GastbeitragIPO-Markt

Wie Börsengänge im volatilen Umfeld an Transaktionssicherheit gewinnen

Immer wieder scheitern Börsengänge in letzter Minute, trotz intensiver Vorbereitung. Es gibt eine Reihe von Instrumenten, um die Erfolgschancen zu erhöhen.

Wie Börsengänge im volatilen Umfeld an Transaktionssicherheit gewinnen

Nach schwächeren Jahren hatte sich der IPO-Markt Anfang des Jahres zaghaft zurückgemeldet. Im zweiten Quartal 2025 haben zwei Unternehmen im Scale-Segment erfolgreich den Sprung an die Börse geschafft. Allerdings gab es in den vergangenen Monaten mehrere prominente Beispiele kurzfristiger Verschiebungen oder Absagen trotz intensiver Vorbereitung und Roadshow. Die Gründe hierfür waren geopolitische Verwerfungen, Unsicherheiten über die US-Zollpolitik, unterschiedliche Bewertungsvorstellungen oder eine unzureichende Investorenqualität. Für die zahlreichen Unternehmen, die einen Börsengang für das zweite Halbjahr 2025 bzw. für 2026 planen, stellt sich daher die Frage, wie der Börsengang strukturiert werden kann, um eine Verschiebung oder gar Absage zu vermeiden.

Emissionsbanken sind mittlerweile darauf bedacht, möglichst viele Investoren, möglichst früh und mit möglichst viel Informationen zu versorgen. Man versucht einen „Fan Club“ bereits vor Beginn der offiziellen Vermarktung mit der „Intention to Float“ zu bilden, um die verbleibende Unsicherheit bis zum Listing zu reduzieren. Dazu wird die Frequenz der Investoren-Meetings erhöht („Early Look Meetings“), „Deep Dive“ Veranstaltungen zum Unternehmen angeboten und zunehmend Prognosen für die kurz- bis mittelfristige Unternehmensentwicklung in den Börsenprospekt aufgenommen.  

Cornerstone-Investoren

Ein weiteres etabliertes Instrument zur Erhöhung der Transaktionssicherheit ist die Einbindung von Cornerstone-Investoren. Das ursprünglich aus Hongkong und Singapur bekannte Modell basiert auf einer frühzeitigen, verbindlichen Zeichnung eines signifikanten Aktienpakets durch ausgewählte institutionelle Investoren. Diese Anleger – häufig große Fonds, Staatsfonds oder Pensionskassen, aber zuweilen auch strategische Investoren – verpflichten sich bereits vor dem Start der öffentlichen Vermarktung, Aktien für einen festgelegten Betrag zu erwerben. Durch dieses vorzeitige Commitment senden sie ein starkes Signal an den Markt und erhöhen das Vertrauen anderer Marktteilnehmer in die Transaktion, was häufig eine positive Auswirkung auf das Nachfrageverhalten und die Höhe des Platzierungspreises hat.

Weitgehend Standard

Cornerstone-Investoren werden im Rahmen der Pre-Marketing-Phase angesprochen. Die Vertragsgestaltung ist mittlerweile weitgehend standardisiert. Anders als normale IPO-Investoren werden Cornerstone-Investoren Prospektentwürfe zur Verfügung gestellt und ihnen wird Zugang zum Management der Gesellschaft gewährt. Sie verfügen damit über eine umfassende Informationsbasis für ihre Investmententscheidung und erhalten Zuteilungssicherheit. Andererseits wird von Ihnen regelmäßig erwartet, dass sie sich für einen mehrmonatigen Zeitraum einer Haltepflicht unterwerfen. Bei der Strukturierung ist zu beachten, dass ein zu hoher Cornerstone-Anteil die spätere Marktliquidität reduziert, während ein zu niedriger Anteil den Effekt schwächt.

Pre-IPO-Platzierungen

Verwandt mit dem Cornerstone ist der sogenannte Ankerinvestor, der eine große Order im Bookbuilding platziert, sich jedoch – anders als der Cornerstone-Investor – nicht bereits vor Beginn des Bookbuildings verpflichtet. Nicht selten treten Investoren, die zunächst als Cornerstone angesprochen wurden, letztlich als Ankerinvestoren auf.

Zeitlich deutlich früher setzen Pre-IPO-Platzierungen an. Pre-IPO-Investoren werden häufig ein bis zwei Jahre vor dem geplanten Börsengang angesprochen und erweitern die Aktionärsbasis im Vorfeld des IPO. Auf diese Weise können Unternehmen ihre Eigenkapitalbasis stärken und sich weiterentwickeln, ohne auf einen unmittelbaren Börsengang angewiesen zu sein. Gleichzeitig dienen Pre-IPO-Platzierungen als „Vorab-Test“ für den Kapitalmarkt und können die IPO-Bewertung steigern. Oftmals handelt es sich bei den Investoren um sogenannte Cross-Over-Investoren, die sowohl in nicht-gelistete als auch in börsennotierte Unternehmen investieren. Insbesondere für Börsengänge eines durch einen Finanzinvestor gehaltenen Unternehmens sind Pre-IPO-Platzierungen interessant. Jene Unternehmen weisen typischerweise einen höheren Verschuldungsgrad auf und eine Pre-IPO Platzierung ermöglicht die Reduzierung der Verschuldung. Dies verbessert die Marketingstrategie für einen IPO, da aufgenommenes Geld primär in das Unternehmenswachstum investiert werden kann und nicht nur zur Reduzierung der Verschuldung verwendet werden muss, was sich positiv auf den Emissionspreis auswirkt.

