchen. Die dadurch im Umlauf befindliche Liquidität will angelegt werden, was nicht bloß strategische Investoren, sondern vor allem auch Private-Equity-Firmen und andere Finanz­investoren zu Firmenübernahmen antreibt.

Umso überraschender ist es, dass sich nun ausgerechnet der Morgan-Stanley-Chef James P. Gorman dafür ausgesprochen hat, die geldpolitischen Zügel doch bitte wieder etwas anzuziehen. „Man muss in diese Blase ein bisschen hineinpieksen“, sagte der Manager am Donnerstag in einem Bloomberg-Interview. Geld sei derzeit ein bisschen zu leicht zu haben.

Kein temporäres Phänomen

Natürlich möchte der Manager sicher nicht auf die sprudelnden Gewinne im Investment Banking verzichten. Was ihn umtreibt, ist vielmehr die Angst vor Inflation, die durch steigende Löhne, Lieferengpässe und steigende Rohstoff- und Energiepreise befeuert wird. Gorman hält keines dieser Phänomene für temporär. Die US-Notenbank müsse daher beherzter agieren, als manche Beobachter für möglich hielten. An der Stelle der Fed würde er spätestens im ersten Quartal des kommenden Jahres die Zinsen anheben, vertraute der Banker den Journalisten an. „Sie haben einen großen Bewegungsspielraum“, so Gorman. Ein Zinsschritt im kommenden Jahr käme nicht unerwartet.

Mit diesem Plädoyer steht der Chef von Morgan Stanley keineswegs allein da. Auch John Waldron, Präsident der Investmentbank Goldman Sachs, die am heutigen Freitag als letzte der großen US-Banken ihre Zahlen für das dritte Quartal präsentiert, zeigt sich wegen der Rückkehr der Inflation besorgt, weil er dies nicht für eine temporäre Entwicklung hält, die sich von selbst wieder legen wird. Ähnlich hatte sich am Mittwoch auch der Chef des weltgrößten­ Vermögensverwalters Black­Rock in einem Interview von CNBC geäußert. Und auch Dimon, der sich mit Blick auf die Lieferengpässe so zuversichtlich gegeben hatte, hält die Inflation für ein dauerhaftes Problem für die US-Wirtschaft.

In Europa, für dessen Banken das Kreditgeschäft eine deutlich größere Rolle spielt, dürfte kaum jemand der Forderung nach einer allmählichen Straffung der Geldpolitik widersprechen wollen. Die fulminante Vorlage der US-Banken, die ihre Zahlen traditionell­ etwas vor den europäischen Wettbewerbern veröffentlichen, lässt auch hierzulande viele Anleger auf eine starke Quartalssaison hoffen. Spannend wird insbesondere zu beobachten, wie sich die Deutsche Bank geschlagen hat, nachdem nun fast alle US-Wettbewerber von einem deutlichen Rückgang im Anleihehandel berichtet haben.

Wall-Street-Banken verdienen mehr
Konzernzahlen nach US-GAAPMorgan Stanley Bank of AmericaCitigroup
3. Quartal 3. Quartal3. Quartal
in Mill. Dollar202120202021202020212020
Nettoerträge 14 75311 72122 766 20 33617 15417 302
Nettozinserträge 2 3512 05611 09410 129 12 65013 314
Nichtzinserträge12 69010 23511 67210 2076 7566 809
Kreditrisikovorsorge124111−6241 389 −1 162436
Operativer Aufwand 9 8558 12314 440 14 40111 48410 964
Ergebnis vor Steuern 4 8743 4878 950 5 9355 8623 954
Konzernergebnis 3 7242 7517 6914 8814 6443 146
Kernkapitalquote (CET1; %)216,017,411,111,9 11,711,7
1) negativer Wert: Auflösung; 2) StandardansatzBörsen-Zeitung
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