Aktien-Research

Warburg-Bank in Sorge um KMU-Analyse

Für die Warburg Bank ist das schwindende Angebot von Analysen kleiner und mittelgroßer Unternehmen in Deutschland durch Research-Anbieter kein Qualitätszeugnis für einen Kapitalmarkt. Sie begrüßt deshalb Pläne für eine Anpassung der Finanzmarktregularien. Der Teufel stecke aber im Detail.

Warburg-Bank in Sorge um KMU-Analyse

Von Carsten Steevens, Hamburg

Die Warburg Bank sorgt sich um die Visibilität kleiner und mittelgroßer Unternehmen in Deutschland (KMU) für Investoren. Den Trend, dass zunehmend Unternehmen vom Radar der Research-Anbieter verschwinden, sei nicht gut, sagt Matthias Rode, seit März 2019 als Head of Equities für das Aktiengeschäft der Hamburger Privatbank zuständig, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Er verweist beispielhaft darauf, dass sein Haus das einzige sei, das Research zu Secunet, Spezialist im Bereich Sicherheitstechnik mit einer Marktkapitalisierung von 1,5 Mrd. Euro – und geringem Streubesitzanteil –, oder zu Amadeus Fire, Zeitarbeits- und Personalentwicklungsdienstleister mit einem Marktwert von 650 Mill. Euro, anbiete.

„Das ist keine gute Entwicklung.“ Immer weniger Investoren hätten dadurch Zugang zu diesen Unternehmen. Das sei auch der Grund für die Anpassung der Finanzmarktrichtlinie Mifid II. Es habe sich gezeigt, dass nach dem seit 2018 geltenden Regime, das eine getrennte Bezahlung von Investmentanalysen und Handelsaufträgen vorsieht, immer weniger Coverage für Small & Mid Caps angeboten werde. „Das ist natürlich kein Qualitätszeugnis für einen Kapitalmarkt“, betont Rode.

Der Markt der Anbieter von KMU-Analysen befindet sich im Umbruch. Im vergangenen Jahr zog sich etwa das Bankhaus Lampe aus dem Geschäft zurück, die Deutsche Bank hat ihre Research-Aktivitäten eingeschränkt. Demgegenüber kündigte die Berenberg Bank unlängst den Aufbau eines Teams von bis zu 15 Analysten in Frankfurt für das Research von Small & Mid Caps in Deutschland an.

Die Warburg Bank, die im vergangenen Jahr drei Analysten neu hinzuholte und einen Research-Standort in Frankfurt eröffnet hat, betrachtet sich mit 23 Analysten und über 200 abgedeckten Werten bei der Analyse kleiner und mittelgroßer Unternehmen in Deutschland als Marktführer. In der Mifid-II-Überarbeitung sieht Rode ein positives Signal: „Es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass eine Regulierung im Sinne des Kapitalmarkts und auch im Sinne der Banken erleichtert oder zurückgenommen wird.“ Noch sei aber unklar, wie die Durchführung im Endeffekt ausgestaltet werde. Derzeit scheine sie Aktien von Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung unter 1 Mrd. Euro zu betreffen. Für die Warburg Bank wäre das sehr relevant, da sich mehr als die Hälfte des Aktien-Researchs des Instituts auf Unternehmen mit einer solchen Bewertung bezieht. Die nächsten Monaten würden zeigen, wie sich die Neuregelungen im täglichen Handeln auswirken werden, inwiefern Research anders vergütet wird. „Der Teufel steckt im Detail“, so Rode.

Mit schnellen Veränderungen beim Research-Angebot rechnet er nach einer Korrektur der Vorgaben nicht. Auch danach müssten Analysen über KMU geschrieben werden. Dafür brauche es Analysten, Kapazitäten müssten gegebenenfalls ausgeweitet werden. „Mögliche Anbieter müssen bewerten, ob dieses Geschäft attraktiv genug für sie ist, oder ob sie sich nicht doch weiter auf ihren Large-Cap-Bias oder auf Europa ausrichten.“ Für die Warburg Bank, fügt Rode hinzu, hätten die Änderungen keinen großen Effekt.

Vertreter von EU-Parlament, Europäischer Kommission und Mitgliedstaaten hatten sich vor Weihnachten auf Lockerungen in der Marktrichtlinie Mifid II verständigt. Abgesegnet wurden verschiedene Maßnahmen, die vor allem die Verwaltungs- und Informationskosten professioneller Anleger und berechtigter Gegenparteien wie Versicherer, Pensionskassen oder öffentliche Einrichtungen senken sollen. Die Reform im Schnellverfahren ist Teil des sogenannten Capital Markets Recovery Package, zu dem auch Reformen der Verbriefungs- und Prospektregeln gehören und das einen Beitrag zum Kampf gegen die Coronakrise leisten soll. In diesem Jahr soll es auch zu einer großen Überprüfung der Mifid-Richtlinie sowie der Europäischen Finanzmarktverordnung kommen. Von der EU-Kommission werden bis Ende Juli Vorschläge erwartet.

Mit der Entwicklung der im vergangenen Jahr vereinbarten Vertriebskooperationen der Warburg Bank mit der polnischen Großbank PKO und der französischen Bank CIC zeigt sich Rode derweil zufrieden. Eine erste Bilanz falle „durchaus positiv aus, wenn man die Folgen der Corona-Pandemie berücksichtigt“. Die Research-Verteilung zu den Banken funktioniere reibungslos. Vor allem die französischen Kunden zeigten sich sehr interessiert, wie sich bei virtuellen Roadshows zeige. Die Entwicklung in Frankreich, wo die Kooperation mit der Tochter der Crédit Mutuel Alliance Fédérale über das Research hinaus auf Bereiche wie Equity Brokerage, Equity und Debt Capital Markets sowie strukturierte Produkte ausgeweitet werden soll, verlaufe einfacher, da französische Investoren einen „stärkeren europäischen Blick“ hätten.

In Polen, wo mit der PKO bislang nur das Thema Research im Gespräch sei, konzentriere man sich infolge der Corona-Pandemie aktuell stark auf den eigenen Markt. Je mehr Unsicherheit aber aus dem Markt weiche, umso stärker dürfte das Interesse der Investoren auch in Polen und Tschechien an ausländischen Aktien steigen, so die Hoffnung in Hamburg. Das Warburg-Research soll über die PKO auch Kunden in Tschechien und Ungarn angeboten werden.

Weitere Vertriebskooperationen mit anderen Banken kann man sich bei der Warburg Bank vorstellen. „Asien wäre die nächste Region“, sagt Rode. Eine konkrete Umsetzung solcher Pläne in absehbarer Zeit steht dem Vernehmen nach aber nicht an.