Wealth-Ambitionen von Private Credit bergen Fallstricke
Private Credit fliegt zu nah an die Sonne
US-Fonds ziehen Rekordmittel von reichen Einzelinvestoren an – Ambitionen im Wealth-Markt als Gefahr für Returns und Kreditqualität
Von Alex Wehnert, New York
Unter Amerikas Privatanlegern breitet sich eine beispiellose Goldgräberstimmung aus. So ziehen Private-Credit-Fonds im laufenden Jahr im Rekordvolumen Mittel von vermögenden Individualinvestoren an: Die Zuflüsse in den USA beliefen sich in der ersten Hälfte 2025 laut der Investmentbank R.A. Stanger auf 48 Mrd. Dollar. Dies übertrifft den bereits gesamten Zustrom des Jahres 2023 – und die Vehikel liegen voll auf Kurs, die 2024 aufgestellte Allzeit-Bestmarke von 83,4 Mrd. Dollar zu knacken.
Sorgen um Finanzstabilität
Doch lauern auf diesem Wachstumpfad mehrere Fallstricke. Denn dass Privatanleger, die gegenüber großen Institutionen Informationsnachteile besitzen, für zunehmend riskante Anlagen begeistert werden sollen, weckt bei Ökonomen Sorgen um die Finanzstabilität. Schließlich sind Debt-Investitionen über Intermediäre ohne Einlagengeschäft im Gegensatz zum klassischen Bankensektor in den USA bisher kaum reguliert und gelten für den Großteil der Marktteilnehmer als vollkommen intransparent. Auch Ratingagenturen wie Moody‘s, Fitch und S&P verfügen bisher über keine einheitlichen Rahmenwerke, anhand derer Investoren Kreditrisiken an den Private Markets fundiert bewerten könnten.

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Viel konkreter als das düstere Stabilitätsrisiko ist die Warnung von Branchenvertretern um den Chicagoer Spezialisten Adams Street Partners, demzufolge die Ambition im Geschäft mit reichen Individualinvestoren für Private Credit nach hinten losgehen könnte. Die „Hyperscaler“ des Sektors, die ihre Investorenpools im Wealth Management über das vergangene Jahrzehnt massiv ausgebaut hätten, liefen Gefahr, Kreditrisiken im Markt zu verschärfen und letztlich die Renditen für ihre Bestandsinvestoren auszuhöhlen.
Beliebte Evergreen-Produkte
Große börsennotierte Private-Credit-Manager versuchen das Wealth-Segment üblicherweise über Business Development Companies (BDCs) anzuzapfen. Im Gegensatz zu den bisher dominanten, geschlossenen Drawdown-Fonds mit begrenzter Laufzeit handelt es sich bei BDCs in der Regel um offene Evergreen-Produkte. Investoren können dabei in der Regel monatlich Anteile zeichnen und diese abhängig von den jeweiligen Rückgabeauflagen vierteljährlich veräußern.
„Bei vermögenden Investoren, ihren Privatinvestoren und ihren Finanzberatern sind BDCs beliebt geworden, weil sie üblicherweise steuerlich weniger komplex sind und ein einfacheres Liquiditätsmanagement mit unmittelbaren Cash-Renditen bieten als Drawdown-Fonds“, heißt es bei Adams Street. In der Folge sei der Markt für fortlaufende BDCs dramatisch gewachsen. Im ersten Quartal hätten diese Vehikel Netto-Vermögenswerte im Umfang von 128 Mrd. Dollar angehäuft, wobei 72% auf die größten sechs Produkte von börsennotierten Anbietern entfielen.
Kontrollfunktionen fallen weg
Doch während Drawdown-Fonds über anspruchsvolle institutionelle Kontrahenten verfügten, die das Mittelwachstum regulierten, falle diese Kontrollfunktion bei BDCs typischerweise weg. „Unglücklicherweise besitzen börsennotierte Manager dieser Vehikel wenig ökonomischen Anreiz, sich selbst zu regulieren – schließlich sind ihre Gebühreneinnahmen, Erlöse und Aktienkurse an Asset-Zuwächse gekoppelt“, kritisieren Adams-Street-Investmentchef Jeffrey Diehl und seine Co-Autoren Bill Sacher, Head of Private Credit, und Fred Chung, Head of Credit Underwriting, in einer aktuellen Studie. Mit der Explosion der verwalteten Mittel der BDCs wachse auch der Druck auf die Investment-Teams, diese einzusetzen.