Ausschließlich privat

Eine andere Gestaltungsform besteht darin, anstelle eines öffentlichen Angebots ausschließlich eine Privatplatzierung durchzuführen. Dabei lassen sich zwei Varianten unterscheiden: Bei der ersten, der öffentlich angekündigten Privatplatzierung, werden die Aktien nach Ankündigung der Transaktion durch die sogenannte Intention to Float (ITF) bei institutionellen Investoren im Rahmen eines Bookbuildung platziert. Der Wertpapierprospekt wird in diesem Fall lediglich für die Zulassung der Aktien benötigt.

Diese Struktur hat den Vorteil, dass sie mehr Flexibilität im Hinblick auf Volumen und Pricing der Transaktion bietet. Für eine Änderung der Bookbuildingspanne oder eine Verschiebung der Transaktion ist kein Prospektnachtrag erforderlich. Im Einzelfall kann hier auch leichter ein Festpreisverfahren implementiert werden. Allerdings ist die Transaktion „im Markt“, sodass eine Verschiebung oder wesentliche Änderung der Angebotsparameter öffentlich bekannt wird.

„Hella-Struktur“

Dieser Nachteil wird vermieden, wenn der Börsengang erst angekündigt wird, nachdem die Privatplatzierung bereits erfolgreich abgeschlossen worden ist. Bei dieser Struktur, die etwa beim Börsengang von Hella angewandt wurde, werden die Aktien in einer vertraulichen Privatplatzierung bei institutionellen Investoren platziert. Nachdem zunächst strenge Vertraulichkeitsvereinbarungen abgeschlossen wurden, erhalten die Investoren unter anderem ein Informationspaket bestehend aus einem nahezu finalen Prospektentwurf, einer Unternehmenspräsentation und einem Commitment Letter. Zudem haben die Investoren im Rahmen von Q&A-Sitzungen Zugang zum Management und erhalten einen Research Report.

Insoweit weist der Prozess gewisse Ähnlichkeiten mit dem Cornerstone-Verfahren auf. Die Transaktion kann – wie bei Hella – nach der Prospektveröffentlichung mit einer zweiten Privatplatzierung im Wege des Accelerated Bookbuildings zur Platzierung einer weiteren Primär- oder Sekundär-Tranche kombiniert werden, durch die das Emissionsvolumen und damit die Liquidität in der Aktie gesteigert wird. Eine solche zweite, öffentlich angekündigte Privatplatzierung hat den Vorteil, dass damit eine Stabilisierung des Börsenkurses nach dem IPO in gleichem Umfang wie beim klassischen öffentlichen Angebot zulässig ist. Auch wenn die Dokumentation bei dieser Struktur etwas aufwändiger ist als bei gewöhnlichen IPOs und nicht alle Investoren einem solchen Prozess offen gegenüberstehen, bietet sie den Vorteil, dass die Gesellschaft und die begleitenden Banken hinsichtlich Timing, Volumen und Preisfestlegung flexibler agieren können und kein äußerer Druck die Vorbereitung der Transaktion behindert.

Besondere Risiken

Die jüngsten Beispiele geplatzter Transaktionen zeigen, dass IPOs in volatilen Märkten besonderen Risiken ausgesetzt sind. Neben dem Frontloading der Vermarktung eröffnen strukturelle Instrumente wie Cornerstone-Investoren, Pre-IPO-Platzierungen sowie öffentlich angekündigte oder vertrauliche Privatplatzierungen Emittenten Möglichkeiten, ihre Kapitalmarktstrategie auf Stabilität und Flexibilität auszurichten. Entscheidend ist die frühzeitige Analyse, welche Strukturvarianten im Einzelfall geeignet sind, um Investorenvertrauen zu schaffen, Transaktionssicherheit zu erhöhen und den Börsengang auch in einem unsicheren Marktumfeld erfolgreich umzusetzen.

Wege zu mehr Transaktionssicherheit beim Börsengang

Von Michael Schlitt, Susanne Ries, Christian Kames und Alexander Bühler

Prof. Dr. Michael Schlitt, Partner, und Dr. Susanne Ries, LL.M., Solicitor (England & Wales) Of Counsel, beide Hogan Lovells sowie Dr. Christian Kames, Co-Head of Financial Advisory DACH und Geschäftsführer, und Alexander Bühler, Director Investment, beide Lazard.

*) Prof. Dr. Michael Schlitt, Partner, und Dr. Susanne Ries, LL.M., Solicitor (England & Wales) Of Counsel, beide Hogan Lovells sowie Dr. Christian Kames, Co-Head of Financial Advisory DACH und Geschäftsführer, und Alexander Bühler, Director Investment, beide Lazard.