Im GesprächMarco Lenhardt, KPMG

„Bei Bestandskunden läuft man den Daten hinterher“

Die Berichterstattung nach CSRD stellt Banken vor ein massives Problem. Dies sagt Marco Lenhardt, Partner von KPMG. Aber die Zeit ist knapp. Bis Jahresende müssen die Institute liefern.

„Bei Bestandskunden läuft man den Daten hinterher“

Im Gespräch: Marco Lenhardt

„Bei Bestandskunden läuft man den Daten hinterher“

KPMG-Partner sieht massive Probleme für Banken bei CSRD-Berichterstattung – Vollständiger Bericht einer Bank erfordert mehr als 1.000 Datenfelder

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Die Einschätzung von KPMG zum Thema Banken und Nachhaltigkeitsberichterstattung hat eine martialische Note: Nur wenn sich Finanzinstitute jetzt in Stellung bringen, können sie die „riesige Datenschlacht“ auf dem Feld von ESG gewinnen.

Es geht um Fragen der Nachhaltigkeit von Finanzierungen und dem CO2-Fußabdruck? „Antworten auf diese Fragen und viele weitere müssen Banken aufgrund der ESG-Anforderungen bis Ende 2024 liefern“, sagt Marco Lenhardt, Partner Financial Services bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG.  

Kundenschnittstelle ist das Problem

Beim Thema ESG-Berichterstattung beziehungsweise CSRD sind Banken doppelt gefordert. Einerseits brauchen sie die Daten ihrer Kunden, andererseits die Werte aus dem eigenen Haus. „Bei der Datenbeschaffung ist die Kundenschnittstelle oft eine der größten Herausforderungen“, so Lenhardt. Nur die Kunden können den Banken die Daten zur Verfügung stellen – und da brauche es die Bereitschaft, schnell und in guter Qualität zu liefern.

Die Banken müssen wiederum Kundendaten und ihre eigenen Daten in der CSRD-Berichterstattung zusammentragen. „Wenn die Bank ihren Nachhaltigkeitsstatus offenlegt, dann teilt er sich auf in den eigenen Geschäftsbetrieb und die Informationen der Kunden, beziehungsweise des Portfolios. Am Ende müssen Banken beides zu einem Gesamtbild zusammenführen.“ Der Umfang ist gewaltig. Für einen vollständigen CSRD-Bericht einer Bank seien mehr als 1.000 Datenfelder zu füllen.

Die Zeit ist knapp

Die Zeit ist knapp, doch zumindest alle größeren Banken seien bereits in Umsetzungsprojekten zur CSRD aktiv. „Oft ist nicht klar, in welcher Einheit und in welchem System der Bank die Daten liegen. Selbst wenn es eine Nachhaltigkeitsabteilung gibt, geht es dort meist eher um strategische Themen und weniger um das Sammeln der Daten, die das Institut für die CSRD-Berichterstattung benötigt“, berichtet Lenhardt aus seiner Tätigkeit vor Ort.

Große Banken haben die Ressourcen, die Aufgabe anzupacken. „Kleine Banken werden die CSRD-Berichterstattung nicht allein meistern können. Die Verbände erarbeiten aktuell Hilfestellungen für diese Institute.“ Bei den kleineren Instituten komme erschwerend hinzu, dass zu ihren Kunden vor allem KMUs zählen. Da diese wiederum zu einer weniger umfangreichen Berichterstattung verpflichtet seien als große börsennotierte Gesellschaften, müssten viele Daten händisch beschafft werden.

Ein weiteres Problem besteht aus Sicht des KPMG-Beraters darin, die Daten der Kunden und der Portfolios mit weiteren Informationen in die Berichterstattung der Bank zu integrieren. Beispielsweise seien Daten über den eigenen Energieverbrauch oder Personaldaten im Unternehmen verstreut und zum Teil nicht einmal vernünftig erfasst. „Für die ESG-Berichterstattung einer Bank sind daher sehr viele Angaben aus verschiedenen Ecken zusammenzuführen.“

Eine Ursache für die Probleme besteht darin, dass der weitaus größere Teil der Geschäftskunden einer Bank nicht auf Daten zurückgreifen könne, die man kaufen kann. „Wenn ich in einem Unternehmen mit 200 Mitarbeitern den Controller nach dem Energieverbrauch, den Lieferketten oder dem CO2-Fußabdruck frage, wird er hierauf keine Antwort haben“, sagt Lenhardt.

Zwar seien Firmenkunden nicht so gefordert wie die Banken, doch auch der Kunde müsse 150 bis 200 Einzeldaten liefern, damit eine Finanzierung als nachhaltig eingestuft werden kann. Perspektivisch sollen Kredite und Investitionen in nachhaltige Bereiche attraktiver werden. „Wenn die ESG-Ratings die Aussagen nicht hergeben, wird das schwierig.“

Etwas besser sieht es bei Assetmanagern aus, die auf eine ausreichende Anzahl von externen Datenanbietern zurückgreifen können. „Es stellt sich die Frage nach der Qualität der Daten“, so Lenhardt. Eine unabhängige Zertifizierung gebe es für den Markt bislang noch nicht. Zudem machen die kapitalmarktorientierten Unternehmen nur einen Bruchteil der Unternehmen in Deutschland aus.

Düstere Perspektiven

Die ersten Berichte nach dem neuen CSRD-Standard stehen bis Ende des Jahres an. Etablierte Prozesse wird es nach Einschätzung von Lenhardt oft nicht geben, sondern Interimslösungen, weil es anders nicht möglich sei. Zudem haben Banken keine formellen Sanktionsmöglichkeiten, wenn die Kunden ihre ESG-Daten nicht liefern. Es gibt natürlich die Möglichkeit, die Konditionen anzupassen. „Doch gerade bei Bestandskunden läuft man im Zweifel den Daten hinterher.“

Der für Reporting zuständige KPMG-Partner Marco Lenhardt sieht massive Probleme für Banken bei der anstehenden CSRD-Berichterstattung. Nur wenn sich Finanzinstitute jetzt in Stellung bringen, könnten sie die ESG-Datenschlacht gewinnen. Besonders schwierig sei es für kleinere Banken.

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