Was erlauben Speich?
Immer wieder Ingo Speich! Der Nachhaltigkeitschef der Sparkassen-Gesellschaft Deka grĂ€tscht gegen den Aufsichtsrat von Daimler, sieht in der Ernennung des langjĂ€hrigen Autoindustrie-Managers Bernd Pischetsrieder an die Spitze des Gremiums eine verpasste Chance âauf einen Generationenwechsel und einen Neuanfangâ. Mit AktionĂ€rsschĂŒtzer Marc TĂŒngler und anderen bildet er gegen Thyssenkrupp eine Mauer und kritisiert die Boni-PlĂ€ne fĂŒr das Management des strauchelnden Stahlkonzerns aus dem Verkauf der Aufzugssparte. âMassenentlassungen in der Belegschaft und Sonderzahlungen fĂŒr den Vorstand passen nicht zusammen.â Und dem Management-Kader von Henkel hĂ€lt er vor, dass die Konkurrenz dem KonsumgĂŒterhersteller davongelaufen sei. Konzernschreck Speich dreht auf.
Der Ball liegt oft bei Speich, der fĂŒr scharfe Worte gegen Manager aus VorstĂ€nden und AufsichtsrĂ€ten bekannt ist. Hatte er ĂŒber eineinhalb Jahrzehnte fĂŒr die Fondsgesellschaft Union Investment im Team der Kreditgenossen gespielt, streifte er sich im April 2019 das rote Trikot der Sparkassen ĂŒber und kickt seitdem fĂŒr Deka Investment, das zentrale Wertpapierfondshaus der Gruppe. Einige wenige Treffer haben seine Position gestĂ€rkt: Vor einem Jahr, einen Monat vor dem Kollaps des Zahlungsdienstleisters Wirecard, forderte er öffentlich den RĂŒcktritt des damaligen Konzernchefs Markus Braun. Da war gerade erst ein Sonderbericht von KPMG veröffentlicht worden, der wesentliche Zweifel an der Bilanz von Wirecard nicht ausrĂ€umen konnte. Speich nutzte die Chance. WĂ€hrend nach dem Zusammenbruch des Konzerns wenige Wochen spĂ€ter die Fondsgesellschaften DWS und Union Investment wegen ihrer BestĂ€nde an Wirecard-Aktien in die Kritik gerieten, blieb die Deka von VorwĂŒrfen weitgehend verschont. In anderen FĂ€llen hatte Speich die Nichtentlastung des Vorstands angekĂŒndigt, wenn die Unzufriedenheit mit dem Management spĂŒrbar war. Das hat die Deutsche Bank 2015 unter Anshu Jain und JĂŒrgen Fitschen erfahren, aber auch Adidas 2014 unter Herbert Hainer, ehe die Manager spĂ€ter ihre Posten rĂ€umen mussten.
In der Coronakrise lĂ€uft Speich derweil als FĂŒrsprecher der AktionĂ€rsdemokratie auf. âDie derzeitigen virtuellen Hauptversammlungen sind zu oft eine Ein-Weg-Kommunikations-Veranstaltungâ, kritisiert er im GesprĂ€ch mit rendite. Bereits in der zweiten Saison finden die AktionĂ€rstreffen nun digital statt, Raum fĂŒr kritische Fragen bleibe dabei gerade fĂŒr KleinaktionĂ€re zu wenig. Er habe nichts gegen das Format, wohl aber gegen eine Aushöhlung von AktionĂ€rsrechten, sagt er.
