Assekuranz

Versicherer kämpfen mit IFRS 17

Die Einführung des neuen Bilanzierungsstandards IFRS 17 stellt viele Versicherer vor große Probleme. Zum 1. Januar 2023 wird die vollumfängliche Implementierung nur einer Minderzahl gelingen.

Versicherer kämpfen mit IFRS 17

tl Frankfurt

Die vollumfängliche Einführung des neuen Regelwerks IFRS 17 wird den meisten Versicherern fristgerecht zum 1. Januar 2023 nicht gelingen. Dies ergab die dritte Umfrage zum neuen Bilanzierungsstandard für Versicherungsverträge, die WTW (früher Willis Towers Watson) bei 270 Versicherern in 45 Ländern (darunter Deutschland, Großbritannien, USA, China und Australien) durchgeführt hat.

40 Prozent halten Frist ein

Von den befragten 26 multinationalen Gruppen erwarten nur 40%, dass sie IFRS 17 detailliert und fristgerecht implementieren können. Von den übrigen befragten 244 Versicherern gehen sogar 80% davon aus, dass die rechtzeitige Einführung nur durch signifikante Vereinfachungen oder ohne tiefes Verständnis der Zahlen möglich sein wird. Für Simon Kazmierowski, Versicherungsexperte bei WTW ist es „entscheidend, dass die Firmen sich auf die wirklich materiellen, noch bestehenden Lücken be­schränken, die in jedem Fall bis Ende des Jahres geschlossen werden müssen. Die weniger kritischen Punkte schieben viele Unternehmen ins Jahr 2023.“ Dies werde zur Folge haben, dass der neue Abschlussprozess, der dann erstmals im April 2023 durchgeführt wird, etwas holpriger, z.B. unter Verwendung zahlreicher Be­helfslösungen vonstattengehen wird, erwartet Kazmierowski.

Die größten Probleme gibt es laut Umfrage in den Bereichen Daten, Systeme und Prozesse. „Die Berechnungen unter IFRS 17 stellen höhere Anforderungen an die Granularität und Menge der Daten, die deutlich über die aktuelle Praxis hinausgeht“, erläutert Kazmierowski. Das erfordere die Umstellung der Datenhaltungssysteme und sei ausgesprochen herausfordernd. Denn „Daten, die üblicherweise in unterschiedlichen Systemen vorgehalten werden, müssen verknüpft werden, was nicht immer einfach ist.“ Außerdem müssten unterschiedliche Systeme übereinander gebracht und harmonisiert werden. „Das erfordert aufseiten der IT einen großen Aufwand und ist sehr zeitaufwendig.“

Kazmierowski weist außerdem darauf hin, dass Accountants und Aktuare über den gesamten Ab­schlussprozess enger zusammenarbeiten müssen als in der alten Welt. „Zum Teil erstreckt sich dies auch bis ins Underwriting und in die Produktentwicklung. Dies erfordert eine angepasste Ablauforganisation und klare Verantwortlichkeiten“, so der WTW-Berater. Seit Jahren ist es ex­trem schwierig, qualifiziertes Personal zu finden. In den kommenden zwei bis drei Jahren werden laut WTW mehr als 10000 Personen mit der Umsetzung von IFRS 17 beschäftigt sein. Für Kazmierowski werden „die kommenden sechs bis zwölf Monate von entscheidender Be­deutung sein, um in den Umsetzungsprojekten die richtigen Weichen zu stellen.“

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die geschätzten weltweiten Gesamtkosten für die Umstellung in den Unternehmen weiter auf 18 bis 24 Mrd. Dollar gestiegen sind. In der vorherigen Befragung von 2021 wurden diese Kosten noch auf 15 bis 20 Mrd. Dollar veranschlagt.

IFRS 17 regelt die Bilanzierung von Versicherungsverträgen, also ihre Erfassung, Bewertung und den Ausweis im Geschäftsbericht. Damit soll das Berichtswesen erstmals weltweit einem einheitlichen Standard unterliegen, was zu einer größeren Transparenz führen soll. Das Regelwerk ersetzt den bisherigen Standard IFRS 4.

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