LEITARTIKEL

Zielkes Ernstfall

Nicht nur Menschen machen Karriere, auch Strategieziele. Dasjenige der Commerzbank flog mal ganz schön hoch, um dann gleichsam mit der Zinsstrukturkurve zusehends zu verflachen. 2009 verkündete die Bank, sie strebe in den Jahren nach 2011 eine...

Zielkes Ernstfall

Nicht nur Menschen machen Karriere, auch Strategieziele. Dasjenige der Commerzbank flog mal ganz schön hoch, um dann gleichsam mit der Zinsstrukturkurve zusehends zu verflachen. 2009 verkündete die Bank, sie strebe in den Jahren nach 2011 eine Eigenkapitalrendite von 12 % netto an. Als dieses Ziel für die Bank unerreichbar geworden war, nannte sie Ende 2012 für 2016 zumindest vor Altlasten mehr als 10 % Eigenkapitalrendite. Es dauerte bis August dieses Jahres, bis der frischgebackene Vorstandsvorsitzende Martin Zielke auch diese Vorgabe kassieren musste. Noch im Februar versprach die Bank nach einem Milliardengewinn für 2016 ein leicht steigendes Konzernergebnis, nun nur noch “ein leicht positives Konzernergebnis”. Wie ernst muss man es also nehmen, wenn mit Blick auf 2020 nun die Rede ist von einer Rendite auf das materielle Eigenkapital von “mindestens 6 %” oder von wenigstens 8 % im Falle einer normalisierten Zinskurve? Schon die untere Marke ist (über-)ambitioniert, entspricht sie derzeit doch einer Überrendite auf den risikolosen Zins von strammen 6 Prozentpunkten.Angesichts abnormer Zinsniveaus formuliert der Commerzbank-Chef nicht nur mutige Renditeziele. Vor allem konzentriert er sich auf das, was er beeinflussen kann: die Kosten. Und da macht er Ernst. 2020 will er in etwa so viel Ertrag erwirtschaften wie 2015, allerdings mit gut einem Fünftel weniger Vollzeitstellen. Diese Kalkulation bedeutet entweder, dass das Management geraume Zeit etwas versäumt hat und mittlerweile 20 % der Commerzbanker überflüssig sind oder dass die Bank mit ihrem personellen Kahlschlag unweigerlich Erträge preisgibt – es sei denn, man glaubt tatsächlich daran, dass all dies allein durch Automatisierung aufzuholen sein wird. Immerhin handelt es sich bei den noch 45 400 Vollzeitkräften im Konzern auch um jene Mitarbeiter, welche die Sparrunden seit 2008 überlebt haben, in denen die Commerzbank bereits 23 % ihrer Jobs strich. Die Commerzbank wird vielleicht digitaler, in jedem Fall aber deutlich kleiner.Vom Ernstfall zeugt auch die Neuaufteilung der Konzernstruktur, die Einsparungen in kundenfernen Bereichen ermöglichen soll. Ohne große Not zerschlägt kein Manager eine Sparte wie die Mittelstandsbank, die in nicht wenigen Jahren ihres Bestehens das Ergebnis des gesamten Konzerns zog. Die Risiken der Zusammenlegung von vier operativen Konzernsparten in nur noch zwei liegen auf der Hand: Es drohen Reibungsverluste, wenn Investmentbanker und Firmenkundenbetreuer nun unter einem Dach zusammenarbeiten sollen, und vielleicht ist überhaupt erst einmal zu klären, ob es dort künftig eher um Kundenbetreuung oder um Produktvertrieb gehen soll. Zudem muss die Bank zusehen, wie sie ihre kleineren Firmenkunden bei Laune hält, die sie nun unversehens dem Privatkundengeschäft zuschlägt.All dies bindet Kapazitäten und lenkt vom operativen Geschäft ab. Das Beispiel der Deutschen Bank demonstriert, wie man mit Gründung einer Deutschen Bank 24 erst Kunden verprellen und sich in den Jahren danach mit dauernder Umstrukturiererei letztlich in Grund und Boden taktieren kann.Der Commerzbank ist zugute zu halten, dass sie im direkten Vergleich mit dem Management des Konkurrenten passabel abschneidet. Die Gelben zeigten 2015 einen Milliardengewinn, die Blauen einen Rekordverlust. Die Deutsche Bank hat einen guten Zeitpunkt für eine weitere Kapitalerhöhung zuletzt verpasst, die Commerzbank holte im Zuge von neun Kapitalerhöhungen seit 2008 samt Kapitalherabsetzungen an Eigenkapital heraus, was nur ging, solange dies noch ging – für die Aktionäre war dies kein Spaß, für die Bank überlebenswichtig.Zu seiner Zeit als Vorstand für das Commerzbank-Privatkundengeschäft hat Zielke gezeigt, wie ein Turnaround-Plan, wider die allgemeine Erwartung, aufgehen kann. Seine Strategie für die Commerzbank nun geht auf der einen Seite an die Grenze dessen, was einer Organisation zugemutet werden kann, ohne diese in Schockstarre zu versetzen. Auf der anderen Seite lassen ihr Ziel, in vier Jahren so viel einzunehmen wie schon im vergangenen, und eine nochmals tiefer gelegte Renditevorgabe zugleich wenig übrig, was Anleger im Zinstief ermutigen kann. Der Kursverlust am gestrigen Donnerstag hat die Bewertung der Aktie auf ein Viertel des Buchwerts gedrückt. Dies dürfte die Einschätzung widerspiegeln, dass es nach den Strategieentwürfen der Vergangenheit bereits als Erfolg zu werten wäre, gingen Zielkes Pläne für das Jahr 2020 nur halbwegs auf.——–Von Bernd NeubacherCommerzbank-Chef Zielke testet die Grenzen dessen aus, was einer Organisation zugemutet werden kann. Den Anlegern macht die Strategie bislang wenig Mut.——-