Im InterviewHany Rashwan und Ophelia Snyder

„Wettbewerber kommen häufig zu spät“

Während Krypto-Anlageprodukten im laufenden Jahr in der Breite Mittel abgeflossen sind, strömen dem Schweizer Anbieter 21.co Gelder zu. Die Gründer Ophelia Snyder und Hany Rashwan sehen insbesondere die Turbulenzen im traditionellen Finanzsektor als Treiber für ihre Exchange Traded Products.

„Wettbewerber kommen häufig zu spät“

Im Interview: Hany Rashwan und Ophelia Snyder

„Wettbewerber kommen häufig zu spät“

Gründer von 21.co sehen Bankturbulenzen als Nachfragetreiber für ihre Krypto-ETPs – Robuste Produktinfrastruktur entscheidend

Während Krypto-Anlageprodukten im laufenden Jahr in der Breite Mittel abgeflossen sind, strömen dem Schweizer Anbieter 21.co Gelder zu. Die Gründer Ophelia Snyder und Hany Rashwan sehen insbesondere die Turbulenzen im traditionellen Finanzsektor als Treiber für ihre Exchange Traded Products.

Frau Snyder, Herr Rashwan, inwieweit dürfte sich die Verunsicherung im US-Finanzsystem mittel- bis langfristig auf Bitcoin und andere Kryptowährungen auswirken?

Snyder: Seit Anfang März hat das traditionelle Finanzwesen einen harten Belastungstest durchgemacht, dagegen hat sich das Krypto-Ökosystem sehr stabil gehalten. Auch die Performance der wichtigsten Cyberdevisen nimmt sich seit Jahresbeginn sehr positiv aus. Dies untermauert die Daseinsberechtigung und den Nutzen von Kryptowährungen. Marktteilnehmer müssen sich dazu nur die Genese von Blockchain und digitalen Devisen vor Augen rufen.

Das Bitcoin-Whitepaper wurde 2008 veröffentlicht.

Snyder: Genau, die führende Kryptowährung entstand und startete also unter dem Eindruck der Finanzkrise 2008. Auch damals wurde das Vertrauen von Sparern und Investoren ins Bankensystem stark in Mitleidenschaft gezogen – so, wie es jetzt wieder geschieht. Deshalb beobachten wir eine bullishe Einstellung für dezentrale Kryptowährungen.

Wirken die Verwerfungen des vergangenen Jahres, darunter der Kollaps des Stablecoins Terra USD und die Insolvenz der Digital-Assets-Börse FTX, nicht noch nach?

Rashwan: Tatsächlich hat der Kryptomarkt im vergangenen Jahr systemische Schocks erfahren. Auslöser waren häufig Kriminelle, die das Segment für ihre Aktivitäten missbraucht haben. Es bestand also ein künstlicher, aber sehr realer Druck auf das Ökosystem. Heute ist die Situation ganz anders. Viele kriminelle Elemente wurden verhaftet und vor Gericht gestellt, also aus dem Markt genommen. Wir können positive Entwicklungen also stärker nutzen – so wie wir es wohl auch im vergangenen Jahr ohne die störenden Einflüsse von außen hätten tun können.

Welche Belastungen erwarten Sie durch den gerade stark steigenden Regulierungsdruck auf die Digital-Assets-Branche in den Vereinigten Staaten? Insbesondere die Börsenaufsicht SEC und der Derivate-Regulator CFTC gehen mit Klagen und Vollstreckungsmaßnahmen hart gegen Kryptodienstleister vor.

Rashwan: Natürlich gibt es dazu viele Schlagzeilen. Es ist in Wahrheit aber noch ziemlich unklar, ob das harte Vorgehen von Behörden wie der SEC oder der CFTC wirklich die einheitliche regulatorische Haltung darstellt. Zahlreiche Kongressabgeordnete, Senatoren und bundesstaatliche Politiker sind in Bezug auf Krypto progressiv eingestellt. In Georgia und Texas findet viel Bitcoin-Mining statt, in Wyoming und Florida sind viele Dienstleister rund um das Krypto-Ökosystem ansässig. Dort müssen sich zwar erst noch spezifische Regulierungen entwickeln, um diese Anwendungen abzudecken. Zugleich ist klar, dass diese Bundesstaaten sich mit einem Vorgehen gegen Kryptowährungen und verbundene Dienstleistungen wachstumsstarker Einnahmequellen berauben würden.

Den Produkten von 21Shares bzw. 21.co fließen noch Mittel zu.

Snyder: Die USA haben offenbar also noch keine konsistente These dazu entwickelt, was sie mit Krypto anfangen wollen. Das ist das genaue Gegenteil dessen, was zum Beispiel in der Schweiz passiert – wir sind mit 21Shares ja im Kanton Zug ansässig. Zugegebenermaßen ist das Land viel kleiner und Fortschritte damit leichter zu erzielen als in den Vereinigten Staaten. Aber die Schweizer Regulatoren haben sich eben dazu entschieden, digitale Vermögenswerte als eigene Assetklasse einzustufen und entsprechend klare Regeln einzuführen, zum Beispiel zum Trading oder der Besteuerung.

