Weniger Gläubigerschutz ist ein großes Problem
Weniger Gläubigerschutz ist ein großes Problem
Im Interview: Emmanuel Deblanc
„Lockerere Kreditklauseln sind das größere Problem“
Der Anlagechef von M&G für Private Markets über Margendruck, Infrastrukturprogramme und Chancen am Immobilienmarkt
Margendruck bereitet Emmanuel Deblanc im Geschäft mit Privatkrediten keine schlaflosen Nächte. Der CIO Private Markets des britischen Assetmanagers M&G hält den Trend zur Lockerung von Kreditklauseln und den Verzicht auf mehr Gläubigerschutz für das größere Problem.
Herr Deblanc, jeder will jetzt in den Private Markets aktiv sein. Gibt es jetzt mehr Bieter für Investments, die sie machen wollen?
Wir haben uns vor zwölf Monaten einmal angesehen, wer unsere Wettbewerber wirklich sind. Denn es fiel mir schwer, ebenbürtige Unternehmen zu benennen. Wir haben das nach Geschäftssegmenten untersucht. Für uns gibt es sechs Pfeiler.
Und was ist dabei herausgekommen?
Interessant ist, wie wenig Überschneidungen es zwischen den Wettbewerbern gibt. Es gibt eine große französische Versicherung, die zweimal auftauchte. Und das war so ziemlich der einzige wiederkehrende Name. Bei Immobilien haben wir fast schon zwei Universen, weil wir sowohl in Europa als auch in Asien tätig sind, und die Wettbewerber in den beiden Regionen sind nicht die gleichen. Bei strukturierten Fonds sind es völlig andere Konkurrenten. Dasselbe gilt für Infra-Equity und für Dachfonds.
Ist das auch für andere so?
Als wir die gleiche Übung bei Allianz Global Investors gemacht haben, hatten wir eine komplett andere Gruppe von Wettbewerbern. Wenn wir mit unseren Angeboten den Kürzeren gezogen haben, dann immer gegen verschiedene Firmen, nicht üblicherweise M&G. Das zeigt, dass Private-Markets-Plattformen wirklich schwer vergleichbar sind. Sie sind immer sehr spezifisch.
Wie entwickelt sich der Markt?
Es gibt zwar Konkurrenzkampf und neue Leute kommen herein, aber es hilft, wenn man schon eine Weile dabei ist. Der Wettbewerb hat sich mehr oder weniger beruhigt. Es gibt ein Kommen und Gehen, aber es handelt sich um ein reifendes Marktumfeld. Es findet ein wenig Konsolidierung statt. Wir sind Teil davon. Wir kaufen zu.
Was passiert da?
Es ist komplex: Fundraising und Kapitalbildung waren zwischen 2022 und 2024 nicht einfach, aber das wird wieder. Einige kleinere Akteure versuchen, sich wegen des Kapitals mit größeren zusammenzutun. Ich würde nicht von einem Paradigmenwechsel sprechen. Es ist nur mehr Reife und Spezialisierung. Aber es ist schwer, etwas Allgemeingültiges über Private Markets zu sagen, weil sie sich so in ihren Silos bewegen. Die Antwort für Immobilien unterscheidet sich sehr von der für strukturierte Finanzierungen.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Der von uns 2022 erworbene Schweizer Impact-Assetmanager responAbility hat in Schwellenländern sowohl Private Debt als auch Private Equity. Verglichen mit anderen Plattformen ist das ein völlig unterschiedliches Geschäft. Private Credit in Emerging Markets ist etwas ziemlich anderes als das, was wir in entwickelten Märkten machen. Es ist wirklich ein für sich stehendes Geschäft.
Lässt sich denn allgemein sagen, dass es mehr Bieter für Projekte gibt?
Es ist natürlich von Markt zu Markt verschieden, weil sich die Unternehmen in jedem Markt unterscheiden. Bei Immobilien würde ich sagen, dass es nicht mehr Bieter gibt. Bei Private Credit gibt es nicht mehr Akteure. Es ist nur ein wettbewerbsintensiveres oder liquideres Segment. Das liegt an der geringen Aktivität am Markt für Primäremissionen, die auf eine schwache M&A-Aktivität folgt. Und das hat Anstoßwirkungen.
In welcher Form?
Offen gesagt: Wenn man sich den Markt ansieht, ist das Niveau des M&A-Volumens ein größerer Wettbewerbstreiber als der Markteintritt neuer Akteure.
Die Zinsen sind ziemlich hoch. Ist das ein Problem, insbesondere für Private Credit?
