US-Regionalbankenkrise holt KPMG ein
US-Regionalbankenkrise holt KPMG ein
US-Regionalbankenkrise holt Wirtschaftsprüfer KPMG ein
Demokratische Senatoren kritisieren „mutwillige Ignoranz“ von Risiken bei Audits bei den kollabierten Silicon Valley Bank und Signature Bank
xaw New York
Zweieinhalb Jahre nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) hallt ein düsteres Echo durch die amerikanische Wirtschaftsprüfer-Szene. Die „Big Four“-Gesellschaft KPMG habe vor dem Ausbruch der US-Regionalbankenkrise schwere Mängel bei den kollabierten Geldhäusern ignoriert, kritisieren demokratische Senatoren in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht.
Testat kurz vor Kollaps
Die Wirtschaftsprüfer hätten die Probleme bei der SVB sowie den ebenfalls gescheiterten Signature Bank und First Republic Bank seit Jahren gekannt, die Jahresabschlüsse der Institute aber dennoch uneingeschränkt testiert. Dies zeige „die mutwillige Ignoranz von KPMG und macht deutlich, dass bedeutende Reformen in der Wirtschaftsprüferbranche notwendig sind, um die Transparenz zu fördern und Verbraucher besser zu schützen“, sagte Richard Blumenthal, ranghöchstes demokratisches Mitglied im ständigen Senatsunterausschuss für Ermittlungen.
Die Banken brachen im Frühjahr 2023 zusammen, nachdem rapide Zinserhöhungen der Federal Reserve sie unter Liquiditätsdruck gebracht hatte. Regulatoren monierten im Anschluss massive Lücken im Risikomanagement der drei Geldhäuser, die sich gezwungen sahen, in großem Stil eigentlich bis zur Fälligkeit eingeplante Anleihen abzustoßen und damit schwere Verluste zu realisieren: Das beschleunigte aber nur noch den Run von Einlagenkunden auf ihre Depositen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Steven Senne
KPMG zeichnete den Auditbericht für die Dachholding der SVB am 24. Februar 2023 gegen. Nur 14 Tage später geriet das Geldhaus unter Zwangsverwaltung der Einlagensicherung FDIC. Am 12. März machte der Staat New York die Signature Bank dicht, deren Abschluss für 2022 nur elf Tage zuvor das Testat von KPMG erhalten hatte. Schon damals wurde Kritik an den Prüfern laut. KPMG betonte, nicht für Vorgänge zuständig zu sein, die sich nach dem Audit abgespielt hätten.
Accounting-Firma weist Kritik zurück
Die Accounting-Firma sagte vor dem Senat überdies aus, sie sei nicht für „riskante oder sogar leichtsinnige Geschäftsstrategien“ eines Kunden verantwortlich. Der von den Demokraten veröffentlichte Bericht stelle eine „fehlgeleitete und fehlerhafte Meinung“ dar, die wichtigen Kontext unterschlage. Das Unternehmen halte an den Meinungen aus den Audits fest. Das California Department of Financial Protection and Innovation bescheinigte seinerzeit, die SVB habe sich bis zum Einlagenschwund am 9. März robuster Gesundheit erfreut.
Allerdings erreichten die Depositen des Geldhauses bereits im ersten Quartal 2022 ihren Zenit und gingen in den letzten neun Monaten des Jahres um 25 Mrd. Dollar bzw. 13% zurück – also schon während der Auditperiode. Wirtschaftsprüfer sollen vor Risiken für Unternehmen warnen, deren Abschlüsse sie testieren, und prüfen, „ob substanzielle Zweifel an der Fähigkeit einer Gesellschaft bestehen, ihre Geschäftsaktivitäten fortzuführen“. In einem Abschnitt zu „kritischen Audit-Angelegenheiten“ konzentrierte sich KPMG auf die Accounting-Praktiken der SVB bei Kreditausfällen. Dabei nicht zur Sprache kam allerdings, inwiefern die Bank in der Lage sein würde, Schuldtitel in ihren Portfolios bis zur Fälligkeit zu halten – Verluste auf dem Papier müssen Finanzinstitute in einem solchen Szenario anders als bei zum Verkauf vorgesehenen Anleihen nicht gesondert ausweisen.
„Diese Branche ist ein Witz“
Bei der Signature Bank habe KPMG „glaubwürdige Vorwürfe weitreichenden Betrugs abgetan“ und vor dem Kollaps des New Yorker Hauses Mängel in der Buchführung gerechtfertigt, kritisieren die demokratischen Senatoren. Die Auswertung der Kommunikation zwischen den Wirtschaftsprüfern und der Bank zeige, dass sich das Audit-Team wiederholt bemüht habe, wichtige Dokumente und Informationen vom Management zu erhalten. Dabei sei es insbesondere um die Bewertung des Signature-Kreditportfolios gegangen.
Ein Prüfer habe seine Frustration im Januar 2023 in einer Textnachricht an einen Kollegen zum Ausdruck gebracht. KPMG-Partner Mike Keehlwetter habe den Mitarbeiter aufgefordert, „herauszufinden, wie das Management den Fair Value seiner Kredite ermittelt und daraus irgendetwas zusammenzustellen“. Er solle „verstehen, wie sie das machen und ein paar Stichpunkte zusammenschreiben“. Dies sei „immer noch besser als das, was wir aktuell haben, nämlich gar nichts“. Im Zuge des Austausches habe der Prüfer geschrieben, „diese Branche ist ein Witz und unsere Regulatoren sind ein Witz“.
Regulatorische Verwerfungen
Der Bericht der Senatoren wird zu einem Zeitpunkt öffentlich, zu dem US-Präsident Donald Trump einen Deregulierungskurs im Finanzsektor vorantreibt. Der Unterausschuss legt sich nicht klar dazu fest, ob die Testate für die Abschlüsse von SVB und Signature Auditing-Standards verletzt haben. Allerdings zeigten die Vorgänge, wie umfassend Wirtschaftsprüfer über Mängel bei Firmen unterrichtet sein könnten, bevor diese öffentlich würden. Für die Arbeit an den Berichten von SVB, Signature und First Republic Bank für das Jahr 2022 habe KPMG fast 20 Mill. Dollar in Rechnung gestellt. Die Prüfer seien nie dazu aufgefordert worden, die Erlöse zurückzuführen.

picture alliance / Anadolu | Nathan Posner
Das Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB), der Regulator der amerikanischen Wirtschaftsprüfer, will sich in der Angelegenheit nicht äußern. Die 2002 de facto als Nonprofit-Organisation aufgesetzte Behörde hat in ihrer jungen Geschichte bereits zahlreiche Führungswechsel durchgemacht und steckt wieder im Umbruch. Ihre Vorsitzende Erica Williams, die in der vergangenen Legislaturperiode noch mit härteren Auditing-Standards durchzugreifen suchte, trat im Juli nach Aufforderung von SEC-Chef Paul Atkins zurück – das PCAOB ist der US-Börsenaufsicht untergeordnet.
Zweifel an Reformen
Republikaner im Kongress zielten ursprünglich sogar darauf ab, die Behörde im Rahmen von Trumps Mega-Steuerpaket, der „Big, Beautiful Bill“, aufzulösen und in der SEC aufgehen zu lassen. Letztlich entging sie diesem Schicksal. Dass das PCAOB im aktuellen Umfeld aber die von Demokraten geforderte Reform der Wirtschafsprüferbranche umsetzen kann, daran haben Analysten erhebliche Zweifel.