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Die Manager hinter den vier größten dieser Vehikel müssten heute durchschnittlich 23 Mrd. Dollar pro Jahr in neue Anlagen stecken, um ihre Fonds vollständig investiert zu halten – dabei seien die Mittel aus Co-Investments mit institutionellen Fonds und einzeln verwalteten Sondervermögen noch gar nicht eingerechnet. Die größte BDC müsse nach Schätzungen von Adams Street sogar 43 Mrd. Dollar pro Jahr investieren, dies entspreche rund 27% des jährlichen Mittelflusses im amerikanischen Direct-Lending-Markt. In diesen Größenordnungen werde es schwieriger, noch die erwartet hohen Renditen zu erreichen. Vielmehr „kann sich das Risiko, Kapital in Assets niedriger Qualität zu stecken, die durchschnittliche oder sogar noch schlechtere Renditen abwerfen, bedeutend erhöhen“, betonen Diehl und Konsorten.
Institutionelles Interesse flaut ab
Viele Assetmanager befinden sich damit in einer Zwickmühle. Denn für sie sind die Mittel des Retail-Publikums zum wichtigen Stabilisator geworden, nachdem sich die Begeisterung institutioneller Investoren für Private Credit zuletzt abgekühlt hat. Laut dem Analysedienst Preqin haben Fonds, die großen Pensionskassen und Stiftungsfonds angeboten werden, seit einem Fundraising-Rekord 2021 Jahr für Jahr weniger eingespielt als zuvor.

Der sukzessive Rückgang steht im Kontext eines breiteren Stimmungstiefs am Leveraged-Buyout-Markt: Angesichts eines anhaltend schwierigen Finanzierungsumfelds und massiver politischer Unsicherheit leidet die M&A-Aktivität, was es den Fonds wiederum erschwert, Returns an die bisherigen institutionellen Geldgeber zurückzuführen. Die Zahl der globalen Fusionen und Übernahmen ist laut der Beratungsgesellschaft PwC im ersten Halbjahr zum Vorjahr um 9% gefallen, auch wenn die Volumina infolge einiger großer Deals sogar zugelegt haben.
Konzentration bei M&A
John Waldron, Präsident und Chief Operating Officer von Goldman Sachs, betonte im Juli im Gespräch mit Medienvertretern in New York, dass sich diese Konzentration auch in den kommenden Monaten fortsetzen dürfte. Die Zahl der verfügbaren Exit-Möglichkeiten ist damit stark eingeschränkt, was sich auch im Interesse institutioneller Investoren an Private Equity niederschlägt: Anbieter in dem Segment haben in den zwölf Monaten bis Ende Juni des laufenden Jahres laut Preqin lediglich 592 Mrd. Dollar eingesammelt und damit so wenig wie seit sieben Jahren nicht.

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Auch wenn Alternatives-Manager wie Hamilton Lane betonen, dass die annualisierte Performance von Private Credit nicht nur stärker ausfällt als jene von Venture Capital, Private Real Estate und sogar Buyout-Fonds in Industrieländern, sondern auch besser als jene öffentlich zugänglicher Assetklassen wie globale Aktien: Der Markt kann sich nicht vom allgemein eingetrübten Sentiment frei machen. Gerade deshalb werden die vermögenden Individualinvestoren so wichtig, die Analysten von Moody‘s sprechen gar von „einer der größten neuen Eroberungsgrenzen im Sektor“.
Trump baut Barrieren für Retail-Investoren ab
Deshalb haben Blackstone und andere Anbieter auch gewaltige Lobby-Anstrengungen unternommen, um Barrieren für den Eintritt von Privatanlegern in die Assetklasse abzubauen. US-Präsident Donald Trump hat mit einem Anfang August unterzeichneten Exekutivbeschluss die Voraussetzung für die Aufnahme privater Assets und illiquider Vermögenswerte in sogenannte „401(k) Plans“ geschaffen. Mittel aus den insgesamt rund 9 Bill. Dollar schweren Altersvorsorgeplänen, über die Amerikaner Teile ihres Gehalts mit Arbeitgeberzulage investieren können, fließen bisher überwiegend in klassische Investmentfonds.
Das US-Arbeitsministerium und die Börsenaufsicht SEC haben ab Unterzeichnung des Exekutivbeschlusses am 7. August nun 180 Tage Zeit, um regulatorische Leitlinien für die Integration von Private-Markets-Anlagen in die 401(k)-Vehikel zu entwickeln – eine Frist, die laut Nicolas Roth, Head of Private Markets Advisory bei der Schweizer Privatbank UBP, „ambitioniert“ erscheint. Auch darüber hinaus sei die Umsetzung von Trumps Vorhaben wohl anspruchsvoll.
Exekutivbeschluss mit schwieriger Umsetzung
Denn Anbieter sogenannter Target-Date Funds – also diversifizierter Investmentfonds, die mit näherrückendem Rentenalter des Anlegers zunehmend konservativ agieren und mit rund 40% der Assets das 401(k)-Segment dominieren – hätten vor allem den Auftrag, die Gebühren niedrig zu halten. Über die vergangenen zehn Jahre sind diese laut UBP im Schnitt von 58 auf 30 Basispunkte gefallen. „Eine Integration illiquider Assets würde diese Struktur infrage stellen – ein Risiko, das viele Plan-Sponsoren und Verwalter scheuen“, kommentiert Roth.
Zudem stelle die Sicherung der Liquidität eine operative Herausforderung dar. Teilnehmer können bei Jobwechseln oder Renteneintritt Kapital abziehen. „Illiquide Allokationen erfordern daher technische Lösungen wie Rücknahmefenster oder Liquiditätstranchen, die sich als praktikabel, aber komplex erweisen“, führt Roth aus. Darüber hinaus verfügten viele Berater und Altersvorsorge-Verwalter nicht über ausreichend eigene Expertise für alternative Anlagen.
Griff nach dem „heiligen Gral“
Das bedeute, dass die Umsetzung von Trumps Verordnung Zeit benötige. Allerdings sende diese „ein klares politisches Signal und markiert einen potenziellen Wendepunkt für die Integration von Privatmärkten in die Altersvorsorge“, betont Roth. Blackstone, Apollo Global und Konsorten jubeln: Ein Zugang zu 401k-Geldern gilt für sie als „heiliger Gral“ – als Chance, nach der Wall Street auch den US-Finanzmainstream zu erobern. Skeptiker glauben, dass ein anderes mythisches Bild besser passt: Jenes von Ikarus, der zu nah an die Sonne flog.

