SonderbeilageFinanzplätze in Europa

Gemeinsam an Zukunftsvision für Europa arbeiten

Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzplätze steht in Frage. Die Fragmentierung ist eine große Herausforderungen. Eine Zukunftsvision für einen starken europäischen Finanzplatz erfordert enge Kooperation. Frankfurt könnte eine Schlüsselrolle als Brückenbauer spielen.

Gemeinsam an Zukunftsvision für Europa arbeiten

Gemeinsam an Zukunftsvision für Europa arbeiten

Fragmentierung muss überwunden werden – Frankfurt kann als Brückenbauer agieren – Verbindungen zwischen Unternehmen und Start-ups stärken

Von Corinna Egerer

Gründerin und Geschäftsführerin von Frankfurt Digital Finance

„Löst Paris London bald als wichtigsten europäischen Finanzplatz ab?”, „Finanzplatz Frankfurt überholt Paris”: Die Liste der Berichte, die die europäischen Finanzplätze miteinander vergleichen, ist lang. Es ist gut, dass dieser Wettbewerb besteht. Hin und wieder kann ein kleiner Wettbewerbsgedanke anspornen, besser zu werden. Doch eine Zukunftsvision für einen wettbewerbsfähigen europäischen Finanzplatz lässt sich nur gemeinsam entwickeln.

Eine aktuelle Studie des Think Tanks OMFIF zeigt: Europäische Finanzdienstleister haben an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Vor 15 Jahren war die Marktkapitalisierung der europäischen Banken fast doppelt so hoch wie die der US-Banken, heute ist es umgekehrt. Im vergangenen Jahr hatten nur zwei der 20 weltweit führenden Banken ihren Hauptsitz in der Europäischen Union (EU), ebenso wie nur zwei der 20 weltweit führenden Fondsmanager.

Europas Finanzplätze müssen wieder aufschließen

Ein Grund dafür kann in der Fragmentierung der europäischen Märkte gesehen werden. Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, beschreibt in einem Statement für den Bankenverband die Folgen der Fragmentierung für die Innovations- und Zukunftsfähigkeit des Standortes Europa sehr treffend: „Große Fonds und Kapitalsammelstellen investieren vorzugsweise dort, wo es einen tiefen und liquiden Kapitalmarkt gibt. Sie wollen klare und möglichst einfache Regeln, damit sie schnell und flexibel handeln können. In der Europäischen Union mangelt es genau hieran. Die nationalen Kapitalmärkte sind zu klein, zu wenig Geschäfte werden abgewickelt.”

Die europäischen Finanzplätze müssen nun mit Unterstützung der Politik und Aufsichtsbehörden diese „Wettbewerbslücke“ zu den USA und dem Rest der Welt wieder schließen. Und es sieht gut aus, denn: Die Zeichen stehen auf Kooperation.

Im Oktober betonte Chris Hayward von der City of London Corporation „die gemeinsamen Interessen der Finanzbranche auf beiden Seiten des Ärmelkanals”. Einen Monat später erschien dann ein neues Finanzplatz-Ranking vom Center for Finan-cial Studies (CFS) in Kooperation mit dem Institut Louis Bachelier aus Paris. Neben den Ergebnissen – die allemal spannend sind – ist die Einordnung interessant. Hubertus Väth, Geschäftsführer von Frankfurt Main Finance, hält einen Index für wichtig, um sich mit den größten Konkurrenten innerhalb der EU zu messen. Man wolle vor Paris stehen, jedoch auch mit den Nachbarn kooperieren, um den europäischen Markt zu stärken.

Attraktivität stärken

Gleiches äußerte auch Philippe Oddo, Geschäftsführender Gesellschafter und Vorstandsvorsitzender der Oddo BHF, im Vorfeld der Frankfurt Digital Finance: „Die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Europa muss gestärkt werden. Die europäische Bankenunion ist dabei von großer Bedeutung, ebenso die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland. Sie ist meiner Meinung nach ein wesentlicher Schlüssel für den Erfolg Europas.”

Die Finanzplätze Paris, Frankfurt und andere sind also nicht mehr einzeln zu be-trachten, sondern die Märkte sind als ein gemeinsamer europäischer Finanzplatz zu sehen, in dem jeder seine spezifischen Stärken einbringt. Dafür braucht es eine Zukunftsvision, die die Fragmentierung dieser Märkte überwindet. Nur ein vereintes Europa mit einem starken, kohärenten Finanzmarkt kann effektiv auf globale Trends sowie Krisen reagieren und die notwendige Transformation finanzieren.

Statt sich in internen Rivalitäten zu verlieren, sollten die europäischen Finanzmärkte ihre Zusammenarbeit neu ausrichten und gemeinsame Initiativen beschließen. Besonders viele Möglichkeiten bieten die Bereiche Regulierung, digitale Innovationen und nachhaltige Finanzen. Frankfurt – auch im Schulterschluss mit Paris – kann eine Schlüsselrolle als Brückenbauer spielen. Die Stadt ist nicht nur Sitz der Europäischen Zentralbank, sondern auch weiterer wichtiger Institutionen wie beispielsweise der Bundesbank, dem International Sustainability Standards Board oder der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA und damit eine weltoffene, international geprägte Stadt.

Idealer Ort für Dialog

Durch die hohe Dichte führender Banken und weiterer Finanzunternehmen ist sie Treffpunkt für Spitzenakteure des Finanzsektors. Auch ihre zentrale Lage prädestiniert Frankfurt als idealen Ort für den Dialog und die Entwicklung gemeinsamer Initiativen.

Aber nicht nur die europäischen Finanzmärkte müssen stärker miteinander verbunden werden, sondern auch die einzelnen Akteure. Dass der Austausch gestärkt werden muss, zeigt eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom: Aktuell arbeiten gerade einmal 29% der befragten Unternehmen mit Tech-Start-ups zusammen. Diese Kooperationen zahlen sich jedoch aus. Nahezu alle Befragten (91%) gaben an, dass ihre Erwartungen an die Kooperation erfüllt wurden. Zudem konnten 84% ihre Technologie-Expertise durch die Kooperation verbessern. Allerdings fehlt laut Bitkom den meisten Unternehmen schlicht der Kontakt und Austausch mit den innovativen Jungunternehmen. Und manchmal vielleicht auch das gegenseitige Verständnis und Vertrauen.

Innovative Technologien – wie sie von hochspezialisierten und wendigen Start-ups entwickelt werden – sind eine Triebfeder für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des Standorts Europa. Allerdings müssen diese Technologien ihre Wege in die Unternehmen finden. Und Start-ups müssen die Baustellen und Prozesse der etablierten Wirtschaft verstehen lernen.

Fazit – Was muss geschehen, damit der Finanzplatz Europa zukunftsfähig ist?

  1. Entwicklung eines gemeinsamen Leitbildes für einen europäischen Finanzplatz.
  2. Sinnvolle Kooperation der Finanzplätze, die von den individuellen Standort-Stärken profitieren.
  3. Zügige Umsetzung der Kapitalmarktunion, um a) die Herausforderungen der Transformation finanzieren zu können und b) internationalen Investoren einen (nicht fragmentierten) Markt anzubieten.
  4. Schaffung eines besseren Umfelds für Entrepreneurship und für Wachstum von Unternehmen in Zukunftstechnologien.