Cum-ex

„Wir sind reiner Ausführer“

Im Cum-ex-Prozess gegen Hanno Berger wird deutlich, dass die involvierten Banken von der steuerlichen Seite der Transaktionen rund um den Dividendenstichtag zumindest offiziell nichts wissen wollten.

„Wir sind reiner Ausführer“

Von Thomas List, zzt. Wiesbaden

Geschäfte wollten die Banken gerne machen mit dem zwischenzeitlich verstorbenen milliardenschweren Immobilieninvestor Rafael Roth. Reputationsrisiken sollten aber keine eingegangen werden. Deshalb sollten die Deals – später als Cum-ex-Transaktionen bekannt – auch nichts mit dem Generieren von Steuererträgen zu tun haben. So zumindest wurde es in der HypoVereinsbank und in der Bank Sarasin in internen Mails und gegenüber Entscheidungsträgern immer wieder betont. Dies zeigte sich erneut am Freitag im Cum-ex-Prozess gegen Hanno Berger vor dem Landgericht Wiesbaden (Az: 6 KLs-1111 Js 18753/21).

Der Zeuge Vassilios P., bis Anfang 2007 Bereichsvorstand Corporates and Markets bei der HVB, hielt schon das Dividendenstripping für einen Graubereich, den er am liebsten ge­mieden hätte. Schon da habe ein Reputationsrisiko gedroht: „Die Kunden rufen am nächsten Tag an, nachdem sie davon in der Zeitung gelesen haben“, beschrieb er vor Gericht das mögliche Szenario. Die von der Londoner Handelsabteilung der HVB vorgeschlagenen Geschäfte rund um Dividendenstichtag, deren Beschreibung in einer Mail an ihn P. am Freitag als Dividendenstripping bezeichnete, wollte er dann doch nicht unterbinden. Denn „wir sind nicht mandatiert, eine Steuertransaktion durchzuführen“, heißt es in einer Mail zur Begründung, warum nicht die für solche Geschäfte bei der Bank zuständige Abteilung eingeschaltet wurde. „Wir sind reiner Ausführer.“ P. fürchtete bei einer Ablehnung des Geschäfts vom Vorstand überstimmt zu werden: „Ich wäre rausgeflogen.“ Solche Geschäfte seien einer der Gründe gewesen, warum er die HVB 2007 verlassen habe.

Im Jahr zuvor hat er aber noch, nachdem umfangreiche Aktientransaktionen samt Absicherungen mit Derivaten und entsprechenden Steuergutschriften durchgeführt wurden, (Kickback-)Zahlungen an Roth über 750000 Euro zugestimmt – um den potenten Kunden nicht zu verlieren. Letztlich war das für P., dessen Abteilung täglich „mehrere Mill. Euro“ und im Gesamtjahr etwas über 900 Mill. Euro Gewinn machte, nur Kleinkram.

Aus Steuererstattungen von 22,5 Mill. Euro sollten ausweislich einer HVB-internen Mail 35% an Roth fließen und 65% an die HVB in London. Cum-ex war das alles für P. nicht, wie er bei der Einvernahme immer wieder betonte. An bankinterne Gespräche zu diesem Thema im damaligen Zeitraum konnte er sich nicht erinnern.

Auch die Schweizer Privatbank Sarazin wollte unbedingt mit lukrativen Kunden wie Roth ins Geschäft kommen. An sie hoffte man im Rahmen der Expansion des Deutschlandgeschäfts über Berger und sein Netzwerk heranzukommen. Da passte es gar nicht, dass „der europaweit renommierte Steuerexperte“ Berger, wie es in einer Mail hieß, verärgert war, als ein von ihm entwickeltes Steuersparmodell für vermögende Privatkunden bei den Schweizern nicht ankam. Eine (finanzielle) Kompensation musste her. Entwickelt wurde dann ein System von „Scheinrechnungen“, wie sie der für die deutsche Tochter verantwortliche Kai H. in einer Vernehmung durch das LKA Nordrhein-Westfalen offen bezeichnete. Zahlungen in Millionenhöhe kamen letztlich Gesellschaften wie Oak Asset Management (AM), Oak Consultancy und Wolamac zugute. Hinter Oak AM standen als wirtschaftlich Berechtigte Berger und sein damaliger Kanzleipartner Kai-Uwe Steck, wie aus einem Kontoeröffnungsformular von Sarasin hervorging.

Profitiert hat aber auch Kai H. persönlich. Angesicht der „Mörder Kohle“, die sie mit ihm verdient hätten, hätten Berger und Steck zu ihm gesagt: „Du bist für uns Mr. Sarasin“, zitierte der LKA-Beamte mit Bezug auf die Vernehmung H.s im Jahr 2017. Berger und Steck hätten ihm 1 Mill. Euro angeboten, die er zunächst abgelehnt und dann doch angenommen habe. Später seien über einen Dienstleister an ihn 3 Mill. Euro geflossen und bei weiteren Treffen sei es zu Bargeldübergaben in unbekannter Höhe gekommen.

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