Wirkung und Haltung
Von Jan Schrader, FrankfurtFür die knapp 25 000 Anleger in Deutschland ist es ein erstrebenswertes Geschäft: das Mikrofinanzwesen, das armen Menschen rund um den Globus dabei helfen soll, ihren Lebensstandard zu erhöhen. Moderate 2 % an Dividende stellt die internationale Genossenschaft Oikocredit aus den Niederlanden den Anlegern in Aussicht. Die Organisation werbe nicht mit Zinsen, sondern ziehe engagierte Menschen an, sagt Matthias Lehnert, Geschäftsführer von Oikocredit in Deutschland, auf einem Pressegespräch am Mittwoch in Frankfurt. Die soziale Wirksamkeit der Investition gehe vor, betont die 1975 gegründete Gruppe.Mehr als 1 Mrd. Euro hat die Organisation weltweit über 801 Partnerorganisationen in 70 Ländern derzeit bereitgestellt. Gut drei Viertel der Finanzierung entfallen auf das Mikrofinanzwesen einschließlich der Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen, der Rest teilt sich vor allem auf Landwirtschaft und erneuerbare Energien auf. Die Wirkung des Mikrofinanzwesens, so legen Untersuchungen nahe, ist moderat positiv. Mikrokredite können einen Effekt haben, doch sie wirkten keine Wunder, sagt Kreditdirektor Hann Verheijen, der dem Vorstand am Sitz im niederländischen Amersfoort angehört. Um mehr Wirkung zu entfalten, wolle die Gruppe sich verstärkt auf Afrika konzentrieren, wo die Armut groß und das Finanzwesen nicht weit entwickelt sei. Derzeit entfällt die Hälfte der Mittel auf Lateinamerika, 22 % entfallen auf Asien und 18 % auf Afrika.Die Gruppe kommt auf 54 000 Anleger weltweit und ein Mitgliederkapital von 913 Mill. Euro – die Hälfte der Mittel stammt aus Deutschland. Hierzulande sind die Anleger über acht Förderkreise organisiert, neben Privatleuten zählen auch Organisationen und Kirchengemeinden dazu. Aus der Basis kam der Wunsch, sich nachhaltigen Energien zuzuwenden. Finanziert hat die Gruppe Solarkollektoren für den Einsatz im ländlichen Kenia, Paneele auf Dächern großer Gebäude in Indien oder ein Solarkraftwerk in Honduras. Insgesamt hat Oikocredit im vergangenen Jahr 383 (i.V. 498) Mill. Euro bewilligt und 439 (419) Mill. Euro ausgezahlt. Unterm Strich blieb ein Gewinn von 29 (15) Mill. Euro. Altruistische RenditeMüssen sich konventionelle Banken an Kennziffern der Profitabilität messen lassen, greift für gemeinnützige Organisation der Maßstab der Effektivität. Statistiker messen die Wirkung zum Teil ähnlich wie in der Medizin mit randomisierten kontrollierten Studien, sie bilden also Vergleichsgruppen und ermitteln auf diese Weise, was ohne den Einsatz bestimmter Mittel geschieht. Als wirkungsvoll gelten etwa die Vorbeugung der Malaria durch Bettnetze, die Verteilung von Medikamenten gegen Wurmbefall, direkte Zahlungen an arme Menschen oder die weitläufige Etablierung von Jodsalz.Auch Oikocredit misst die Wirkung ihres Geschäfts und hält die Ergebnisse in einem Bericht fest. Darin steht geschrieben, dass 24 % der Kreditnehmer unter der Armutsgrenze von gerade einmal 1,25 Dollar am Tag leben und 58 % unterhalb von 2 Dollar. In Kooperation mit Partnern wendet die Gruppe zum Beispiel den Progress out of Poverty Index (PPI) an und prüft so, ob die Kreditnehmer langsam aus der Armut herausfinden. Die Mittel erreicht also die Armen, die daraufhin oft ihre Situation verbessern. Eigene randomisierte kontrollierte Studien seien indes aufwendig, die Organisation verlasse sich aber auf vorhandene Forschung und kooperiere mit Universitäten, sagt Lehnert.Könnte es aus Anlegersicht besser sein, das Geld konventionell anzulegen und die mögliche Mehrrendite an effektive Organisationen zu spenden? Lehnert widerspricht. Es sei unsinnig, einen Schaden zu verursachen, um ihn dann via Spende zu beheben. In “undurchschaubare Finanzmärkte oder sozial unverträgliche Industrien” wollen die Anleger nicht investieren, schreibt die Gruppe. Ethisches Handeln ist für sie nicht allein eine Frage der Wirkung, sondern auch der Haltung. ——–Die Mikrofinanzgruppe Oikocredit denkt über Maßstäbe für ethisches Bankgeschäft nach.——-