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Denn durch erwartbare Zuflüsse aus 401(k)s nimmt der Skalierungsdruck auf führende Private-Credit-Adressen wohl noch zu. Moody‘s mahnte trotz der markigen Worte von der „neuen Eroberungsgrenze“, dass die Anbieter damit letztlich die Underwriting-Standards bei Deals zu kompromittieren drohten. Die Warnung der Ratingagentur vor zunehmend riskantem Verhalten im Markt ist laut Analysten umso mehr zutreffend, als die Private-Credit-Manager bei großen Transaktionen in Konkurrenz zum breiten Markt für syndizierte Kredite stünden.
Verschleierte Probleme
Adams Street stellt bei Direct-Lending-Deals zuletzt einen Abfall von Margen und Konditionen fest, den die Chicagoer Strategen klar mit dem zu schnellen Wachstum im Wealth-Segment in Zusammenhang bringen. Da sich die „Hyperscaler“ somit nicht ausreichend gegen eine Verschlechterung der Kreditqualität absicherten, sei eigentlich mit Anzeichen von Stress in den Portfolios zu rechnen – zum Beispiel einer zunehmenden Zahl an Krediten mit eingestellter Zinsabgrenzung oder wachsenden Wertminderungen. Doch liege der Verdacht nahe, dass viele BDCs Problemkredite aus Eigeninteresse oder falschem Optimismus verschleierten.
Noch hätten die Vehikel der „Hyperscaler“ keine echte Verwerfung durchgemacht, durch die das Volumen der Anteilsrücknahmen jenes der Zuflüsse überstiegen hätte. Bei Immobilientrusts hätten sich die Gefahren einer solchen Dynamik aber bereits gezeigt. Adams Street spielt dabei auf die Krise beim Blackstone Real Estate Income Trust und bei Produkten von KKR sowie Starwood Capital an. Diese mussten nach einem Mittelabzug vermögender Investoren ab Ende 2022 harte Auszahlungslimits verhängen. Im Fall von Blackstone brauchte es eine Milliarden-Kapitalinfusion der University of California, um die Lage zu stabilisieren. „Sollten BDCs auf ähnliche Probleme stoßen, müssten sie möglicherweise Assets zu einem Discount abstoßen“, kommentieren Diehl und Co-Autoren. Dies könne Einfluss auf die Bewertung von Vermögenswerten in institutionellen Fonds haben.
Angesichts des abflauenden Interesses institutioneller Investoren werben Private-Credit-Manager um reiche Privatleute – mit Unterstützung der US-Regierung. Doch die Expansion in das neue Kundensegment gefährdet nicht nur die Finanzstabilität, sie droht auch für die Anbieter nach hinten loszugehen.