Ich denke nicht, dass die Zinsen ungewöhnlich hoch sind, außer Sie beziehen sich auf die ultraniedrigen Zinsen der Zeit um 2010 und 2011. In der historischen Betrachtung waren die Zinsen sowohl nominal als auch real außerordentlich niedrig. Jetzt sind sie viel näher an normalen historischen Werten. Sie müssen sich längere Zeitreihen ansehen.
Was sieht man da?
Wir sind jetzt, anders als in den außerordentlichen Zeiten von Quantitative Easing nach der Finanzkrise in einem quasi-normalen Umfeld. Sieht man sich die Realzinsen an, ergibt sich ein anderes Bild. Seit 2022 haben die Realzinsen angezogen. Das ist die größere Geschichte. Sie sind nicht mehr negativ.
Wie hat sich das ausgewirkt?
Alles in allem haben wir nicht groß gelitten. Es hat über die Assetklassen – Immobilien, Infrastruktur – hinweg Bewertungsanpassungen gegeben. Ein Teil davon wird durch die höhere Inflation ausgeglichen, manchmal nicht, abhängig vom zugrunde liegenden Portfolio. Bei Credit waren wir zumindest nicht mit dem „Double Whammy“ aus höheren Zinsen und einer Rezession konfrontiert. Die Rezession ist nicht eingetreten. Kreditgeber und -nehmer haben sich zwischen 2022 und 2025 größtenteils auf das neue Zinsumfeld eingestellt. Wir haben den „Double Whammy“ für operatives Ergebnis (Ebitda) und Kreditkosten vermieden. Nun bewegen wir uns in einer normalisierten Welt mit normalen Zinsen, in der es natürlich immer die Gefahr einer Rezession gibt.
Aber die fehlenden Primäremissionen spielten die größere Rolle?
Das relativ niedrige M&A-Aktivitätsniveau hatte den größeren Einfluss. Davon mal abgesehen beobachten wir in unserem Private-Equity-Buch eine Erholung des M&A-Volumens. Ich will aber vorsichtig sein. Wir haben schon seit einiger Zeit eine Erholung vorhergesagt. In jedem Quartal sagen meine Peers, dass wir in den kommenden sechs Monaten einen Boom sehen werden. Im vergangenen Jahr haben viele für 2025 mit Blick auf Deregulierung in den USA und Aufholeffekte nach Covid ein Rekordjahr für M&A vorhergesagt. Aber dazu ist es nicht gekommen.
Und nun?
Im ersten Halbjahr waren die Volumina noch enttäuschend. Aber seit Juni oder Juli sehen wir, dass sich etwas bewegt. Das zweite Halbjahr wird also hoffentlich besser. Mehr M&A bedeutet mehr Finanzierungen für Private-Equity-Sponsoren. Es ist alles miteinander verknüpft.
Kommen die Margen unter Druck, wenn immer mehr Geld immer weniger Deals hinterherjagt?
Ja.
Wie ernst ist das für Sie?
Aus meiner Sicht ist es nicht die größte Schwierigkeit. Der Trend zu lockereren Kreditklauseln, die Aufgabe von Gläubigerschutzbestimmungen sind das größere Problem. Das ist nicht so sichtbar und nicht leicht zu quantifizieren, aber es macht einen Unterschied. Ratingagenturen verfolgen das.
Worauf achten Sie?
In einem Bullenmarkt, also einer Phase billigen Geldes, muss man sich die risikobereinigte Rendite ansehen. Aber manche Gläubigerschutzbestimmungen werden aufgegeben, bevor sich die Spreads bewegen. Das sind die weniger sichtbaren Veränderungen. M&A hat sich so stark verlangsamt, dass einige aggressive Geschäftsannahmen nicht eingetreten sind. In Bullenmärkten kommt das nicht so oft vor.
Wie sieht es mit der Liquidität aus?
Es gibt eine Menge Liquidität, aber in den Private Markets und Private Equity vielleicht keinen ähnlich großen Optimismus, wie man ihn anderenorts sieht. Es ist eine etwas merkwürdige Zeit, vielleicht eine Übergangszeit. Die Frage ist nur: Wohin geht der Übergang?
Wie werden sich staatliche Ausgabenprogramme auswirken?
Wir haben die Auswirkungen dieser Programme in Europa noch nicht beobachtet. Die Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur werden einige Branchen direkt betreffen Diese Aktivität, von Kapitalausgaben bis zu Primärausgaben, schafft einen Bedarf für Finanzierungen, nicht nur für M&A. Das bringt Aktivität an die Kreditmärkte. Die Banken werden eine große Rolle spielen, Positionen recyclen oder Assets verkaufen, um Platz für die Vergabe neuer Kredite zu schaffen.
