Wie gefährlich ist der Private-Credit-Boom?
Früherer Aufseher warnt Kreditfonds vor Übertreibungen
Ex-Bundesbankvorstand Dombret hält die Transparenz für größer als in der Finanzkrise – Risiken durch Öffnung für Privatanleger
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Andreas Dombret hat bis zur Finanzkrise für große Banken gearbeitet, sie danach als Bundesbankvorstand beaufsichtigt und heute berät er sie. Eine Station bei einem Private-Credit-Fonds fehlt bislang noch in seiner Vita, auch wenn er der Branche ungewollt bereits Gutes getan hat. Dass die europäischen Bankenaufseher um Dombret & Co. mit der strengen Bankenregulierung im Anschluss an die globale Finanzkrise rückblickend den Grundstein für das in den folgenden Jahren rasante Kreditwachstum im Private-Credit-Sektor gelegt haben, sei damals zwar nicht die Absicht gewesen. „Die Überlegung war, wie wir die Banken sicherer machen können“, sagt Dombret im Private-Markets-Podcast „Beyond Billions“.
Fakt ist, dass nach der Finanzkrise Abermilliarden an institutionellem Kapital in den Private-Credit-Sektor geflossen sind. Das Ende der Fahnenstange ist dabei noch nicht erreicht. Die Ratingagentur Moody‘s schätzt, dass das weltweit verwaltete Vermögen von Kreditfonds bis 2028 auf 3 Bill. Dollar ansteigen wird. Private Credit sei inzwischen schon ein wichtiger Bestandteil des Finanzökosystems geworden, sagt auch Dombret.
Dombret sieht heute mehr Transparenz als in der Finanzkrise
Große Sorgen um die Finanzstabilität macht sich der ehemalige Bankenaufseher deshalb aber noch nicht, auch wenn sich zwischen den Zeilen warnende Botschaften herauslesen lassen. Bei der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008, die als Auslöser der Finanzkrise gilt, habe es Dombret zufolge drei gravierende Probleme gegeben: mangelnde Transparenz, Übertreibungen und direkte Verbindungen von Banken zu eigentlich für institutionelle Investoren vorgesehenen Produkten. „Wenn ich mir heute die Private-Debt-Märkte anschaue, geht es darum, das zu vermeiden“, sagt Dombret.
Vor der Finanzkrise hätte niemand genau gewusst, wo die Risiken lagen und wie groß diese wirklich seien. Anders heute: „Da gibt es sehr viel Transparenz“, sagt Dombret. Wenn eine Bank in einen Private-Credit-Fonds investiere, müssten vierteljährlich die risikogewichteten Aktiva an die Aufsicht gemeldet werden. Das bedeute allerdings noch nicht, dass die Aufsicht auch einen Überblick über alles habe, was bei den Asset Managern sonst so passiere. „Zur Verbindung des Bankwesens zum Private-Debt-Markt hat sie aber einen sehr guten Überblick – und das ist ja schon mal ein großer Fortschritt gegenüber früher“, sagt Dombret.
Werden Risiken wirklich an Private-Credit-Fonds übertragen?
Wenn institutionelle Investoren in Schieflage geraten, sei das für die Finanzstabilität nicht so relevant wie eine Bankenschieflage mit Auswirkungen auf die Sparer und Privatanleger. Über einen Private-Credit-Anbieter mit einem institutionellen Angebot mache sich Dombret daher deutlich weniger Sorgen – auch bei größeren Beträgen, solange die Risiken transparent seien und diese nicht innerhalb des Bankensektors schlagend würden. „Darauf müssen wir aufpassen.“
Verflechtungen zwischen Banken und Kreditfonds gibt es an vielen Stellen, unter anderem über „SRT-Deals“. Bei den synthetischen Risikotransfers übernehmen Private-Credit-Anbieter gegen Zahlung einer Gebühr einen Teil der Ausfallrisiken von Bankkrediten. Wäre Dombret heute noch im Amt, würde er sich genau anschauen, ob die Risiken bei diesen Transaktionen auch wirklich übertragen werden. „Ich erinnere mich noch sehr gut an die Verbriefungsgeschichten, wo man auch gedacht hat, dass das Risiko übergegangen sei und am Ende war es das nicht“, warnt er. Wenn die Risiken tatsächlich übergingen, könnten Private-Debt-Fonds im Hinblick auf die Finanzstabilität ein stabilisierender Faktor sein.
Dombret warnt vor Privatanleger-Offensive
All das gelte jedoch nur, solange auf der anderen Seite Profis am Werk seien. Dombret spreche die ganze Zeit immer von institutionellen Investoren, wie er betont. Asset Manager wollen den Markt allerdings zunehmend auch für Privatanleger öffnen. „Je mehr das heruntergebrochen wird und in die breite Finanzanlegerschaft geht, umso schwieriger wird das für mich, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen“, so Dombret.
Die Einflüsse für die Finanzstabilität seien dann kritischer. „Dann über Konsumentenschutz nachzudenken, ist doch gar keine Frage“, sagt Dombret. Er selbst habe das aber nicht mehr zu entscheiden, wofür er auch ganz dankbar sei. „Ich weiß aber, dass ich da sehr genau hinschauen würde.“ Vor allem hofft Dombret aber, dass die Branche das Maß und die Mitte nicht verliere. Das habe noch nie gutgetan.