Landgericht München

Wortgefechte vor Gericht im Wirecard-Prozess

Am fünften Verhandlungstag des Wirecard-Betrugsprozesses prägten Wortgefechte zwischen dem Verteidiger des Hauptangeklagten, Ex-CEO Markus Braun, und dem Vorsitzenden Richter das Geschehen.

Wortgefechte vor Gericht im Wirecard-Prozess

sck München – Am fünften Verhandlungstag im Wirecard-Betrugsprozess vor dem Landgericht München ist es abermals zu Wortgefechten gekommen zwischen den Beteiligten um Verfahrensfragen. Nach der Befragung des mitangeklagten Kronzeugen Oliver Bellenhaus zu seinen persönlichen Verhältnissen beschwerte sich der Strafverteidiger des Hauptangeklagten, Ex-CEO Markus Braun, über eine Fülle von nachgereichten Akten der Staatsanwaltschaft. Rechtsanwalt Alfred Dierlamm sprach von einer „permanenten Flut von Unterlagen“, die auch in der Zeit „zwischen den Jahren“ nachgereicht worden seien. Dadurch sei es nicht möglich, die Dokumente zeitnah zu erfassen und durchzusehen. Dierlamm bezeichnete diesen Vorgang als „einmalig“ in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Eine Verteidigerin des dritten Angeklagten, Ex-Konzernchefbuchhalter Stephan von Erffa, merkte ebenfalls an, dass die Aktenfülle Schwierigkeiten bereite. Im Gegensatz zu Brauns Rechtsanwalt verzichten aber die Rechtsvertreter der beiden anderen Angeklagten auf einen Antrag, die Hauptverhandlung auszusetzen. Bereits zum Prozessauftakt Anfang Dezember vergangenen Jahres kündigte Dierlamm an, von diesem Mittel der Strafprozessordnung Gebrauch zu machen (vgl. BZ vom 9.12.2022). Diesen Antrag hat er mittlerweile schriftlich eingereicht.

„Nicht nachvollziehbar“

Dem Vorsitzenden Richter der zuständigen 4. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts, Markus Födisch, zufolge befindet sich der Antrag „in Bearbeitung“. Darüber werde alsbald entschieden. Bis dahin will Födisch die Hauptverhandlung auf jeden Fall fortsetzen. Er signalisierte allerdings, dass er Dierlamms Auffassung nicht teilt. „Ich kann die Dramatik, die sie hier darbieten, nicht nachvollziehen.“ Der Richter kündigte an, die Planung für die kommenden Verhandlungstage zu machen. Der Prozess werde am kommenden Mittwoch (11. Januar) fortgesetzt, so Födisch. Zugleich gab er bekannt, dass im Fall einer Ablehnung von Dierlamms Antrag das Gericht Braun befragen werde. Letzterer äußerte sich vor der Strafkammer persönlich noch nicht. Zuletzt gab sein Verteidiger bekannt, dass dieser aber aussagen wolle (vgl. BZ vom 22.12.2022).

Dierlamms Taktik in dem Gerichtsprozess zielt unter anderem offensichtlich darauf ab, Bellenhaus als unglaubwürdig erscheinen zu lassen. In seinem Geständnis, bei dem er zahlreiche Belege vorwies, beschuldigte der frühere Wirecard-Statthalter in Dubai den Hauptangeklagten schwer. Seinen Worten zufolge war Braun der „Kern“ der Machenschaften (vgl. BZ vom 20.12.2022). Die Staatsanwaltschaft München wirft den drei Angeklagten u.a. „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“ vor. Diese hätten jahrelang die Bilanz von Wirecard manipuliert, um das Unternehmen nach außen besser erscheinen zu lassen, als es wirklich war. Im Frühsommer 2020 war das Dax-Mitglied nach einem aufgeflogenen Bilanzloch von 1,9 Mrd. Euro zusammengebrochen. Bellenhaus war während seiner Managertätigkeit für Wirecard für das Drittpartnergeschäft in Asien zuständig. Später stellte sich dieses als Luftbuchung größeren Ausmaßes heraus.

Nach Dierlamms erneuter Mängelrüge vor Gericht meldete sich Bellenhaus’ Rechtsbeistand Florian Eder zu Wort. Dieser widersprach der Behauptung seines Kollgen, sein Mandant habe Scheinfirmen während seiner Tätigkeit in Dubai „gegründet“, um hinter Brauns Rücken ein Schattensystem für die Betrügereien aufzubauen, Brauns Verteidiger bezichtigte zum Prozessauftakt den Kronzeugen der Haupttäterschaft und attackierte seinerzeit die Strafermittler heftig.

Einen Verhandlungstag zuvor kritisierte Eder Brauns Anwalt vor der Strafkammer heftig. Er warf Dierlamm vor, mit einer Verzögerungstaktik den Prozess behindern zu wollen. Födisch hatte bisher 100 Verhandlungstage bis Ende 2023 angesetzt. Der Mammutprozess geht aber 2024 weiter. Das Gericht will viele Zeugen befragen.

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