„Ein Meilenstein der europäischen Digitalpolitik“
„Ein Meilenstein der europäischen Digitalpolitik“
Interview: Andreas Schwab
„Ein Meilenstein der europäischen Digitalpolitik“
Der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab beobachtet die zunehmenden Abhängigkeiten, die sich in Bereichen wie Betriebssystemen, Rechenzentren und Cloud-Diensten verfestigen, mit Sorge. Umso wichtiger erachtet er den Digital Service Act, der einheitliche Regeln für Plattformen in ganz Europa schafft, und den Digital Markets Act, der wirksam vor Missbrauch von Marktpositionen schützt.
Von Detlef Fechtner, Brüssel
Technische Souveränität und Stärkung der digitalen Souveränität sind Ziele, die die EU mit verschiedenen Maßnahmen verfolgt? Welche davon ist oder welche davon sind besonders wichtig und dringlich?
Der Aufbau einer souveränen und sicheren digitalen Infrastruktur ist für Europa von zentraler Bedeutung, insbesondere in sensiblen Bereichen wie der Speicherung und Verarbeitung von Zolldaten in der Cloud. Mit Sorge blicke ich auf die zunehmenden Abhängigkeiten, die sich durch Marktkonzentration und ausländische Kontrolle in strategisch kritischen Bereichen wie Betriebssystemen, Rechenzentren, Cybersicherheit und Cloud-Diensten verfestigt haben. Diese Entwicklung gefährdet nicht nur unsere wirtschaftliche Handlungsfähigkeit, sondern auch unsere demokratische Selbstbestimmung.
Wie lautet Ihre Reaktion darauf?
Ich setze mich für eine eigenständige europäische digitale Infrastruktur ein, die auf offenen und datenschutzfreundlichen Technologien basiert. Zugleich braucht es eine Gesetzgebung, die diesen Anspruch politisch trägt. Sie muss unabhängig sein und dem Prinzip offener Märkte, fairem Wettbewerb sowie dem Schutz von Privatsphäre und Sicherheit verpflichtet bleiben.
Wie wirksam erweist sich Ihrer Einschätzung nach der Digital Service Act? Werden die damit verbundenen Ziele bislang erreicht?
Der Digital Services Act (DSA) ist ein Meilenstein der europäischen Digitalpolitik. Er schafft erstmals einheitliche Regeln für Plattformen in ganz Europa und definiert klar die Verantwortung für illegale Inhalte und Produkte. Entgegen teils heftiger Kritik aus den USA schränkt der DSA die Meinungsfreiheit nicht ein, sondern schützt sie, indem er sicherstellt, dass rechtswidrige Inhalte entfernt werden. Was im öffentlichen Raum verboten ist, darf auch im Internet keinen Platz haben. Der DSA stärkt zudem den Verbraucherschutz, verpflichtet sehr große Plattformen zu mehr Transparenz und Risikoprüfungen und verbietet beispielsweise Dark Patterns und personalisierte Werbung für Minderjährige.
Und hat das Wirkung?
Erste Verfahren – gegen Shein, Temu und Tiktok – zeigen, dass auch die Durchsetzung funktioniert. So hat die Kommission im November 2023 ein Verfahren gegen Temu unter anderem wegen des Verkaufs illegaler Produkte und manipulativer Empfehlungssysteme eröffnet. Im Juli 2024 stellte sie vorläufig fest, dass Temu Risiken unzureichend bewertet und weiterhin unsichere Waren wie Babyspielzeug und Elektronik anbietet. Solche Verfahren belegen, dass der DSA wirkt. Um den DSA in der Praxis zu vollenden, sind nun noch insbesondere ein verbesserter Schutz für Minderjährige und rechtssichere Vorgaben für Influencer-Marketing erforderlich.
Und wie ist das mit dem Digital Markets Act? Bietet er Schutz gegen den Missbrauch der dominierenden Marktposition von US-Big-Tech?
Der DMA bietet wirksamen Schutz vor dem Missbrauch dominanter Marktpositionen durch sogenannte Gatekeeper. Mehrere Verfahren wurden bereits eröffnet, einige davon führten zu erheblichen Geldstrafen: So wurde Meta im April 2024 beispielsweise zu 200 Mill. Euro und Apple zu 500 Mill. Euro verurteilt. Infolge intensiver Gespräche mit der Europäischen Kommission hat Apple zuletzt konkrete Maßnahmen beschlossen, um zentrale Funktionen von iOS und iPadOS auch Drittanbietern zugänglich zu machen. Das bedeutet unter anderem:
iPhone-Nutzer können Push-Benachrichtigungen auf Smartwatches anderer Hersteller empfangen und beantworten.
Kopfhörer und Smartwatches von Drittanbietern lassen sich einfacher mit Apple-Geräten koppeln.
App-Entwickler können Alternativen zu Diensten wie AirDrop oder AirPlay integrieren und Nutzerinnen und Nutzern echte Wahlfreiheit bieten.
Diese Änderungen belegen: Der DMA ist kein Hemmnis für Innovation, sondern ein Treiber für mehr Vielfalt, technologischen Fortschritt und fairen Wettbewerb.
Dass die Europäische Kommission als alleinige Durchsetzungsbehörde fungiert, hat sich bislang als effektiv erwiesen. Gleichzeitig wäre bei bestimmten Fragen mehr Entschlossenheit wünschenswert, insbesondere bei offenen Fragen wie der Selbstbevorzugung von Google-Services, in denen bislang noch keine abschließenden Maßnahmen ergriffen wurden. Insgesamt zeigt der DMA, dass die Europäische Union regulatorisch handlungsfähig ist, um Machtmissbrauch im digitalen Binnenmarkt zu begrenzen und Innovation zu fördern. Zugleich bleibt auch Raum für ein ambitionierteres Vorgehen bei der Durchsetzung.