Rashwan: Der politische Prozess in den USA muss sich jetzt darum drehen, ähnliche Regelwerke herauszuarbeiten oder Digital Assets besser in den bestehenden Rahmen einzugliedern. Wir sehen da Fortschritte. Wyoming hat zum Beispiel damit begonnen, Banklizenzen für Kryptogesellschaften auszustellen. Dies schafft für Dienstleister, Kunden und Behörden eine höhere Rechtssicherheit.

Dürften diese Staaten nach den jüngsten Erfahrungen mit Kreditinstituten wie der kollabierten Signature Bank, die sich in den vergangenen Jahren stark auf Bankdienstleistungen für Krypto-Plattformen und ihre Nutzer spezialisiert hatte, nicht vorsichtiger werden?

Snyder: Die jüngsten Probleme der US-Regionalbanken haben nichts mit Krypto zu tun. Es gab einen Zusammenbruch, der durch schlechtes Risikomanagement und schwache Kommunikation der Silicon Valley Bank getrieben war und einen Bank Run auslöste. Der Druck auf das kalifornische Geldhaus sorgte für eine steigende Nervosität bei Investoren und Bankkunden und setzte damit auch andere Institutionen wie die Signature Bank unter Druck. Diese Geldhäuser saßen auf großen Positionen an Hypothekenkrediten, die nach den Zinsanstiegen der vergangenen Monate stark an Wert verloren. Zugleich unterlagen kleine Finanzinstitute bisher weniger strengen Eigenkapitalquoten als die Großbanken, wodurch die Verluste eben schnell in eine Krise führten.

Rashwan: Auch die Stimmung im Tech-Segment hat unter den Zinsanstiegen gelitten, was ebenfalls zum Niedergang der SVB beitrug – schließlich war die Bank ein führender Start-up-Finanzierer. Diese Entwicklung ist aber nicht linear mit Digital Assets verbunden. Die Silicon Valley Bank war im Kern eine ziemlich Krypto-unfreundliche Bank. Signature Bank und die im März abgewickelte Silvergate Capital wurden ja vor allem deshalb so schnell zu prominenten Anbietern im Digital-Assets-Segment, weil größere Banken wie SVB Kryptowährungen und -dienstleistungen nicht unterstützten. Außer für einige große Kunden wie Circle oder Coinbase war es sehr schwierig, Unternehmenskonten bei SVB zu erhalten, die vor dem Kollaps die sechzehntgrößte Bank der Vereinigten Staaten war.

Nichtsdestotrotz bedeuten die Zusammenbrüche von Finanzdienstleistern wie Signature Bank für die Digital-Assets-Branche doch auch ein Problem.

Snyder: Die Branche hat jahrelang in einem Umfeld operiert, in dem zu wenige Banken verfügbar oder die Positionen vieler Kreditinstitute zu Krypto stark schwankten. Gerade deshalb haben viele Unternehmen aus dem Sektor aber schon in den vergangenen Jahren im Rahmen ihrer Möglichkeiten redundantes Banking betrieben, also Konten bei mehreren Geldhäusern eröffnet. Damit haben sich die Zusammenbrüche von SVB und Signature Bank weniger auf das Segment ausgewirkt als zum Beispiel auf Seed- oder Series-A-Start-ups.

Rashwan: Die geringere Verfügbarkeit von Banking-Lösungen macht es natürlich schwieriger, ein Krypto-Unternehmen in den USA zu betreiben. Es ist wohl noch etwas zu früh, um die Effekte dessen eindeutig festzustellen. Doch wenn der Status quo anhält und die Marktaufsichtsbehörden ihr hartes Vorgehen gegen Digital-Assets-Dienstleister fortsetzen, könnten großvolumige amerikanische Innovationen nach Übersee abfließen. Das betrifft sowohl die „traditionellen“ Unternehmen, die Interesse an Kryptodienstleistungen haben und sich stärker an Anbieter aus dem Ausland wenden, als auch die hiesigen Digital-Assets-Dienstleister, die sich verstärkt im Ausland ansiedeln.

Welche konkreten Effekte dürften die jüngsten Marktentwicklungen auf 21.co entfalten?

Rashwan: Unser Haus ist komplett vom Crash isoliert. Wir hatten überhaupt kein Geld bei einer der betroffenen Banken liegen und unterhielten auch keine Geschäftsbeziehungen zu diesen. Als Unternehmen bieten wir ja auch keine Produkte in Amerika am Markt, auch wenn wir an einigen Projekten arbeiten – wir haben eine Partnerschaft mit Ark und haben einen Antrag für einen physisch besicherten Bitcoin-ETF gestellt, der noch aussteht. Doch bislang sind unsere Investmentprodukte nur in Europa, dem Nahen Osten und Australien handelbar.

Die Effekte der US-Bankturbulenzen haben sich aber doch auch an den Märkten in anderen Regionen niedergeschlagen. Wie hat dies den Handel mit Ihren Produkten beeinflusst?

