Versicherungsaufsicht geht Private Equity an
Versicherungsaufsicht geht Private Equity an
Exekutivdirektor Frank Grund kritisiert Run-off-Spezialisten deutlich
ak Bonn
Der oberste Versicherungsaufseher der Republik hat deutliche Kritik an den in Deutschland tätigen Abwicklern von Lebensversicherungsbeständen geäußert. Frank Grund warf Marktteilnehmern vor, die aufsichtsrechtlichen Ermessensspielräume unangemessen auszunutzen. „Wir beobachten in der Praxis erstaunlich kreative Ansätze bei der Berechnung der Solvenzquote“, sagte der scheidende Exekutivdirektor bei der BaFin-Jahrestagung der Versicherungsaufsicht in Bonn.
„Ich meine damit zum Beispiel unter anderem die auf externe Run-offs spezialisierten Unternehmen. Mit ihnen kamen hierzulande Usancen auf, die wir so noch nicht kannten.“ Die Run-off-Spezialisten im deutschen Markt befinden sich alle in Händen von Private-Equity-Investoren. „Klar ist, dass eine vor allem renditeorientierte Aktionärsstruktur die Gefahr erhöht, dass regulatorische Spielräume unangemessen genutzt werden“, sagte Grund. Da würden zum Beispiel sehr optimistische Annahmen bei der Ermittlung der versicherungstechnischen Rückstellung – Stichwort Inflation – getroffen, um eine möglichst hohe Solvenzquote zu erreichen.
BaFin kritisiert mangelnde IT-Sicherheit
Auch das Thema IT treibt die BaFin um. Eine Untersuchung zum Zustand der IT-Systeme in den vergangenen Monaten bezeichnete Grund als „branchenweit sehr ernüchternd“. Die Branche müsse sich sehr viel besser gegen die Bedrohung der IT-Sicherheit wappnen. „Wir haben auch in der Versicherungswirtschaft erfolgreiche Cyberattacken gesehen“, sagte Grund. Bekannt ist zum Beispiel der Angriff auf die Haftpflichtkasse in Darmstadt.
Die BaFin hatte gegen einige Versicherer als Konsequenz mangelnder IT-Sicherheit Kapitalzuschläge verhängt. Bekannt ist, dass die Axa Krankenversicherung dazu zählt. Auch die Allianz soll Berichten zufolge zu den Gesellschaften zählen, bei den die Aufsicht Mängel festgestellt hat. Laut Grund geht es bei den Beanstandungen häufig um das Berechtigungsmanagement, wer Zugang zu sensiblen Daten und Systemen hat sowie um Ausgliederungen von IT-Aufgaben an externe Dienstleister.
Als neues aufsichtsrechtliches Themenfeld bezeichnete Grund künstliche Intelligenz (KI). Es gehe darum, ob sensible Daten ausreichend geschützt oder Kundengruppen durch KI diskriminiert würden. Für die Aufsicht gehe es jetzt darum, ihre Erwartungen zu formulieren, erläuterte Grund. Aber eines sei schon jetzt klar: „Es ist wichtig, dass Versicherer neue Technologien verantwortungsvoll einsetzen.“ Gerade zu Beginn müssten die Weichen jetzt richtig gestellt werden. „Erfahrungen wie mit unseren aktuellen IT-Prüfungen kann und sollte sich die Branche ersparen.“
Dank vom BaFin-Chef
BaFin-Chef Mark Branson sprach Grund in einem sehr persönlichen Grußwort seinen Dank aus. Der 65-Jährige scheidet Ende September nach acht Jahren an der Spitze der Versicherungsaufsicht aus. Die Nachfolge, so Branson, sei geregelt, aber noch nicht kommunizierbar.
Der BaFin-Chef blickte auch in die Zukunft: „Wir müssen die Aufsicht auch jenseits der Solvenzaufsicht weiter stärken.“ Deutschland habe wie 17 andere Länder von der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA schlechte Noten in Sachen Produktaufsicht erhalten.
Frank Grund habe schon einiges getan, um Exzesse zu stoppen, sagte Branson. Manche Lebensversicherungen seien jedoch so teuer, dass sie sich nicht lohnten. Die Informationen seien schwer verständlich und die Anreize für den Vertrieb schlecht gesetzt. Die BaFin hatte mit einem Merkblatt zu den hohen Kosten einiger Lebensversicherer im Mai den Druck auf die Anbieter erhöht. Sie hatte ankündigt, sich das obere Viertel der Lebensversicherer mit den höchsten Effektivkosten und den höchsten Provisionen genauer anzuschauen. Laut Grund laufen mehrere Prüfungen. Mit einem Unternehmen sei die BaFin in sehr konkreten Gesprächen.