Anderswo ist Nachhaltigkeit entweder Chefsache oder stĂ€rker auf verschiedene Köpfe verteilt. Bei der weltgröĂten Fondsgesellschaft BlackRock etwa will Konzernboss Larry Fink ĂŒber seine öffentlichen Briefe an Unternehmen in der Nachhaltigkeit Punkte machen, wĂ€hrend Asoka Wöhrmann, Firmenchef der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS, gerade erst die Spielmacherin Desiree Fixler aus dem Team gedrĂ€ngt hat und nun selbst die BallfĂŒhrung ĂŒbernimmt. Allianz Global Investors baut derweil ein neues Team auf, in Speichs ehemaliger Mannschaft von Union Investment liegt die Leitung fĂŒr Nachhaltigkeit bei Henrik Pontzen, wĂ€hrend auf Hauptversammlungen andere Spieler aus dem Team aufgefallen sind. Aber auch Speich steht nicht allein auf dem Spielfeld. Im Team zĂ€hlt er neben Vanessa Golz und Andreas Thomae auch auf den langjĂ€hrigen Hauptversammlungs-Spieler Winfried Mathes. Ein weiterer medial prĂ€senter Top-Spieler der Deka ist Ulrich Kater, der als Chefvolkswirt allerdings in einer anderen Sportart aufs Feld lĂ€uft.
Dabei ist die Statistik der Sparkassen-Gesellschaft nicht auĂergewöhnlich: Im vergangenen Jahr votierte das Haus auf 359 Hauptversammlungen zu 4â852 Tagesordnungspunkten in etwa 20â% der FĂ€lle gegen die Beschlussvorlage, fĂŒhrt der Nachhaltigkeitsbericht der Bank aus. Auch einige andere FondshĂ€user votieren hĂ€ufig dagegen. Gemessen am Gewicht in den Deka-Fonds hat die Gesellschaft 16â% der Unternehmen in GesprĂ€chen auf soziale und ökologische Aspekte angesprochen.
Im Umgang mit Medien ist Speich erfahren. Komplizierte Fragen bringen ihn nicht von der BallfĂŒhrung ab. Wie sollte sich eine Fondsgesellschaft etwa mit Blick auf die Gefahr von Zwangsarbeit verhalten, der das Volk der Uiguren im Westen Chinas womöglich auch in der Baumwollproduktion ausgesetzt ist? Der schwedische Moderiese H&M sah sich in China einer staatlich orchestrierten Boykottkampagne ausgesetzt, nachdem er sich öffentlich auf einen Verzicht auf Baumwolle aus dem Westen des Landes festgelegt hatte. Wie sich Firmen gegenĂŒber dem Regime in Peking verhalten sollen, sagt auch Speich nicht. Das Management der Lieferketten sei immer wieder Thema, sagt er, Unternehmen sollten diese vorausschauend im Blick behalten. FĂŒr das Fondsmanagement gebe es einige rote Linien, etwa Firmen, die international geĂ€chtete Streumunition herstellten. Einen Konflikt zwischen dem Ziel der Nachhaltigkeit und den GeschĂ€ftsaussichten sehe er nicht. Konkret wird Speich also nicht, er schieĂt kein Eigentor.
Jetzt gehtâs los, jetzt gehtâs los
FĂŒr die Fondsgesellschaften geht das Spiel jetzt ohnehin erst richtig los, denn nachhaltige Fonds und Finanzprodukte werden immer stĂ€rker verkauft. Neue EU-Regeln sehen vor, dass Investoren und Fondsgesellschaften ĂŒber Nachhaltigkeitskriterien im Portfolio genauer Auskunft geben mĂŒssen, angefangen mit Informationen zum Klimaschutz. Im Vertrieb mĂŒssen Finanzberater ihre Kunden in absehbarer Zukunft nach ihren Vorstellungen zur Nachhaltigkeit befragen. In ausdrĂŒcklich nachhaltigen Fonds verwaltet die DekaBank per Jahresende rund 21 Mrd. Euro, wovon gut 7 Mrd. Euro in Publikumsfonds liegen. Gemessen am gesamten Fondsvermögen entfallen damit 8â% auf ausdrĂŒcklich nachhaltig verwaltete Produkte. Speich hĂ€lt es aber fĂŒr realistisch, dass bereits in einigen Jahren in der Fondsindustrie etwa die HĂ€lfte der verwalteten Mittel in nachhaltigen Vehikeln liegen.
Weil Nachhaltigkeit populĂ€r geworden ist, finden Spieler wie Speich ein Publikum. Der Manager wird noch viel grĂ€tschen, kontern, schieĂen. âSowohl Unternehmen als auch die Finanzwirtschaft haben Nachhaltigkeit oft nicht ernst genug genommenâ, sagt er. Auf zum Angriff!