Marcel Fratzscher

DIW-Chef warnt vor dauerhaften Corona-Schäden

Der Lockdown in Deutschland dürfte auch über den 14. Februar hinaus verlängert werden. Was bedeutet das für die Wirtschaft - kurzfristig, aber auch langfristig? Ein Interview mit DIW-Chef Marcel Fratzscher.

DIW-Chef warnt vor dauerhaften Corona-Schäden

Mark Schrörs.

Herr Professor Fratzscher, wie viel Lockdown kann die deutsche Wirtschaft noch vertragen, bevor sie in eine erneute tiefe Rezession stürzt oder irreparablen Schaden nimmt – etwa in Form ei­ner strukturell hö­­he­ren Arbeitslosigkeit?

Die deutsche Wirtschaft dürf­te im ersten Quartal um mindestens 3% schrumpfen. Ich befürchte, viele Prognosen für das gesamte Jahr 2021 sind noch immer zu optimistisch und realisieren nicht, dass die Wirtschaft den größten Teil dieses Jahres mit Restriktionen wird leben müssen. Meine viel größere Sorge ist aber der langfristige Schaden, der durch einen Anstieg von Unternehmensinsolvenzen und Arbeitslosigkeit entstehen wird. Die zweite Infektionswelle jetzt zerstört sehr viel mehr wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als die erste Welle.

Tut die Bundesregierung genug und das Richtige, um den wirtschaftlichen Schaden zu minimieren, oder sollte sie fiskalisch nachlegen und andere Prioritäten setzen?

Es gibt fast kein Land in der Welt, das größere Wirtschaftshilfen und Konjunkturprogramme hat als Deutschland. Zu einer ehrlichen Debatte gehört das Eingeständnis, dass der Staat nicht alle Unternehmen retten und jeden ökonomischen Schaden kompensieren kann. Die Re­gierung sollte frühzeitig wirtschaftliche Hilfen ausbauen und verlängern, um Unternehmen ei­ne Perspektive anzubieten. Und sie sollte bald ein langfristiges Investitionsprogramm auflegen, so dass der Strukturwandel in Bezug auf Klimaschutz, Digitalisierung und Innovation gelingt.

Wie lassen sich die Kosten der Coronakrise dauerhaft tragen und fair verteilen?

Der Anstieg der Staatsverschuldung sollte unsere geringste Sorge sein. Ein starkes Wachstum ist der beste Weg, um Schulden wieder abzubauen. Deutschland wird als Wirtschaftsstandort aber nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn Wirtschaft und Staat massive private und öffentliche Investitionen tätigen, um den Strukturwandel erfolgreich zu bewältigen. Diese Investitionsoffensive wird, inmitten der demografischen Alterung, jedoch ohne grundlegende Steuerreformen oder, alternativ, einen weiteren Anstieg der Staatsverschuldung nicht finanzierbar sein.

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