GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt (317)

Anlagerisiko Lieferkette: Gefahren erkennen, bewerten und bekämpfen

Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße in der Lieferkette sind nicht leicht zu entdecken – doch Investoren müssen diese erkennen und managen können.

Anlagerisiko Lieferkette: Gefahren erkennen, bewerten und bekämpfen

Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (317)

Anlagerisiko Lieferkette: Gefahren bekämpfen

Ob Ausbeutung saisonaler Farmarbeiter in England oder Zwangs- und Kinderarbeit in Kupfer- und Kobaltminen: Risiken in der Lieferkette lauern überall – und Investoren müssen diese analysieren und managen können. Denn bei Missachtung von Standards drohen Unternehmen nicht mehr nur Ruf- und Markenschäden und somit Gewinneinbußen. Auch gesetzliche Strafen werden immer härter. Das Problem: Investoren erhalten selten Transparenz, weder beim Zusammenspiel von Risikobewertungen, Überwachung und Schadensbehebung noch bei der Bewertung der Wirksamkeit von Maßnahmen. Doch gibt es Methoden, wie Investoren die Risiken in den Lieferketten von Unternehmen am besten erkennen, bewerten und gute Praktiken fördern können.

Im ersten Schritt müssen Investoren Risiken identifizieren und beurteilen. Dazu sollten sie ein breites Spektrum von Parametern einbeziehen und dabei die gesamte Lieferkette im Blick behalten – eine Mammutaufgabe, die allein nur schwer zu bewältigen ist. Daher ist es angeraten, Expertise von Dritten hinzuzuziehen: Hilfreich sind zum Beispiel Sekundäranalysen und Dialoge mit Interessengruppen.

Ein zentraler Akteur sind jedoch die Einkaufs- und Beschaffungsteams – sie sollten unbedingt einbezogen werden. Denn: Sie sind der Hauptansprechpartner für Zulieferer, haben die wirtschaftlichen Entwicklungen in den Unternehmen klar im Blick und eine holistische Betrachtung der Lieferkette ist außerdem Teil ihrer Aufgabe. So können Bereiche, die sonst oft übersehen werden, in die Bewertung mit einfließen, darunter Logistik, Lagerwirtschaft oder Dienstleister. Zudem kann die Mitwirkung von Zulieferern bei der Risikobewertung dazu beitragen, die mit lokalen Geschäftspraktiken verbundenen Risiken besser zu verstehen.

Sind Risiken erst einmal erkannt, gewährleistet ein konstantes Monitoring, dass diese verhindert oder behoben werden. Dabei sollten die größten Risiken im Mittelpunkt stehen und das Monitoring zudem auf die einzelnen Unternehmen und Bereiche zugeschnitten sein. So erfordert beispielsweise die Überwachung der Produktion von Rohstoffen weit weg in der Lieferkette einen anderen Ansatz als die von Direktlieferanten.

Für eine zutreffende Risikobewertung sollten Investoren methodologische Fallstricke beachten, die Daten massiv verfälschen können. So sind allzu positive Erkenntnisse aus Gesprächen mit Arbeitnehmern in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten mit Skepsis zu betrachten. Eine zu starke Überwachung kann auch zu Verschleierung seitens der Zulieferer führen, die ihrerseits negative Konsequenzen wie verringerte Aufträge vermeiden wollen. Das führt wiederum zu erhöhten Risiken für Anleger. Es bedarf also einer Balance zwischen angemessenen Überwachungsmaßnahmen, Anreizen, Konsequenzen, aber auch Korrekturmaßnahmen.

Risiken können aus den oben genannten Gründen nie komplett vermieden werden. Daher haben Unternehmen meist auch Pläne zu Verbesserungsmaßnahmen. Diese bekämpfen oftmals jedoch nur Symptome statt Ursachen, und das Risiko neuerlicher Verstöße wird nicht verringert – was die Voraussetzung für eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen wäre. Deshalb müssen Zulieferer in die Lage versetzt werden, eigenständig Korrekturkapazitäten aufzubauen. Das erfordert Zeit und Ressourcen und muss mit Anreizen gefördert werden, wie etwa Erfolge mit künftigen Aufträgen zu verknüpfen.

Wenn ein Fall eintritt, muss ein opferzentrierter Prozess zur Erfassung von Informationen und zur Festlegung einer potenziellen Rehabilitierung und Entschädigung vorbereitet sein, um Schäden an Marke und Anlagen der Investoren zu verringern. Um in einer solchen Situation schnell und effektiv zu handeln, braucht es klare Hierarchien und Verantwortlichkeiten. Kann ein Unternehmen negative Auswirkungen durch kritische Zulieferer nicht vermeiden oder ausreichend abmildern, sollte es die Geschäftsbeziehung verantwortungsbewusst beenden. Nur so können künftige Schäden für Unternehmen und Anleger vermieden werden.