IM GESPRÄCH: ZENO STAUB

Vontobel übt sich in Selbstfindung

Zürcher Bank frischt Markenauftritt auf und nutzt die Gelegenheit für einen kritischen Blick in den Spiegel

Vontobel übt sich in Selbstfindung

Die Zürcher Bank Vontobel gibt sich einen neuen Anstrich. Eine perfekte Gelegenheit für einen kritischen Blick in den Spiegel, meint CEO Zeno Staub.Von Daniel Zulauf, ZürichDie Schweizer Bank Vontobel hat ihren Markenauftritt modernisiert. Wer Vontobel-Chef Zeno Staub über das aufgefrischte Auftreten der alteingesessenen Zürcher Wertpapierhandels- und Vermögensverwaltungsbank reden hört, versteht schnell, dass der leicht veränderte Schriftzug und das neue Farbenkonzept in dem vormals hellblau unterlegten Firmenlogo nur die äußeren Zeichen eines tiefergehenden Prozesses darstellen. Es seien inzwischen recht viele Leute im Betrieb, die zusammen in den Spiegel schauten. “Wir wollen sicher sein, dass wir dort alle das Gleiche sehen”, so Staub im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Vontobel habe die “Identität geschärft”, heißt es in der gestern verbreiteten Medienmitteilung. Es sei nicht darum gegangen, Vontobel neu zu erfinden, sondern vielmehr nach Jahren starken Wachstums “die DNA unseres Unternehmens wieder deutlich sichtbar zu machen und für die Zukunft zu übersetzen”, wird Staub zitiert. Der Manager war 2001 in die Bank eingetreten, als sie noch gut 800 Angestellte zählte. 16 Jahre und vier Akquisitionen später stehen fast 1 700 Namen auf der Lohnliste. Damit ist Vontobel zwar immer noch eine überschaubare Bank, aber doch schon viel zu groß, als dass der CEO das Risiko eingehen würde, die Entwicklung der Organisation sich selbst zu überlassen.”Sobald in einer Firma nicht mehr alle Leute auf dem gleichen Stock sitzen, werden Kultur-, Führungs- und Personalfragen zum Thema”, sagt Staub, der nach seinem Studium der Betriebswirtschaft für ein paar Jahre unternehmerisch tätig gewesen war – freilich ohne diesen kritischen Punkt zu überschreiten. Inzwischen weiß er aus Erfahrung, was Wachstum neben mehr Umsatz eben auch noch bedeutet: “Größe führt zu Komplexität, und Komplexität führt zu einer höheren Fehleranfälligkeit. Die typische Managementantwort lautet: mehr Regeln, mehr Kontrolle.” Genau so verliere eine Organisation aber ihre besten Leute, jene nämlich, die eigenverantwortlich handeln möchten und dies auch könnten. “Es ist ein Teufelskreis, in den wir auf keinen Fall geraten wollen”, betont der Ostschweizer.Vontobel ist zwar größer geworden und kann sich dadurch beispielsweise auch eine Reihe von Standorten im Ausland leisten, die vor 15 Jahren noch nicht finanzierbar gewesen wären. Dennoch muss die Organisation “agil und flexibel bleiben”, wie Staub betont. Das sei nur möglich, indem die Mitarbeiter selber unternehmerische Freiheiten und auch die damit verbundene Verantwortung übernähmen. “So etwas kann man nur zulassen, wenn man einigermaßen sicher ist, dass alle auf der Basis eines einheitlichen Wertekodex arbeiten.” Die DNA erhaltenNach dem Tod von Hans Vontobel, dem langjährigen Patron und Hauptaktionär, im Januar 2016, ist Staub der Mann, der sicherstellen soll, dass die DNA der Zürcher Bankiersfamilie dem Haus erhalten bleibt. “Wir haben hart und bewusst an dem Prozess gearbeitet”, sagt er. Alle Mitarbeiter seien durch eine interne Schulung gegangen. Die Umsetzung des Wertesystems soll nun ein zentraler Bestandteil der internen Leistungsmessung werden. “Ich will den Leuten am Ende des Jahres für das danken können, für das ich ihnen nicht selbst den Auftrag gegeben habe.””Der Umgang mit Vertrauen ist für alle Beteiligten schwierig”, räumt Staub ein. Das gelte für ihn selbst als CEO und für die Mitarbeiter, die alle das ins sie gesetzte Vertrauen honorieren müssten. Es gelte aber selbstredend auch für die Familienaktionäre, die die Bank an der langen Leine laufen lassen.Diese Kette des Vertrauens war auch schon einmal gerissen. Vor 17 Jahren, nachdem die Bank im allgemeinen Börsenboom eine erfolgreiche Zeit erlebt hatte, geriet sie in einen Abwärtskanal. Ein zwar weitsichtiges, aber allzu ambitioniertes Projekt zum Aufbau einer Internetbank musste mit hohen Kosten abgebrochen werden. Gleichzeitig wurden im Investment Banking Geschäftspraktiken ruchbar, die ganz und gar nicht zum strengen Wertegerüst der Vontobels passen wollten.Im Zug der nachfolgenden Streitereien wurde vieles in Frage gestellt. Doch der Mut zum Risiko, wie es das Unternehmen seit über 80 Jahren auszeichnet, ist offenbar geblieben. “Sind wir mutig genug, investieren wir genug in die Digitalisierung – diese und ähnliche Fragen stellt man mir immer noch”, sagt Staub. “Der Wille zur Innovation, die Überzeugung, dass es Veränderung braucht, ist in der Familie und im Verwaltungsrat ungebrochen.”