Versicherungspolicen werden grün
Von Antje Kullrich, Köln
Nachhaltigkeit ist für die Versicherungswirtschaft eines der Trendthemen. Jetzt erreicht der grüne Anstrich auch den Vertrieb. Die Unternehmen fangen an, auf grüne Versicherungsprodukte zu setzen. Die Ergo kündigte in dieser Woche eine Eco-Rente an, mit der sie sich nach eigener Aussage in einer Vorreiterrolle sieht. Bei dieser fondsgebundenen Rentenversicherung werden die Kundengelder ausschließlich in Nachhaltigkeitsfonds angelegt. Risikoträgerin ist die Luxemburger Tochter Ergo Life, die sich Nachhaltigkeit ganz dick auf die Fahnen geschrieben hat und nach eigenen Angaben den eigenen Geschäftsbetrieb bereits klimaneutral gestaltet hat.
Doch auch andere Versicherer spielen die grüne Karte in ihrem Vertrieb. Die Stuttgarter Leben hat die Grüne Rente im Angebot, die die eingezahlten Beiträge in nachhaltige Kapitalanlagen investiert. Mit dem Produkt, das es bereits seit 2013 gibt, sieht sich der mittelständische Lebensversicherer als einer der Pioniere in der nachhaltigen Altersvorsorge. Nach Angaben eines Sprechers ist die Nachfrage im vergangenen Jahr geradezu explodiert. Der Anteil der Grünen Rente am Neugeschäft 2020 habe sich von 10 auf 19% fast verdoppelt. „Was zum Zeitpunkt der Markteinführung 2013 eher auf eine kleinere Zielgruppe ausgerichtet war, ist heute Mainstream“, stellt die Stuttgarter Leben fest. Die Fridays-for-Future-Bewegung habe das Thema Nachhaltigkeit vollends etabliert. Bis heute hat die Stuttgarter Leben rund 18000 grüne Verträge verkauft.
Im Gegensatz zu Banken spielen explizit grüne Versicherungsprodukte oder grüne Versicherer dennoch bislang kaum eine Rolle – was auch die trotz der erhöhten Nachfrage überschaubare Stückzahl der Stuttgarter im Vergleich zum milliardenschweren Gesamtmarkt zeigt. Einige wenige kleine Makler haben sich in der Nische auf das Thema spezialisiert. Im Kreditgewerbe sieht das anders aus: Dort haben sich Institute wie die GLS Bank oder die Umweltbank seit Jahren fest etabliert. Sie sind zwar ebenfalls noch vergleichsweise klein, aber deutlich präsenter.
Die Versicherer haben sich dem Thema Nachhaltigkeit bislang vor allem über ihre Kapitalanlagen genähert. Hier ist die Beschäftigung mit ESG-Kriterien mittlerweile Standard, der Druck auch von Seiten der Aufsicht und der EU steigt.
Dagegen sehen Kritiker in explizit als grün ausgewiesenen Versicherungsprodukten auch die Gefahr von Greenwashing bzw. einen stark marketinggetriebenen Ansatz.
Positionspapier des GDV
Bei der Barmenia ist der Nachhaltigkeitsgedanke bereits in der gesamten Produktpalette verankert, auch wenn sie ihre Policen nicht explizit grün nennt. So gibt es neben nachhaltigen Fonds in der Lebensversicherung CO2-Nachlässe in der Autoversicherung oder im Schadenfall in der Hausratversicherung den Ersatz eines zerstörten Elektrohaushaltsgeräts durch ein Produkt in der höchsten Energieeffizienzklasse. „Nachhaltigkeit muss das ganze Unternehmen durchdringen“, sagt Stephan Bongwald, der als Nachhaltigkeitsbeauftragter der Barmenia 2012 einer der ersten in Deutschland war. Wie kann Nachhaltigkeit im Kerngeschäft untergebracht werden, und wie ist es kalkulatorisch sinnvoll? So lauten für Bongwald die Fragen, die sich ein Versicherer stellen sollte.
Das Präsidium des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat im Januar ein Positionspapier zur Nachhaltigkeit der deutschen Versicherer veröffentlicht. Darin werden viele Ansätze genannt, allerdings beruht alles auf Freiwilligkeit und guten Absichten. Die Versicherer „streben an“ und „bekennen sich“, Selbstverpflichtungen der Branche sind nicht Teil des Papiers.
Auch zur Nachhaltigkeit von Versicherungsprodukten gibt es Absichtserklärungen: „Die Versicherer streben an, das Angebot an nachhaltigen Versicherungsprodukten auszubauen“, hießt es in dem Statement. Die Möglichkeiten in der Produktgestaltung sind groß und vielschichtig. Für Sachversicherungen verweist der GDV auf innovative Versicherungskonzepte à la „nutzen statt besitzen“, „Reparatur statt Austausch“ oder E-Mobilität. Der Verband beschreibt das als zielgerichtete Klimafolgenanpassung bei Reparatur und Wiederaufbau zerstörter Sachwerte. „Die Versicherer werden bis 2025 zunehmend Nachhaltigkeitskriterien in ihre Praxis der Schadenregulierung integrieren“, schreibt der GDV in seinem Positionspapier.