Die Bankenkrise hat zehn Wochen nach der Pleite der Silicon Valley Bank erste überraschende Erkenntnisse geliefert. Jörg Rocholl, Wirtschaftsprofessor und Präsident der privaten European School of Management and Technology Berlin (ESMT) sieht durch die Entwicklungen die These infrage gestellt, dass die Bankenregulierung in erster Linie Geld und Geschäft koste. Rocholl sagte auf der Alternative Investor Conference 2023 des Branchenverbands BAI, dass die weniger regulierten, beziehungsweise mit Sonderrechten ausgestatteten US-Regionalbanken zum Problem geworden seien, während die großen, voll regulierten Institute in den USA tendenziell als Gewinner aus der Krise hervorgehen dürften.

Für Rocholl hat sich die Regulierung der Finanzbranche immer mehr zu einem Qualitätsmerkmal entwickelt. Eine weitere Erkenntnis der vergangenen Woche ist nach Ansicht des Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums, dass Bank Runs leichter stattfinden können als bislang erwartet. Die Annahme, dass Bankeinlagen „klebrig“ seien und viel passieren müsste, damit es zu einem massenhaften Abzug komme, sei nach der jüngsten Entwicklung in den USA in Zweifel zu ziehen. Treiber sei diesem Fall die Digitalisierung, die es möglich mache, auf Knopfdruck Einlagen zwischen Banken hin und her zu schieben. Neu nachgedacht werden müsste auch über die nicht gesicherten Einlagen, dass betrifft in der Europäischen Union Einlagen jenseits der 100.000 Euro und in den USA von mehr als 250.000 Dollar. Im Fall eines Bank Runs können diese aus Rocholls Sicht eine wesentliche Rolle spielen.

Für unglücklich hält der Wissenschaftler die Entwicklung in Europa hinsichtlich der Haftungskaskade von Kapital. Die Rettungsaktion der Credit Suisse zulasten von AT1-Kapital habe in der EU anfänglich zu Unsicherheiten geführt. Auch die Börsen müssten bei Bankenkrisen genau in den Blick genommen werden, dafür bestimmte Teilsegmente etwa ADR-Titel, schon kleine Transaktionen große Schockwellen an den Märkten erzeugen können. Rocholl hält aber nichts davon, in solchen Krisen Leerverkaufsverbote wieder auf die Tagesordnung zu bringen.