Vermögensverwalter auf Verjüngungskurs
Manchmal trägt eine Regulierung ungeahnte Blüten: Weil die Gründung einer Vermögensverwaltung vor zwei Jahrzehnten vereinfacht wurde, stammen viele Firmen von heute aus damaliger Zeit – und stehen nun vor einem Inhaberwechsel. Fingerspitzengefühl ist gefragt, denn Kunden schätzen Beziehungen. Von Jan Schrader, FrankfurtBei seinem Einstieg bei Maneris hat Andreas Muhl bereits ein funktionierendes Unternehmen vorgefunden, wie er sagt. Doch als wenig später die Verhandlung über die Nachfolge in der Vermögensverwaltungsfirma aus Siegen begann, zog ein weiteres Jahr ins Land, bis die Übergabe endlich geklärt war. Nicht nur mit dem Gründer Alexander Weber musste sich Muhl einigen, sondern auch mit seinen Mitgesellschaftern und Vorstandskollegen Heiko Vitt und Peter Engel, wie er erzählt. “Da gibt es Momente, in denen man sich sehr tief in die Augen schaut”, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Vor allem die Firmenbewertung sei eine knifflige Frage gewesen. Doch der Wechsel sei geräuschlos geglückt, keiner der Kunden – Unternehmerfamilien aus dem Siegerland – sei abgesprungen. Seit 2014 führt Muhl die Firma, die wenig mehr als eine Handvoll Mitarbeiter zählt und etwa 200 Mill. Euro verwaltet.Die Übergabe lief aus Sicht des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland (VuV) derart vorbildlich, dass Muhl Kollegen der Zunft von seinen Erfahrungen berichteten sollte. Die Gruppe der unabhängigen Vermögensverwalter, von denen es in Deutschland laut Schätzung des Verbands 400 bis 450 gibt, steht vor einem “sich beschleunigenden Generationswechsel”, wie der VuV warnt. Nach einer Finanzmarktnovellierung 1998 hatten sich viele Profis aus der Bank- und Fondsbranche losgesagt und mit einer Lizenz als Finanzportfolioverwalter eine eigene Firma gestartet. Viele Gesellschaften verorten ihre Gründung daher um die Jahrtausendwende. Firmenlenker waren damals typischerweise bereits berufserfahren und sind heute oft um die 60 Jahre alt. Genaue Daten gibt es nicht, doch auf Konferenzen seien viele ältere Herren anzutreffen, wie Muhl sagt.Der Wechsel ist persönlich anspruchsvoll: Viele der Gründer – Gründerinnen sind in der Branche noch immer selten zu finden – wollten damals frei sein von Konzernstruktur und Vertriebsvorgaben. Viele sind von einer bestimmten Anlagestrategie überzeugt. Nicht allen fällt es leicht, Kontrolle abzugeben. Mitunter führen sie ihre kleinen Firmen bis ins hohe Alter fort.Andere Vermögensverwalter vertrauen ihre Kundenkontakte einem Berufskollegen an. So steht die Frankfurter Source for Alpha mit verschiedenen Firmen im Gespräch, wie Christian Funke, einer der Leiter und Gründer der Firma, berichtet. 2017 hatte das Unternehmen, das heute rund ein Dutzend Mitarbeiter zählt und ein niedriges dreistelliges Millionenvolumen verwaltet, Kundenmittel der Wiesbadener Premium Asset Management übernommen, nachdem deren Chef Wolfgang Zillich die Lizenz zur Finanzportfolioverwaltung aufgegeben hatte.Viele Vermögensverwalter führen oft winzige Firmen, die mit einer Handvoll Mitarbeiter einen zwei- oder niedrigen dreistelligen Millionenbetrag verwalten. Gerade wenn Strukturen eines Unternehmens fehlten, sei der Übergang schwierig, sagt Funke. Die Vorgaben der EU-Richtlinie Mifid II, die umfassende Dokumentationspflichten und Aufzeichnungen von Telefongesprächen mit sich bringt, oder die Vorgaben für die IT seien zusätzliche Hürden für Gründer. Verwandte Berufsgruppen wie Finanzanlagenvermittler sind – obwohl ebenfalls von Nachfolgefragen und Regulierung geplagt – zum Teil deutlich größer.Einen Rückgang der Anzahl der Vermögensverwalter macht der Verband VuV gleichwohl nicht aus, wie der Vorstandsvorsitzende Andreas Grünewald in einer schriftlichen Antwort mitteilt: “Derzeit hält sich die Anzahl der Neugründungen und der Schließungen ungefähr die Waage.” Der Verband sei “ganz zuversichtlich, dass junge Nachfolger gefunden werden oder sich Unternehmen zusammenschließen”. Dabei hatte der Verband der Branche erst vor einigen Monaten einen “zunehmenden Konsolidierungsdruck” attestiert. Gerade mittlere und kleinere Firmen spüren demnach die Regulierung. Modell Ehrhardt oder Lingohr?Ein Übergang braucht Zeit: Die Stabübergabe kann sich über viele Jahre hinwegziehen. Die Führung der DJE Kapital, der Firma des Fondsmanagers Jens Ehrhardt, geht peu à peu an den Sohn Jan Ehrhardt über, der schon 2003 als Fondsmanager einstieg und auch heute als stellvertretender Vorstandsvorsitzender formal hinter seinem Vater agiert. Mit einer hauseigenen Datenbank und dem Online-Vermögensverwalter Solidvest hat der Sohn bereits wesentliche Projekte in die Wege geleitet. Einen Verkauf hatte der Vater Jens Ehrhardt in früheren Jahren bereits abgelehnt. Mit einem milliardenschweren verwalteten Volumen zählt DJE Kapital zu den Dickschiffen der Branche.Bei den Ehrhardts bleibt die Firma in den Händen der Familie. Der Vermögensverwalter Lingohr & Partner hat die Geschäfte hingegen nach und nach an vertraute Mitarbeiter übergeben. Bereits im Bewerbungsgespräch 2011 habe er sich auf anregende Weise mit dem Gründer Frank Lingohr unterhalten, erzählt der heutige Firmenchef Goran Vasiljevic. Früh wurden er und sein Kollege Steffen Ulshöfer in Entscheidungen und Kundengespräche eingebunden. Bereits 2014 hat Lingohr mit dem heute 38-jährigen Vasiljevic über die Firmennachfolge gesprochen, wie der junge Firmenlenker sagt. Nachdem Lingohr 2015 früh verstarb, ging die Leitung für kurze Zeit an den erfahrenen Michael Broszeit über, ehe Vasiljevic im April 2018 die Führung endgültig übernahm. Die Kunden, also institutionelle Investoren, Vertriebspartner, vermögende Privatpersonen und Family Offices, akzeptierten das junge Alter der Führung auch deshalb, weil die beiden Manager von Anfang an früh eingebunden wurden, sagt der 37-jährige COO Steffen Ulshöfer. Vor wenigen Tagen verabschiedete sich der 61-jährige Broszeit in den Ruhestand.Der Wert eines Vermögensverwalters ergibt sich aus den Kundenkontakten. Beziehungen seien oft über Jahrzehnte gewachsen, sagt Maneris-Chef Muhl. Ein Wechsel biete die Chance, Kunden mit neuer Expertise an sich zu binden, etwa durch die Nutzung zeitgemäßer Instrumente wie Derivate oder ETFs. Zugleich sei es wichtig, das Bewährte zu betonen. “Die Kunden schätzen eine gute Verknüpfung von Tradition und Innovation.” Genau da liegt wohl die Herausforderung der Branche.