Staatsschuldenentwicklung

Das Risiko Schuldenberg

Die weltweiten Staatsschulden steigen immer weiter an. Ein Thema für die Finanzmärkte ist das aber noch nicht. Doch mit steigenden Zinsen könnte es ungemütlicher werden.

Das Risiko Schuldenberg

Es wird immer wieder thematisiert, aber ein Thema mit Marktimplikationen ist es für die Finanzmärkte bislang nicht geworden: die globale Verschuldung der Staaten. Sie hat in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt. Und die Kapitalmärkte, die von billigem Geld der Zentralbanken im Rahmen von Quantitative Easing nur so überschwemmt wurden, haben den Staaten diese immer größer werdenden Schuldenberge, ohne auch nur die geringste Skepsis oder Zurückhaltung zu zeigen, bequem ermöglicht, wie immer wieder aus den Nähten platzende Orderbücher zuhauf bestätigten.

Gemäß dem Sovereign Debt Index von Janus Henderson, der Anfang April vorgelegt wurde, stieg die weltweite Staatsverschuldung 2021 auf 65,4 Bill. Dollar, da alle Länder mehr Kredite aufnahmen. Währungsbereinigt ergibt sich ein Anstieg um 7,8% (vgl. BZ vom 6. April). Der Sovereign Debt Index ist eine Langzeitstudie über die Entwicklung der weltweiten Staatsverschuldung, die sich daraus ergebenden Anlagemöglichkeiten und die damit verbundenen Risiken. Der Index ermittelt den Umfang, zu dem sich die Staaten weltweit mit Anleihen finanzieren, wie erschwinglich und nachhaltig diese sind, und vergleicht Trends.

Lange andauernder Trend

Die Eckpunkte dieser Analyse lassen durchaus aufhorchen. In der Zeit der Pandemie, die nun gut zweieinhalb Jahre andauert, ist die weltweite Staatsverschuldung allein schon um ein Viertel geklettert. Doch mit den notwendigen Ausgaben für Gesundheitssysteme und die Aufrechterhaltung der Wirtschaft gibt es hierfür triftige Gründe. Das allein hat jedoch nicht zu diesem hohen Schuldenstand geführt. Der Trend dauert ja schon länger an. Die Staatsschulden haben sich gemäß der Analyse in zwei Jahrzehnten immerhin verdreifacht. Und nur Wirtschaftsaufschwüngen ist es zu verdanken, dass die Schuldenquote gemessen am Bruttoinlandsprodukt vielerorten nicht auf Niveaus kletterte, die zumindest einmal hochgezogene Augenbrauen hätten hervorrufen müssen. „Ein starker Wirtschaftsaufschwung führte dazu, dass sich die globale Schuldenquote von 87,5% im Jahr 2020 auf 80,7% im Jahr 2021 verbesserte“, so Janus Henderson. Die Prognosen sind allerdings alles andere als beruhigend: Die Staatsverschuldung soll 2022 um 9,5% steigen, wobei der Großteil des Anstiegs auf die USA, Japan und China entfällt. Die Zinskosten der Staaten werden dieses Jahr weltweit um 14,5% währungsbereinigt steigen.

Ohne Frage hat der Trend fallender Zinsen bzw. Renditen von Staatsanleihen diese Entwicklung begünstigt. Staatstitel von Emittenten mit Top-Bonität wie etwa des Bundes werden an den Märkten seit mehr als einem Jahrzehnt mit negativen Renditen gehandelt, aus denen sie sich erst jüngst herausbewegten. Negativzinsen betrafen viele Emittenten. Schuldenmachen war also attraktiv: Finanzministerien bekamen nicht nur den Kreditbetrag an den Märkten hinterhergeschmissen, sondern auch noch Zinsen als Parkgebühr von den Anlegern bezahlt. Keinen Kredit aufzunehmen muss manchen ja schon töricht vorgekommen sein, vor allem als negative Zinsen auch noch für die schlechteren Bonitäten Realität wurden.

Kann das so weitergehen angesichts restriktiver werdender Zentralbanken? Auf kurze Sicht ist an den Märkten wohl kein Ungemach einzukalkulieren im Sinne eines Käuferstreiks am Bondprimärmarkt. Höhere Renditen locken Anleger ja geradezu an, denn endlich lässt sich wieder eine positive Rendite einstreichen statt der Berechnung einer Parkgebühr. Das hält auch den Renditeanstieg zumindest etwas im Zaum. Aber was passiert auf längere Sicht? Da tut sich ein Dilemma auf. Die Notenbanker müssen die Inflation in den Griff bekommen, sind durch Pandemie und Ukraine-Krieg allerdings mit Rezessionsgefahren konfrontiert. Zu stark dürfen die Leitzinsen nicht angehoben werden, wenn die Wirtschaft nicht auf Talfahrt gehen soll. Im Gegenteil: Vielleicht wird sogar wieder Unterstützung erforderlich. Und auch die Staaten werden wiederum eingreifen müssen – mit Konjunkturprogrammen etwa. Höhere Zinsen in Form von Staatsanleiherenditen, die die Erwartung über die Leitzinsentwicklung/Notenbankpolitik reflektieren, kommen da nicht gerade recht. Bleibt noch, das Sentiment der Anleger ins Kalkül zu ziehen. Und hierbei stellt sich der Investor die Frage: Entschädigt die Rendite für das übernommene Risiko? Und dieses Risiko ist die Schuldentragfähigkeit, bei der der – steigende – Schuldenberg neben dem ebenfalls steigenden Zins die maßgebliche Determinante ist. Keine rosige Perspektive.

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