Was heißt das für Sie?
Wir haben inzwischen Gespräche mit Banken, die wir vor 12 oder 18 Monaten nie geführt hätten. Die Größenordnung verändert sich, zum Teil wegen diesem Trend, zum Teil wegen regulatorischem Druck. Die Banken sind jetzt über ganz Europa hinweg viel aktiver. Sie optimieren sowohl Assets als auch Verbindlichkeiten.
In Deutschland herrscht ein wenig Goldgräberstimmung. Viele neue Firmen und kleinere Akteure drängen in Private Credit. Gibt es bei den Anlegern noch viel Angst, etwas zu verpassen?
Das ist eine komplexe Frage. Ich weiß nicht, wie viel von dieser Angst, etwas zu verpassen, es wirklich gibt – vielleicht auf der Retailseite, aber nicht so sehr bei den Institutionellen Anlegern. Es werden immer opportunistische und neue Akteure in den Markt eintreten. Das ist Teil des breiteren Trends der Demokratisierung des Zugangs zu Private Markets und Private Credit. Die Sache ist die: Wenn Sie als Anleger etwas neues machen wollen, dann wollen Sie das vermutlich nicht sowohl mit einem neuen Produkt und einem neuen Manager tun. Sie würde lieber mit einem etablierten Marktteilnehmer arbeiten. Es ist eine Art Risikomanagement. Mit jemandem zusammenzuarbeiten, der ein paar Zyklen erlebt hat, ist entscheidend, insbesondere in diesem Umfeld.
Welche Rendite nach Gebühren kann ich von einem Private-Markets-Portfolio im Vergleich zu Aktien oder Bonds erwarten?
Die Gebühren sind höher, aber sie sind ein Teil der Renditeprämie, die Sie damit erzielen sollten. Wenn wir den Preis für einen neuen Fonds festlegen, sehen wir uns an, wie viel mehr Rendite wir im Vergleich zu den öffentlichen Märkten erzielen können. Mittlerweile gibt es eine ziemlich etablierte Norm dafür, was verlangt werden kann. Im Grunde handelt es sich um ein Drittel der Illiquiditäts- oder Komplexitätsprämie. Es ist eine grobe Regel, je nachdem sind es zwischen 20% und 40%. Ein Manager behält also etwa ein Drittel des Alpha.
Und um wie viel höher ist die Rendite?
Über alle Segmente hinweg sind es im Vergleich zu öffentlichen Märkten zwischen 75 und 300 Basispunkte mehr. Das variiert allerdings stark. Am unteren Ende bewegen sich Investment Grade und liquidere Dinge, am oberen Ende Private Equity. Praktisch sieht das so aus: Eine Core-Plus/Value-Add-Immobilienstrategie könnte 12% bis 14% bringen, Core-Immobilienfonds einen höheren einstelligen Wert. Bei Growth Equity könnten es 20% bis 25% sein. Es gibt also eine enorme Spannbreite. Aber hohe einstellige Wert brauchen schon Arbeit und man braucht viel Expertise im Haus. Die Kosten sind höher.
Wer sind aus Ihrer Perspektive die Zielkunden für Private Markets?
Wir beobachten mehr Allokationen aus Asien, während diese Märkte heranreifen. Japan ist dafür ein gutes Beispiel. Ein Wachstumsbereich sind hochtechnische Segmente, wo es Kunden schwer fällt, alles selbst zu machen. Einige große Allokatoren wie kanadische und australische Pensionsfonds haben eigene Teams für Immobilien und Private Equity. Aber für wirklich technische Kreditstrategien wählen sie lieber uns als Partner. Insgesamt reift der Markt.
Können UCITS-Mäntel verwendet werden, oder eher ELTIFs?
Es sind vor allem ELTIFs. Für strukturierte Finanzierungen wie Asset-backed Securities (ABS) können UCITS-Mäntel genutzt werden. Aber die meisten Private Assets können da nicht hineingewickelt werden. Deshalb gibt es das separate ELTIF-Regime. Die UCITS-Anwendungsmöglichkeiten auf Private Markets sind sehr begrenzt.
Was ist mit ETFs?
Dafür könnte es Anwendungen in manchen Teilen der Private Markets geben, vermutlich da, wo es mehr Liquidität mehr Assets und Größe gibt. Aber es ist derzeit ein enger Verwendungsbereich.
Das Interview führte Andreas Hippin
Das Interview führte Andreas Hippin