EU sondiert Möglichkeiten des Zugriffs auf „frozen assets“
EU sondiert Möglichkeiten des Zugriffs auf „frozen assets“
FOKUS: Russische Vermögen
EU sondiert Möglichkeiten des Zugriffs auf „frozen assets“
Die EU-Kommission tüftelt unter Hochdruck an Optionen, um die in Europa eingefrorenen Vermögenswerte Russlands viel umfangreicher als bisher für die Finanzierung der milliardenschweren Ukraine-Hilfen zu mobilisieren.
Von Detlef Fechtner, Kopenhagen
Die EU-Kommission arbeitet intensiv an der Konkretisierung so genannter „Reparations-Anleihen“. Sie sind Teil einer Vorgehensweise, mit der die EU stärker als bisher die von Euroclear verwalteten, eingefrorenen russischen Vermögen nutzen möchte, um der Ukraine finanziell zu helfen. Euroclear ist eine große, private Wertpapier-Verwahrstelle mit Sitz in Brüssel.
Bislang schöpft die EU die Zinsen der russischen „frozen assets“ ab, das heißt, sie bedient sich der Kapitalerträge, aber rührt die Vermögenswerte selbst nicht an. Denn ein Zugriff auf die Vermögen, die die russische Zentralbank hält, wäre eine Enteignung – und könnte weltweit Investoren und Vermögende, insbesondere aus dem arabischen Raum, verschrecken und davon abhalten, ihr Geld auch künftig in Europa anzulegen oder zu verwahren. Vor allem die Europäische Zentralbank warnt beständig die EU vor Maßnahmen, die nicht in Einklang mit internationalem Recht stehen und deshalb die Stabilität der Währung beeinträchtigen könnten.
„Reparations-Darlehen“
Nun will die EU-Kommission einen Schritt weiter gehen. „Wir schlagen vor, dass Russlands Ansprüche auf diese Vermögenswerte bestehen bleiben, aber wir verwenden die angesammelten Barguthaben, sobald sie fällig werden, um der Ukraine Reparations-Darlehen zu gewähren“, erklärte EU-Kommissar Valdis Dombrovskis am Wochenende beim Treffen der EU-Finanzminister in Kopenhagen und fügte an: Auf diese Weise umgehe es die EU, sich mit Fragen der „sovereign immunity“ zu befassen, die diese Diskussionen zuvor belastet haben. „Sovereign immunity“ ist ein Rechtsgrundsatz, der den fremden Zugang uaf Staatsvermögen – in diesem Falle der russischen Zentralbank – verhindern soll.
Vertagung der Frage der Enteignung
Wie die stärkere Nutzung der „frozen assets“ für Ukraine-Hilfen genau von statten gehen soll, sei noch nicht geklärt, verlautet aus der EU-Kommission. Denkbar wäre beispielsweise, den liquiden Teil der Bestände, die bei der Brüsseler Verwahrstelle Euroclear lagern, zusammenzufassen und als Kredit an Kiew weiterzureichen. Statt der Cash-Bestände würde Euroclear im Gegenzug von der EU besicherte Anleihen erhalten. Der Effekt wäre, dass die Frage einer Enteignung um Jahre vertagt wäre – nämlich erst dann schlagend werden würde, wenn Russland nach Ende eines Kriegs seine Forderungen gegenüber Euroclear geltend machen würde. Dann wiederum wäre denkbar, die Forderungen mit etwaigen Reparationszahlungen zu verrechnen.
Allerdings werden in der EU-Kommission auch noch ganz andere Optionen erwogen. Ziel ist es, möglichst schnell Klarheit über die wichtigen Einzelheiten zu schaffen, damit sich sowohl der Ecofin-Rat (am 10. Oktober) als auch der EU-Gipfel (am 23. Oktober) mit der Frage beschäftigen können. Es gehe „eher um Wochen als um Monate“, signalisierte Dombrovskis.
IWF klärt Finanzierungsbedarf der Ukraine
Den Umfang der Nutzung russischer Assets will die EU-Kommission erst vorschlagen, wenn der Internationale Währungsfonds den Finanzierungsbedarf der Ukraine in den nächsten zwei Jahren geschätzt hat. Diese Einschätzung wird in den nächsten Tagen erwartet-
Eine grobe Vorstellung des Volumens gibt es jedoch. Aus EU-Kommissionskreisen wird bestätigt, dass es sich bei den zur Rede stehenden Cash-Beständen russischer Assets um einen dreistelligen Milliardenbetrag handele. In Brüssel laufen Summen zwischen 180 Mrd. und 210 Mrd. Euro um, die allerdings nicht bestätigt sind.