Rashwan: Wir hatten keine Disruptionen im Handel oder sonstige Probleme. Unsere Kunden sind auch in hoch volatilen Marktphasen jederzeit in der Lage, unsere ETPs zu kaufen und zu verkaufen. Daran wird unsere robuste Infrastruktur und hohe Produktqualität deutlich – diese zeigt sich schließlich in turbulenten Zeiten und nicht, wenn überall eitel Sonnenschein herrscht.

Snyder: Es gibt Wettbewerber, die bei Marktverwerfungen häufig zu spät kommen. Ihre Produkte sind nicht liquide genug und stehen zum Beispiel bei Handelseröffnung nicht direkt zur Verfügung, was Anlegern Reaktionsmöglichkeiten nimmt. Wir haben solche Fehler immer verhindern können.

Wie entwickeln sich die Handelsvolumina bei Ihren Vehikeln im laufenden Jahr?

Rashwan: Wie auch im direkten Kryptohandel steigen die Volumina bei Exchange Traded Products derzeit deutlich, wir haben zum Beispiel den zweitbesten Januar unserer Unternehmenshistorie verzeichnet. Bisher sind Bitcoin-Vehikel sicherlich der Hauptprofiteur des Vertrauensverlusts ins Bankensystem. Denn Investoren suchen Absicherungsmöglichkeiten vor allem über große und qualitativ hochwertige Assets. ETPs auf die fünf größten Kryptowährungen werden daher wohl auch weiterhin mehr Nachfrage erfahren als Vehikel, die Entwicklungen im dezentralisierten Finanzwesen (DeFi) oder im Metaverse nachbilden.

Snyder: Langfristig wird es aber sicherlich Fluktuationen geben. Denn einzelne Krypto-Assets unterscheiden sich ja mitunter sehr stark voneinander. Es ist zum Beispiel schwierig, Bitcoin mit Chainlink zu vergleichen, das ja ein Datenprodukt ist und damit eher Parallelen zu Bloomberg oder ähnlichen Diensten besitzt. Damit reagieren sie auch unterschiedlich auf Veränderungen im Marktumfeld, zum Beispiel geldpolitische Strategieschwenks. Dies wird auch für Anleger klarer ersichtlich, womit sich die Performance und die Mittelflüsse in Investmentprodukte noch stärker entkoppeln dürften.

Welche neuen Produkte sind aus Ihrer Sicht interessant?

Snyder: Wir haben im April ein ETP mit dem Namen 21Shares Stacks Staking ETP (ASTX) lanciert. Dabei handelt es sich um die native Cyberdevise des Kryptoprotokolls Stacks. Dieses nutzt Bitcoin als Basisinfrastruktur, soll die zur führenden Kryptowährung gehörige Blockchain aber erweitern. Bitcoin wird bisher ja vor allem als Wertaufbewahrungsmittel genutzt, Stacks soll das zugrundeliegende Netzwerk aber flexibler machen und um Smart Contracts sowie andere dezentralisierte Funktionen erweitern. Gerade in den vergangenen Monaten sind viele solcher Innovationen entstanden, Entwickler haben den Krypto-Bärenmarkt also zum Aufbau genutzt.

Welche Entwicklung erwarten Sie bei Stablecoins?

Rashwan: Die Gemengelage ist interessant. Die Marktteilnehmer realisieren noch nicht in der Breite, was der primäre Anwendungsfall für Stablecoins von Emittenten wie Circle ist. Diese an den Dollar oder andere Basiswerte gekoppelten Token stellen eine schnellere und einfachere Settlement-Möglichkeit im Kryptohandel dar als der Wechsel von der digitalen in die Fiatwelt. Sie bieten aber nicht nur Effizienz- und Geschwindigkeitsvorteile, sondern tragen auch zur Diversifikation und zu einer Reduktion von Kontrahentenrisiken bei und übernehmen somit eine wichtige Rolle im DeFi-Ökosystem.

Wie dürfte sich die Aktivität in Stablecoins entwickeln, die andere Assets als den Dollar als Basiswert verwenden?

Snyder: Sie dürfte steigen, nachdem die Instabilität im Bankensystem auch das Vertrauen in den Greenback geschwächt hat. Investoren streben nach Sicherheit und Diversifikation. Deshalb dürfte es wohl eine stärkere Verteilung der Aktivität auf Stablecoins geben, die andere Industrieländerwährungen wie den Euro oder den Schweizer Franken nachbilden.

Das Interview führte Alex Wehnert.

Das Interview führte Alex Wehnert.

Die Silicon Valley Bank war im Kern eine ziemlich Krypto-unfreundliche Bank. Signature Bank und die im März abgewickelte Silvergate Capital wurden ja vor allem deshalb so schnell zu prominenten Anbietern im Digital-Assets-Segment, weil größere Banken wie SVB Kryptowährungen und -dienstleistungen nicht unterstützten. Außer für einige große Kunden wie Circle oder Coinbase war es sehr schwierig, Unternehmenskonten bei SVB zu erhalten.

Hany Rashwan, CEO 21.co